Der vorliegende Artikel behandelt die Frage, ob das Fernsehen reale
Erlebnisse ersetzt oder ergänzt.
Arten von Medien-Täuschungen:
n
Illusion physischer Anwesenheit (Film: „Die Ankunft des
Zuges“ 1985)
n
Illusion der tatsächlichen Existenz von Personen und
Situationen (Konsultation von Dr. Brinkmann)
n
TV-Rezipienten verlieren ihren Ortssinn (omnipräsente Beteiligung, vgl. Meyrowitz)
n
Vielseher nehmen ihre Umwelt
als bedrohlicher wahr („Scary world“,
vgl. Gerbner)
Realitäts-Perspektiven in den Medien:
n
kopernikanisch: Medien als gesellschaftliche Subsysteme
sind selbst Teil der Realität
n
ptolemäisch: vom Rezipienten aufgenommener Mediengehalt
vs. Physische/soziale Welt
Mediengehalt = inhaltliche (Fiktiv vs. Real) + formale Merkmale
Rezipienten können langfristig u. u. nicht mehr zwischen Realität und
Fiktion unterscheiden (v. a. Kinder)
Kriterien für die eindeutige Trennung Medium/Realität
n
physikalisch-sensorische Erfahrbarkeit: Medien sind
maximal audiovisuell und 2D (ausser Riechfilm ,
3D-Darstellung, Theater)
n
Interaktion nur im Rahmen der vorgegebenen Möglichkeiten
Medien: Realitätsangebote, die in der Realität unmöglich sind:
n
Konzentration dramatischer Elemente
n
Zeitraffer
n
Schaffung von Traumwelten (Unterhaltung/Eskapismus)
n
Überwinden von Lokalität
Bedrohung in den Medien
n
stark überrepräsentiert
n
Konsumentenbedürfnis als Ersatz für die reale
Konfrontation mit Gewalt und Sterben
n
kein angeborenes Bedürfnis
Medienerlebnisse
n
sind leichter herzustellen und risikoloser
n
haben auf weniger sensorischen Dimensionen eine höhere
Intensität und Dichte
n
Mensch nicht wirklich Teil eines Ereignisses
n
keine reellen Handlungskonsequenzen
Reale Erlebnisse:
n
oft aufwendig oder riskant
n
alle Sinne, 3D
n
echte Erlebnisempfindung
n
Handlungskonsequenzen, u. u. Belohnung
Die Möglichkeit einer Entscheidung für real/medial besteht oft gar nicht
und es spielen auch noch andere Faktoren eine Rlle,
z. B. die Personeneigenschaft Reizsuche, die sich sowohl formal, als auch
inhaltlich im Fernsehprogramm nachweisen lässt.
Erst die Interaktion von Personen-, Situations- und Medienfaktoren ermögglicht die Bestimmung individueller
Handlungstendenzen.
Eigenschaften von Situations- und Medienfaktoren:
n
Stimulation (z. B. Lautstärke)
n
Erreichbarkeit (u. a. Kosten)
n
Hemmung (u. a. soziale Erwünschtheit)
Durch eine empirische Untersuchung sollte geklärt werden, ob Medien reale
Erlebnisse ersetzten und inwiefern der Grad der Sublimation vom Erlebnisinhalt
abhängt.
Offene Befragung: Gründe fürs Fernsehen:
n
Gewohnheit (höchste Zustimmung)
n
soziale Orientierung
n
Informationssuche
n
(Stimmungs-) Orientierung
n
Eskapismus
Standardisierte Befragung: Liste mit 21 Situationen aus drei Bereichen
n
Risiko, Gefahr, Abenteuer (z. B. Mörderverhör)
n
soziale Aktivitäten, Spass,
Glamour (ua Mode)
n
intellektuelle Anregung (ua
Forschungsexpedition)
Erfasst wurde, wie sehr man real/im TV solche Situationen aufsuchen würde
und ob man sie selbst schon konkret erlebt hätte.
Am beliebtesten waren generell intellektuelle Erlebnisse.
Wenig gewünscht wurden dagegen riskante Erlebnisse, besonders im Realen.
Bei gefahrlosen Erlebnissen ergänzten sich Realität und TV zu einem „je
mehr, desto besser“, wogegen bei Risiken, besonders bei Lebensgefahr oder bei
besonders beliebten nicht selbst erlebten Dingen das Fernsehen kompensatorische
Funktion übernahm.
Fazit:
n
Beziehung Realität-TV ist
komplementär
n
Fernsehen im Durchschnitt kein Ersatz für reale
Erlebnissuche
n
Fernsehen regt reale Erlebnisse an u. u.
n
TV Ersatz bei mangelnder Erreichbarkeit oder extremem
Risiko (Erweiterung realer Erlebnisangebote)
Konsequenzen: Durch z. B. Actionserien kann man dem Zuschauer
entgegenkommen, indem man die geringe soziale Erwünschtheit von Gewalt umgeht.
Das wirft natürlich auch die Frage nach einer Wechselwirkung auf. Ich
persönlich denke, dass Gewalt im TV zunächst einmal nur die
emotionale/gedankliche Auseinandersetzung damit bewirkt und dass hier v. a.
Eltern und Erzieher gefragt sind, entsprechende „reale“ Werte zu vermitteln.
Meiner Meinung nach ist die Untersuchung nicht aufgrund ihres geringen
Stichprobenumfangs ungenau, sondern da sie die selbsteinschätzung
der Befragten misst und nicht ihr tatsächliches Freizeit- und TV-Verhalten.
Resumée: Medien haben schon seit Menschengedenken Geschichten
und Fiktion vermittelt, weil Menschen dadurch ihre real gesetzten Grenzen gedanklich
überwinden konnten.
Menschen bedienen sich des Fernsehens als Teil unseres Sozial- und
Kultursystems im Rahmen ihrer Möglichkeiten und Wertvorstellungen.
Durch seine Stellung und Funktion innerhalb der Gesellschaft ist das
Fernsehen selbst ein Stück Realität.