Rüdiger Jacob, Harald Michels (Hrsg.)

 

Patientensurvey 2002

 

 

 

Autoren:

Bente Bachmann, Christian Böhmer, Oliver Börsch, Anke Dehmann, Sandra Derber, Monika Entringer, Nadja Gehlen, Michael Heinz, Marc Herres, Maik Hümmerich, Rüdiger Jacob, Teresa Joneck, Mathias Kahl, Caroline Kayser , Daniela Kröschel, Timo Kunz, Michael Loch, Alex Lovisa, Yasemin Mehmet, Caroline Rass, Christine Rösch, Sandra Roth, Klaus Schmitt, Verena Schnell, Elena Sprogies, Isabell Steffen, Max Steinmetz, Elina Stock, Nadine Talmon-Gross. Jan Weber, Christian Werner, Sigune Wieland, Timo Zuber

 

 


Inhaltsverzeichnis

 

1.      Vorwort                                                                                         4

 

2.      Untersuchungsdesign                                                                    6

 

 

3.      Ergebnisse                                                                                     9

 

3.1     Demographische Daten der Patienten                                                 9

 

3.2     Wege in die Praxis                                                                            15

 

3.3     Konsultationsverhalten                                                                      16

 

3.4     Gesundheitliche Probleme und Medikamentation                                22

3.4.1    Chronische Krankheiten                                                                                             22

3.4.2    Übergewicht                                                                                                              23

3.4.3    Medikamentenkonsum                                                                                               25

 

3.5     Gesundheitsrelevante Verhaltensweisen und Risikofaktoren                28

3.5.1    Risikofaktoren                                                                                                            29

3.5.2    Ernährung                                                                                                                  33

 

3.6     Früherkennung und Impfungen                                                          40

3.6.1    Früherkennung                                                                                                           40

3.6.2    Check-Up-35                                                                                                            42

3.6.3    Impfungen                                                                                                                  43

 

3.7     Kriterien für den Arztbesuch und Erwartungen an den Arzt                 46

 

3.8     Serviceleistungen der Praxis: Wünsche und Bewertungen                   52

3.8.1    Öffnungszeiten und Erreichbarkeit des Arztes                                                              53

3.8.2    Internet-Angebote                                                                                                      54

3.8.3    Ausstattung der Wartezimmer                                                                                     55

3.8.4    Weitere Serviceleistungen                                                                                           56

 

3.9     Warte- und Behandlungszeiten                                                          58

3.9.1    Wartezeiten                                                                                                               58

3.9.2    Behandlungszeiten                                                                                                      61

3.9.3    Terminvereinbarungen                                                                                                 64

 

3.10   Verweigerung von Behandlungen                                                       66

 

3.11   Arzt-Patienten-Kommunikation                                                         67

 

3.12   Patientenzufriedenheit                                                                       69

 

 

4. Fazit und Schlußfolgerungen                                                             72

 

 

Literaturhinweise                                                                                                                    75

 

 

Anhang: Fragebögen                                                                                                              76


1. Vorwort

 

Bereits seit einigen Jahren arbeiten das Gesundheitsamt der Kreisverwaltung Trier-Saarburg und der Fachbereich IV-Soziologie der Universität Trier auf dem Gebiet der regionalen Gesundheitsberichterstattung eng zusammen, wobei bisher das lokale Krankheitsspektrum, die erhöhte Lungenkrebssterblichkeit in der Stadt Trier, der Gesundheitszustand von Schulanfängern und Aspekte der stationären Versorgung näher untersucht worden sind. Das neueste Projekt wird sich nun erstmals intensiver mit dem ambulanten Sektor befassen. Neben den Krankenhäusern sind die niedergelassenen Ärzte zentrale Anbieter von Gesundheitsdienstleistungen. Beide haben die Aufgabe, der Bevölkerung die bestmögliche medizinische Behandlung und Versorgung zukommen zu lassen. Ihre Patienten sind (wenn auch eingeschränkt) Kunden. Gleichwohl wird in der Gesundheitsversorgung manches nicht primär den Patienten und Patientinnen zuliebe getan oder auch unterlassen, sondern aus kurzfristigen wirtschaftlichen Zwängen durch Budgetierungen oder auch aufgrund eingefahrener Routine. Dies hat bisweilen allerdings gravierende Folgen für die Qualität der Versorgung, etwa wenn zuviel, zu wenig oder falsch behandelt wird, wenn Abläufe in der Praxis nicht optimal organisiert werden, die Zeit für eine gründliche Untersuchung oder für medizinisch eigentlich notwendige Nachbehandlungen fehlt.

 

Ein Grund für diese Situation ist darin zu sehen, dass Patientinnen und Patienten sehr selten gefragt werden, was sie von Ärzten und ärztlicher Behandlung erwarten, wie zufrieden sie mit der Praxisorganisation und – einrichtung und der Vergabe von Terminen sind, wie sie die Wartezeiten beurteilen oder die Behandlung bewerten. Wer aber wüßte über die Qualität einer Dienstleistung besser Auskunft zu geben, als die Kunden selbst? Qualitätssichernde oder qualitätsverbesserende Maßnahmen setzen voraus, dass man die Bewertungen und Erwartungen, die Wünsche und ganz allgemein die Zufriedenheit der Patienten und Patientinnen erfragt hat und ernst nimmt. Unmittelbar tragen entsprechende Befragungen zur Verbesserung des Arzt-Patienten-Verhältnisses bei, mittelbar sind sie auch wirtschaftlich sehr sinnvoll. Wir wissen aus der Marktforschung, dass Kunden ganz allgemein – und damit auch Patientinnen und Patienten – als Multiplikatoren wirken, wobei schlechte Erfahrungen ungefähr doppelt so vielen Menschen weitererzählt werden wie positive. Befragungen, die Defizite in der Versorgung aufdecken sollen, tragen damit auch zur besseren Nutzung vorhandener Ressourcen im Gesundheitswesen bei, denn unwirtschaftlich ist nicht eine optimale Behandlung mit einem hohem Qualitätsstandard, sondern die leider immer noch anzutreffenden Qualitätsdefizite.

 

Aus diesen Gründen war die Kassenärztliche Vereinigung sehr daran interessiert, in der Region eine Patientenbefragung durchzuführen. Die Untersuchung wurde von Studenten der Soziologe, Betriebs- und Volkswirtschaft an der Universität Trier unter der Leitung von Dr. Rüdiger Jacob durchgeführt und fachlich von Dr. Michels vom Gesundheitsamt der Kreisverwaltung Trier-Saarburg betreut. Damit sollte größtmögliche Objektivität und Neutralität sichergestellt werden, selbstverständlich wurden alle Angaben der teilnehmenden Patienten und Patientinnen unter vollständiger Wahrung ihrer Anonymität ausgewertet. Die Befragung stellt nach unseren Erkenntnissen in der vorliegenden Form ein Novum für die Bundesrepublik dar, denn bislang wurde keine derart groß angelegte Befragung im Auftrag einer Kassenärztlichen Vereinigung umgesetzt.. Patientenbefragungen sind in der Vergangenheit von einzelnen Kliniken – u.a. auch in Trier - realisiert worden und auch einige niedergelassene Ärzte haben in ihren Praxen kleinere Patientenbefragungen durchgeführt. Keine dieser Untersuchungen war allerdings sowohl hinsichtlich der Thematik als auch der Fallzahlen von immerhin fast 3.000 befragten Patienten derart umfangreich wie der vorliegende Survey, wobei insbesondere hervorzuheben ist, dass mit diesen Daten auch Vergleiche zwischen verschiedenen ärztlichen Fachgruppen möglich sind.

 

Möglich war dieses sehr zeit- und arbeitsintensive Projekt nur, weil sich die Studenten sehr engagiert und weit über das übliche Maß solcher Lehrveranstaltungen hinausgehend an der Entwicklung der Fragebögen und der Feldarbeit beteiligt haben. Dank gebührt auch Frau Pfeiffer von der KV für ihren Einsatz bei der Fragebogenredaktion, der Organisation der Feldarbeit und der Datenerfassung, sowie dem Vorstand und der Geschäftsführung der KV für die Unterstützung des Projektes. Ohne die Mitarbeit der Studenten und der Kollegen von der KV hätte die vorliegende Untersuchung nicht durchgeführt werden können. Danken wollen wir schließlich auch allen niedergelassenen Kollegen, die sich an der Untersuchung beteiligt haben. Diese Bereitschaft, praxisfremden Personen Einblick in interne Abläufe zu gewähren und sich unter Umständen eher kritischen Rückmeldungen von Patienten zu stellen, ist durchaus nicht selbstverständlich, zumal es für diese Art von Forschung im niedergelassenen Bereich bislang keine Beispiele gibt und die Kollegen deshalb auch nur schwer abschätzen konnten, was sie zu erwarten hatten. Dank schulden wir auch allen Patienten, die sich die Zeit genommen haben, den umfänglichen Fragebogen zu beantworten.

 


2. Untersuchungsdesign

 

Wie einleitend erwähnt, stellt die Studie eine von der KV in Auftrag gegebene Maßnahme zur Qualitätssicherung im ambulanten Sektor dar und war zudem als Ergänzung der Datenbasis für die regionale Gesundheitsberichterstattung (GBE) konzipiert, weil in dem Fragebogen auch einige Fragen zu gesundheitsrelevanten Verhaltensweisen und dem Medikationsverhalten gestellt wurden. Gerade an solchen Individualdaten, die mit Hilfe von spezifischen Surveys erhoben werden, mangelt es bisher in der regionalen GBE.

 

Für die Befragung ausgewählt wurden Praxen mit einem hohen Anteil an Akut-Patienten, denn eine wesentliche Determinante der Patientenzufriedenheit sind Terminmanagement und Wartezeiten in einer Praxis und die Terminorganisation ist in Akutpraxen ungleich schwieriger als in Praxen mit einem hohen Anteil an längerfristig einbestellten Patienten. Die beteiligten Facharztgruppen waren:

 

 

Aus der zahlenmäßig größten Gruppe der Hausärzte und Internisten wurde zunächst eine Zufallstichprobe gezogen und die so ermittelten Praxen sind dann um Mitarbeit gebeten worden. Aufgrund einer größeren Zahl von Ausfällen mussten hier in einem zweiten Schritt Praxen nacherhoben werden. Aus Zeitgründen wurde dies durch Selbstselektion realisiert; Praxen wurden angerufen und die Bereitschaft zur Teilnahme erfragt. Ähnlich erfolgte die Auswahl bei den zahlenmäßig deutlich kleineren übrigen Arztgruppen. Die Praxen, deren Praxisinhaber telefonisch erreicht werden konnten und ihre Teilnahmebereitschaft erklärt haben, sind an der Befragung beteiligt worden.

 

Für die beteiligten Praxen wurden spezielle Praxisprofile erstellt, die alle Angaben der jeweiligen Patienten beinhalten und durch einige von den Studenten zusätzlich erhobene Daten ergänzt wurden. Die dazu verwendete Praxis-Checkliste ist im Anhang dokumentiert. Diese Daten wurden natürlich nur den betroffenen Praxen zugänglich gemacht. Der vorliegende Bericht stützt sich dagegen ausschließlich auf sogenannte gepoolte Daten, d. h. die Angaben aller befragten Patienten wurden in einer Datei zusammengeführt. Die Auswertung der Daten bezieht sich entweder auf die Gesamtgruppe oder auf Patienten der verschiedenen Facharztgruppen. Eine Identifikation einzelner Praxen ist nicht möglich.

 

Dies gilt auch für die beteiligten Patienten. Die Befragung wurde anonym durchgeführt, die Patienten haben weder Name noch Adresse angegeben, den Fragebogen selbst ausgefüllt und nach durchgeführter Untersuchung in einen dafür vorgesehenen Sammelbehälter geworfen. Es handelte sich also um eine schriftliche Befragung ohne Einsatz von Interviewern. Die in den Praxen anwesenden Studenten waren lediglich für die Verteilung und den Rücktransport der Fragebögen und die Bearbeitung der Praxis-Checklisten zuständig. Natürlich waren sie auch Ansprechpartner für eventuelle Rückfragen der Patienten, was allerdings abgesehen von ganz wenigen Einzelfällen nicht vorgekommen ist. Der Fragebogen wurde in Zusammenarbeit mit ärztlichen Mitgliedern der KV entwickelt und in 88 Pretest-Interviews mit Personen aus der angepeilten Zielgruppe auf Verständlichkeit und Beantwortungsdauer getestet. Die Befragungen fanden statt von Mai bis Juli 2002. Befragungstermine im Winterhalbjahr wären aufgrund des dann deutlich anderen Krankheitsspektrums natürlich sehr sinnvoll gewesen, waren aber leider aufgrund der Restriktionen durch die universitäre Lehrveranstaltungsorganisation nicht möglich. Lehrforschungsprojekte beginnen im Wintersemester, und in dieser Zeit wurden die Fragebögen entwickelt. Die Untersuchung konnte deshalb mit dem zur Verfügung stehenden Personal nur im Sommersemester durchgeführt werden. Insgesamt wurden 2973 Patienten befragt. Verteilt auf die einzelnen Facharztgruppen ergibt sich folgende Verteilung von Patienten und Praxen:

Patienten        beteiligte Praxen/

Gemeinschaftspraxen

Allgemeinmediziner und hausärztlich tätige Internisten               971                  11

Kinderärzte                                                                            536                  5

HNO-Ärzte                                                                            436                  4

Orthopäden                                                                            396                  4

Chirurgen                                                                               372                  4

Gynäkologen                                                                          260                  3

Gesamt                                                                                 2971                31

Zwei Fragebögen sind postalisch bei uns eingegangen und konnten deshalb keiner Facharztgruppe eindeutig zugeordnet werden.

17 Praxen waren in Trier ansässig, 14 im Kreis Trier-Saarburg, wobei in allen Facharztgruppen darauf geachtet wurde, dass Praxen aus Stadt und Kreisgebiet beteiligt waren.

 

Das ursprünglich avisierte Ziel der Befragung in insgesamt 60 Praxen bzw. Gemeinschaftspraxen mit einer Gesamtzahl von 6.000 Patienten (je 100 pro Arzt/Ärztin) konnte aus unterschiedlichen Gründen nicht erreicht werden:

 

 

Die letztgenannten Probleme hätten durch eine Ausdehnung der Befragungszeit je Praxis minimiert werden können. Dazu ist allerdings anzumerken, dass in den weitaus meisten Praxen mindestens drei und in einigen Praxen auch fünf oder mehr Befragungstermine realisiert wurden, ohne die Quote merklich zu erhöhen. Anders ausgedrückt: Der Grenznutzen zusätzlicher Befragungstermine ging in einigen Praxen gegen Null. Außerdem muss man bedenken, dass die beteiligten Studenten ihre Zeit unentgeltlich investiert haben und damit die zeitliche Inanspruchnahme für dieses Projekt gewisse Obergrenzen nicht überschreiten sollte.

 

Aber auch mit insgesamt 2973 befragten Patienten stellt die vorliegende Untersuchung - wie schon einleitend erwähnt - ein in der bundesdeutschen Forschungslandschaft einzigartiges Projekt dar, mit dem die KV Trier zum Thema Qualitätssicherung in Arztpraxen mit Hilfe von Patientenbefragungen neue Wege beschritten hat.

 


Zentrale Themen der Befragung waren:

 

·        Anlaß für den Arztbesuch

·        Konsultationsverhalten

·        Beschwerden und Krankheiten

·        Medikamentation

·        Zufriedenheit mit der Behandlung

·        Zufriedenheit mit dem Personal (Ärzte und Arzthelferinnen)

·        Zufriedenheit mit der Praxisorganisation und –ausstattung

·        Kriterien für die Arztwahl

·        Wünsche und Erwartungen an die Ärzte

·        Wartezeit und Behandlungsdauer

·        Impfen und Früherkennungsuntersuchungen

·        Ernährung, Bewegung, Rauchen

 

 

3. Ergebnisse

 

Bei der Darstellung der Ergebnisse lassen sich Redundanzen nicht immer vermeiden, da einzelne Aspekte notwendigerweise in verschiedenen Kapiteln anzusprechen sind, beispielsweise wird das Konsultationsverhalten wesentlich davon gesteuert, ob jemand an einer chronischen Krankheit leidet oder nicht.

 

Die Fragebögen mit den relativen Häufigkeiten für die jeweiligen Facharztgruppen und für die befragte Population insgesamt dokumentieren wir im Anhang.

 

3.1 Demographische Daten der Patienten

 

Die Daten sind - wie einleitend bemerkt - definitiv nicht repräsentativ für die Stadt Trier und den Landkreis Trier-Saarburg, da sie einer bewussten Auswahl und keiner Zufallsstichprobe entstammen. Gleichwohl decken sich zentrale Strukturdaten mit Daten aus anderen Erhebungen in der Region wie z.B. dem regionalen Gesundheitssurvey. Wir gehen deshalb davon aus, dass es bei der befragten Gruppe keine wesentlichen und gravierenden Abweichungen von der insgesamt zu versorgenden Population gibt. Inwieweit die befragten Patienten jeweils typisch für den Patientenstamm der einzelnen Praxen sind, lässt sich mit gepoolten Daten natürlich nicht analysieren, die jeweiligen Praxisinhaber konnten dies aber aufgrund der ihnen zugestellten individuellen Praxisberichte selbst ermitteln.

 

Wir stellen im folgenden die zentralen demographischen Merkmale der Patienten für die gesamte Stichprobe und die einzelnen Facharztgruppen vor und kontrastieren die Angaben mit Daten aus dem Gesundheitssurvey 2001 (abgekürzt Survey), soweit vergleichbare Angaben vorliegen.

 

Geschlecht (Angaben in Prozent)

 

Gesamt

Allgemein.

HNO

Orthopäd.

Chirur-gen

Frauen-ärzte

Kinderärzte

(in Klammern:

behandelte Kinder)

Survey

Frauen

69,1

56,2

66,1

65,6

51,5

100

92,9 (48,0)

60,2

Männer

30,9

43,8

33,9

34,4

48,5

-

7,1 (52,0)

39,8

 

In der Patientenbefragung wie auch dem Gesundheitssurvey 2001 sind Frauen deutlich überrepräsentiert. Bei dem Gesundheitssurvey wie auch bei der im Jahr 2000 in Trier durchgeführten Untersuchung zu Risikofaktoren bei Herz-Kreislauferkrankungen, in der Frauen mit einem Anteil von 58,2% überrepräsentiert waren, ist dies auf die größere Bereitschaft von Frauen zurückzuführen, sich an gesundheitsbezogenen Untersuchungen zu beteiligen. Ähnlich wie die – auch durch diese Patientenbefragung erneut dokumentierte – höhere Beteiligung von Frauen an Früherkennungsuntersuchungen oder deren größere Sensibilität für Ernährungsfragen zeigen diese Ergebnisse, dass Frauen insgesamt eine deutlich ausgeprägtere Affinität für das Thema „Gesundheit“ aufweisen.

 

Ob dies allerdings auch für die Überrepräsentanz von Frauen in dieser Befragung ursächlich ist, muss noch diskutiert werden. Zunächst ist natürlich ein sehr augenfälliger Grund für die Überrepräsentanz von Frauen in der Gesamtstichprobe die Einbeziehung gynäkologischer Praxen, die naturgemäß nur von Frauen konsultiert werden. Auffällig – aber den Daten der Einschulungsuntersuchung entsprechend – ist außerdem der Umstand, dass Kinder von ihren Müttern und so gut wie nie von ihren Vätern zu Untersuchungen begleitet werden.

Allerdings ist der Frauenanteil auch bei Allgemeinmedizinern, HNO-Ärzten und Orthopäden deutlich höher als der der Männer. Unstrittig dürfte sein, dass Frauen im statistischen Vergleich nicht häufiger krank sind als Männer. Der höhere Anteil von Frauen in diesen Stichproben ist deshalb entweder darauf zurückzuführen, dass Frauen eher als Männer zum Arzt gehen und der höhere Frauenanteil in der Befragung dem höheren Anteil weiblicher Patienten entspricht. Für diese These spricht z.B. der Unstand, dass Frauen bestimmte Krankheiten eher als behandlungsbedürftig ansehen als Männer. Dem Gesundheitssurvey 2001 kann man z.B. entnehmen, dass 87% der Frauen, aber nur 77% der Männer einen Bluthochdruck ärztlich behandeln lassen würden. 63,2% der 1997 in den Krankenhäusern der Region wegen Bluthochdruck behandelten Patienten waren Frauen, nur 36,8% Männer. Das Hypertonierisiko ist bei Frauen aber nicht höher, sondern eher niedriger als bei Männern.

 

Möglich ist aber auch, dass Frauen häufiger bereit waren, den Fragebogen auszufüllen.

 

Alter (Angaben in Prozent)

 

Gesamt

Allgemein.

HNO

Orthopäd.

Chirurgen

Frauenärzte

Kinderärzte

Survey

Bis 18

3,4

2,7

6,1

4,0

7,3

1,7

0,2

-

18 bis 30

18,8

15,7

19,3

14,6

21,7

43,3

13,7

19,1

30 bis 40

29,3

16,7

28,9

16,9

18,5

24,6

69,6

24,3

40 bis 50

18,1

18,2

17,6

22,6

18,5

15,8

15,9

20,5

50 bis 60

11,1

15,6

9,3

14,6

15,2

8,3

0,6

12,5

Über 60

19,4

31,2

18,8

27,4

18,8

6,3

-

23,5

Durchschnitts-alter

42,6

48,5

40,9

46,7

42,0

34,7

34,4

45,4

 

Die Altersverteilung ist facharztspezifisch unterschiedlich, einen eher älteren Patientenstamm haben Orthopäden und Allgemeinmediziner, eher jüngere Patienten HNO-Ärzte und Gynäkologen. Da Kinderärzte primär jüngere Kinder betreuen, ist auch das Alter der begleitenden Eltern eher niedrig. Das Durchschnittsalter der Kinder in der Stichprobe betrug 4,4 Jahre.

 

Mit zunehmenden Alter steigt das Morbiditätsrisiko und damit auch der Behandlungsbedarf und die Behandlungsintensität, zumal ältere Menschen deutlich häufiger an Multimorbidität leiden als jüngere. Diese Erkenntnis ist nun keineswegs sonderlich neu oder originell, der zugrundeliegende Sachverhalt hat aber bei der gegenwärtigen Budgetierungspraxis zur Konsequenz, dass beispielsweise die Medikamentenbudgets von Praxen mit einem eher älteren Patientenstamm schneller ausgeschöpft sind.

 

Bildungsstatus (Angaben in Prozent)

 

Gesamt

Allgemein.

HNO

Orthopäd.

Chirurgen

Frauenärzte

Kinderärzte

Survey

Kein Abschluß oder Hauptschule

41,8

52,0

35,4

45,2

49,7

35,5

24,2

38,4

Mittlere Reife

33,9

26,7

37,2

30,4

29,3

39,3

47,0

26,1

Fachhochschulreife oder Abitur

24,2

21,2

27,3

24,4

21,0

25,2

28,8

35,5

 

Neben dem Alter sind Bildungsstatus und Beruf Indikatoren für gruppenspezifisch unterschiedliche Morbiditätsarten und – raten, wobei hier anzumerken ist, dass – wie in allen anderen Bevölkerungsumfragen auch – Bildungsabschlüsse altersabhängig sind: Der Anteil der Abiturienten sinkt, der der Hauptschüler steigt mit zunehmendem Alter.

 

Das Erkrankungs- und Verletzungsrisiko in Arbeiterberufen und bei Personen, die berufsbedingt toxischen Stoffen ausgesetzt sind – etwa in bestimmten Handwerksberufen, in der Industrie oder auch in der Land- und Forstwirtschaft – ist höher als bei Freiberuflern oder Beamten und Angestellten, die primär in Büros arbeiten. Dabei gibt es landläufig leider vielfach immer noch falsche Vorstellungen über den Zusammenhang von sozialer Lage und Morbidität. Dass beispielsweise der Herzinfarkt eine Managerkrankheit sei, ist ein schwer auszurottender Mythos. Eine Vielzahl von epidemiologischen Studien hat gezeigt, dass das Risiko einer koronaren Herzkrankheit in Arbeiterberufen deutlich höher ist als bei leitenden Angestellten. Dass Personen aus Arbeiterberufen ein höheres Verletzungsrisiko haben als andere zeigt sich in dem vorliegenden Datensatz an dem überdurchschnittlichen Anteil von Arbeitern in chirurgischen Praxen.

 

Eine differenziertere Analyse der Berufsgruppenzugehörigkeit bei Arbeitern, Angestellten und Beamten hat ergeben, das bei den Arbeitern rund ein Drittel un- oder angelernte und zwei Drittel Facharbeiter waren. Bei den Angestellten dominieren Angestellte in einfacher und mittlerer Position, bei den Beamten Beamte im mittleren und gehobenen Dienst.

 

Beschäftigtenstatus: Berufsgruppe (Angaben in Prozent)

 

Gesamt

Allgemein.

HNO

Orthopäd.

Chirurgen

Frauenärzte

Kinderärzte

Survey

Arbeiter

23,1

27,0

23,3

19,7

31,7

18,5

14,9

19,7

Angestellte

53,2

47,7

52,1

52,3

38,5

61,4

70,1

52,4

Beamte

6,6

7,5

5,6

9,8

6,5

2,1

5,7

14,4

Freiberufler

1.6

2,0

1,1

2,5

0,6

0,9

1,8

2,6

Selbständige

4,7

4,6

6,6

3,7

5,6

2,6

4,3

1,8

Landwirte

0,9

0,6

1,1

0,9

0,9

2,1

0,6

9,1

keine diese Berufsgruppen

10,0

10,7

10,3

11,1

16,1

12,4

2,5

-

 

51,1% aller Befragten waren zum Zeitpunkt der Befragung erwerbstätig, 48,9% nicht. Davon waren 44,5% Hausfrauen oder Hausmänner, 33,5% Rentner oder Pensionäre und 15,8% Schüler oder Studenten.

 

Morbiditätsrisiken kulminieren, wenn mehrere dieser Faktoren zusammenwirken. So hat die Analyse der Daten des Regionalen Gesundheitssurvey 2001 unter anderem gezeigt, dass ältere Befragte mit niedriger Formalbildung aus Arbeiterberufen deutlich häufiger an Multimorbidität litten als Beamte und Angestellte aus der Mittelschicht. Typischerweise sind diese Personen – zumindest in der Region Trier – bei der AOK krankenversichert. Hinsichtlich des Versichertenstatus ergab sich folgende Verteilung:

 

Krankenversicherung (Angaben in Prozent)

 

Gesamt

Allgemein.

HNO

Orthopäd.

Chirurgen

Frauenärzte

Kinderärzte

Survey

AOK

24,8

28,2

22,8

21,6

30,5

20,2

21,4

23,4

Ersatzkasse (DAK, BEK, BKK usw)

64,9

61,6

67,1

64,1

59,5

73,3

69,2

67,7

Private Krankenver.

10,0

10,0

10,1

14,3

10,8

6,1

9,2

9,0

Keine Krankenver.

0,1

0,2

-

-

-

0,4

0,2

-

 

Der Versichertenstatus ist erwartungsgemäß abhängig vom Bildungs- und Beschäftigtenstatus, die beide auch Indikatoren für das verfügbare Einkommen sind.

 

Krankenversicherung und Bildungsstatus (Angaben in Prozent)

 

Kein Abschluß/ Hauptschule

Mittlere

Reife

Fachhoch-Schulreife/ Abitur

AOK

37,9

16,7

11,1

Ersatzkasse (DAK, BEK, BKK usw.)

57,1

76,1

66,1

Private Krankenver.

4,9

7,2

22,6

Keine Krankenver.

0,1

-

0,2

 

 

Krankenversicherung und Beschäftigtensstatus(Angaben in Prozent)

 

Arbeiter

Ange-stellte

Beamte

Frei-berufler

Selb-ständige

Landwirte

Keine dieser Gruppen

AOK

50,5

15,3

5,3

11,9

14,8

31,8

29,6

Ersatzkasse (DAK, BEK, BKK usw.)

48,0

80,9

22,5

59,5

58,2

63,6

59,1

Private Krankenver.

1,5

3,6

72,2

28,6

27,0

4,5

11,3

Keine Krankenver.

-

0,2

-

-

-

-

-

 

 

Zwei Drittel der Befragten sind verheiratet und leben mit ihrem Ehepartner zusammen, 67,4% haben Kinder. Die durchschnittliche Kinderzahl beträgt 2,1, die untersuchte Population liegt damit etwas über dem Bundesdurchschnitt.

 

Interessant ist die Verteilung der Wohnorte. Wir haben hier differenziert zwischen Wohnsitz in Trier und Wohnsitz im Umland (erfasst durch die Postleitzahlen des Wohnortes), was in den weitaus meisten Fällen bedeutete, dass die Befragten aus dem Landkreis Trier-Saarburg stammten. Obwohl das Design ursprünglich so angelegt war, das in Stadt und Kreis gleich viele Praxen beteiligt werden sollten und faktisch – wie oben schon erwähnt – 17 Praxen aus der Stadt und 14 aus dem Kreis in die Untersuchung einbezogen worden sind, ergibt sich bei der Herkunft der Patienten eine genau entgegengesetzte Verteilung. Insgesamt wohnen rund 41% in der Stadt und 59% im Umland.

 

Wohnort der Patienten (Angaben in Prozent)

 

Gesamt

Allgemein.

HNO

Orthopäd.

Chirurgen

Frauenärzte

Kinderärzte

Stadt Trier

41,4

67,3

31,2

46,8

18,4

36,8

23,3

Umland

58,6

37,7

68,8

53,2

81,6

63,2

76,7

 

Die Bedeutung der Stadt Trier als Oberzentrum auch und gerade für die medizinische Versorgung eines größeren und sehr ländlich strukturierten Umlandes, auf die auch schon im Ersten Gesundheitsbericht für Trier und Trier-Saarburg am Beispiel der stationären Versorgung eingegangen wurde, wird hier für den ambulanten Sektor und dort insbesondere für die Facharztversorgung sehr deutlich. Diese große zentralörtliche Bedeutung der Stadt zeigt sich auch, wenn man Wohnort der Patienten und Praxisort korreliert: Patienten aus der Stadt suchen eher selten einen im Kreis praktizierenden Arzt auf, der umgekehrte Fall ist dagegen sehr viel häufiger. Ähnlich wie im Fall der Krankenhausbetten je 10.000 Einwohner sollte auch dieser Umstand bei Kapazitätsberechnungen und der Diskussion einer vermeintlichen Überversorgung der Stadt mit Ärzten berücksichtigt werden.

 

Wohnort der Patienten und Praxissitz (Angaben in Prozent)

Wohnort:

Praxis in der Stadt

Praxis im Kreis

Stadt Trier

65,9

7,1

Umland

34,1

92,9

 
3.2 Wege in die Praxis

 

Mit insgesamt 71,2% kommen die weitaus meisten Patienten mit dem Auto in die Praxis, 21,4% waren zu Fuß unterwegs. Der ÖPNV wird dagegen mit 10,4% eher selten genutzt. An der Struktur dieser Verteilung ändert eine Differenzierung nach Facharztgruppen kaum etwas, auffällig ist lediglich, dass der Fußgängeranteil bei den Orthopäden mit 14,7% unterdurchschnittlich ist, was aber durch die Fachrichtung und das damit verbundene Krankheits- und Verletzungsspektrum der orthopädischen Patienten leicht erklärbar ist.

 

Dagegen ist aber der Sitz der Praxis bei der Wahl des Verkehrsmittels von großer Bedeutung. Zu Landpraxen kommen die Patienten in der weit überwiegendem Mehrheit mit dem Auto, deutlich seltener zu Fuß und kaum je mit dem ÖPNV. Die beiden letzteren Verkehrsmittel werden in der Stadt deutlich häufiger genutzt, auch hier fahren aber die meisten Patienten mit dem Auto.

 

Verkehrsmittel und Praxissitz (Angaben in Prozent)

Verkehrsmittel:

Praxis in der Stadt

Praxis im Kreis

Zu Fuß

26,8

13,4

Fahrrad

4,1

1,6

Auto

59,9

85,7

Taxi

1,1

0,8

ÖPNV

16,0

2,8

           

Die Patienten waren im Schnitt 16,4 Minuten unterwegs, um die Praxis zu erreichen. Erwartungsgemäß gibt es hier natürlich Unterschiede zwischen Patienten aus Kreis und Stadt. Erstere benötigten im Durchschnitt 17, letztere 13 Minuten, um in die Praxis zu kommen.

 

 

3.3 Konsultationsverhalten

 

Der insgesamt jüngere Patientenstamm der Fachärzte manifestiert sich auch in der Dauer der jeweiligen Patientenbindungen an die Praxis.

 

50% der Patienten sind Patient seit frühestens:

Gesamt

Allgemein.

HNO

Orthopäd.

Chirurgen

Frauenärzte

Kinderärzte

1997

1995

1998

1998

1998

1998

1999

 

95,4% der Patienten haben einen Hausarzt und davon konsultieren 90,2% im Regelfall bei gesundheitlichen Problemen auch zunächst ihren Hausarzt. Zumindest für die Region Trier muss mithin das in letzter Zeit wieder verstärkt diskutierte Modell des Hausarztes als Gatekeeper und Delegationsinstanz nicht propagiert und umgesetzt werden, da es seit Jahren gängige Praxis ist. Dabei ist in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle ein Praktischer Arzt oder Internist Hausarzt und nur im Ausnahmefall ein Facharzt einer anderen Fachrichtung.

 

Hausarzt? (Angaben in Prozent)

 

Gesamt

Allgemein.

HNO

Orthopäd.

Chirurgen

Frauenärzte

Survey

Ja, dieser Arzt

38,5

85,8

5,8

7,7

9,3

3,5

 

Ja

56,9

11,8

89,3

86,5

85,0

87,2

90,1

Nein

4,6

2,4

4,9

5,8

5,7

9,3

9,9

 

Insgesamt 56,1% der Befragten waren zum Zeitpunkt der Befragung auch bei anderen Ärzten in Behandlung. Dabei spielen das Geschlecht überhaupt keine und der Versichertenstatus nur eine nachgeordnete Rolle, AOK-Patienten (die im Regelfall älter sind als privatversicherte Patienten) sind mit 56% etwas häufiger bei mehreren Ärzten in Behandlung als privatversicherte Patienten (52,7%). Von größerer Bedeutung ist dagegen das Alter der Patienten, wobei allerdings auffällt, dass hier keine perfekte lineare Beziehung vorliegt, da die noch nicht volljährigen Patienten mit einem Anteil von rund 61% häufiger bei verschiedenen Ärzten in Behandlung sind als die Patienten der Altersklasse 40 bis 50. Da in der Frage explizit nach Routine- und Kontrolluntersuchungen gefragt wurde, ist eine mögliche Erklärung, dass hier häufiger als in den anderen Altersklassen Besuche beim Zahnarzt erinnert oder auch tatsächlich wahrgenommen wurden oder auch häufiger an Schul- und Einstellungsuntersuchungen gedacht wurde.

 

Behandlung bei verschiedenen Ärzten und Altersklassen (Angaben in Prozent)

Mehrere Ärzte?

Unter 18

18 – 30

30 - 40

40. - 50

50 – 60

Über 60

Ja

60,9

45,7

40,6

57,3

69,5

78,6

Nein

39,1

54,3

59,4

42,7

30,5

21,4

 

Genaugenommen müssten diese Frage sogar alle Frauen über 20 und alle Männer über 45 mit „ja“ beantworten, da nach Routine- und Kontrolluntersuchungen gefragt wurde und diese Personen jährlich zur Krebsfrüherkennung gehen sollten. Bedauerlicherweise ist auch in der hier befragten Population die Beteiligung an dieser Untersuchung schlecht. Bedenkt man außerdem, dass für alle Bundesbürger jährlich eine Kontrolluntersuchung beim Zahnarzt absolviert werden sollte und zu diesem Zweck von den gesetzlichen Krankenkassen Bonushefte für den Fall eines irgendwann möglicherweise notwendig werdenden Zahnersatzes an ihre Mitglieder verteilt worden sind, hätten eigentlich alle Befragten die Frage bejahen müssen.

 

Die wesentliche Determinante für die Behandlung bei verschiedenen Ärzten scheint Multimorbidität zu sein, wie die Korrelation mit der Frage nach chronischen Krankheiten zeigt.

 

Behandlung bei verschiedenen Ärzten und chronische Krankheiten (Angaben in Prozent)

 

Chronische Krankheiten wie Diabetes oder Bluthochdruck

Mehrere Ärzte?

Ja

Nein

Ja

78,2

55,2

Nein

21,8

44,8

 

Multimorbidität spielt auch eine wichtige Rolle bei einer Form von Konsultationsverhalten, die landläufig als „Ärztehopping“ bezeichnet wird, nämlich ob man wegen der gleichen Krankheit schon bei mehreren Ärzten in Behandlung war. Dabei muss natürlich bedacht werden, dass gerade chronische Krankheiten häufig einer gründlicheren Diagnostik bedürfen, an der verschiedene Fachärzte beteiligt sind und die Patienten entsprechende Überweisungen bekommen. Insgesamt waren von den Patienten, die zum Zeitpunkt der Befragung nicht wegen einer Routine- oder Kontrolluntersuchung beim Arzt waren, 43,9% wegen der gleichen Beschwerden auch bei anderen Ärzten. Dabei spielt die Fachrichtung kaum eine Rolle, dieser Prozentsatz ist lediglich bei den Frauenärzten etwas niedriger. Auch rund die Hälfte der Kinder, die wegen aktueller Beschwerden dem Kinderarzt vorgestellt wurden, ist aus dem gleichen Grund auch bei anderen Ärzten in Behandlung.

 

Wegen aktueller Beschwerden bei anderen Ärzten in Behandlung (Angaben in Prozent)

Gesamt

Allgemein.

HNO

Orthopäd.

Chirurgen

Frauenärzte

Kinderärzte

43,9

43,0

43,4

46,5

43,0

30,9

48,8

 

Auf den ersten Blick mutet diese Verteilung wie ein recht ausgeprägtes und in der öffentlichen Diskussion vielfach kritisierter häufiger Wechsel des Arztes an, für den Begriffe wie das schon erwähnte „Ärztehopping“ und „Chipkartentourismus“ in Umlauf sind. Allerdings macht die Diagnostik und auch die Therapie einer Vielzahl von Erkrankungen die Konsultation von Ärzten verschiedener Fachrichtungen erforderlic. In der Tat zeigt eine Auswertung der Frage nach den Fachrichtungen der zusätzlich konsultierten Ärzte, dass in nur rund 30% der Fälle diese Ärzte die gleiche Fachrichtung hatten wie der Arzt, in dessen Praxis die Befragung stattgefunden hat.

 

Die Analyse von Morbiditätsindikatoren zeigt denn auch sehr deutlich, dass es spezifische Beschwerden und Krankheiten sind, die das Konsultationsverhalten der Patienten steuern und weniger mangelndes Vertrauen in Diagnose und Therapie – dagegen sprechen auch die hohen Zufriedenheitswerte mit den jeweiligen Ärzten - oder eine notorische oder habituelle Neigung, zweite Meinungen einzuholen. Das bedeutet ausdrücklich nicht, dass es solche Fälle nicht gibt und vermutlich hat jeder niedergelassene Arzt auch schon entsprechende Erfahrungen gemacht, nur: Die vorliegenden Daten zeigen, dass dies keine Verhaltensweise ist, die häufig vorkommt.

 

Zentrale Einflussfaktoren für die Konsultation mehrerer Ärzte sind die schon angesprochenen Morbiditätsindikatoren Alter, Bildungs- und Versicherungsstatus: Ältere, formal niedriger gebildete und bei der AOK versicherte Patienten, deren Gesundheitszustand häufig schlechter ist – Stichwort Multimorbidiät -, sind dementsprechend auch häufiger bei mehreren Ärzten in Behandlung.

 

Bei mehreren Ärzten wegen aktueller Beschwerden in Behandlung: Altersklassen, Versicherten- und Bildungsstatus (Angaben in Prozent)

Unter 18

39,5

18 – 30

30,5

30 – 40

42,7

40 – 50

43,3

50 – 60

47,7

Über 60

56,8

AOK

46,3

Ersatzkasse

43,7

Private Krankenvers.

36,8

Hauptschule

48,1

Mittlere Reife

40,4

Fachhochschulreife/Abitur

39,5

 

Dieser Zusammenhang wird noch deutlicher, wenn man das Konsultationsverhalten mit direkten Morbiditätsindikatoren wie dem Vorliegen chronischer Erkrankungen oder dem Medikamentenkonsum korreliert. Patienten mit chronischen Krankheiten sind anteilig deutlich häufiger bei mehreren Ärzten in Behandlung. Außerdem steigt dieser Prozentsatz abhängig von der Zahl konsumierter Medikamente nahezu linear an (Zur Ermittlung des Medikamentenkonsums wurde Frage 18 verwendet, mit der die Einnahme von 15 verschiedenen Medikamenten wie z.B. Schmerzmitteln, Bluthochdruckmitteln oder Herzmitteln erfragt wurde). Dabei zeigte sich auch, dass Patienten, die Herzmittel oder Herzkreislaufmittel einnehmen, zu über 60% bei verschiedenen Ärzten in Behandlung sind, in der Vergleichsgruppe sind es dagegen nur 38%.

 

Bei mehreren Ärzten wegen aktueller Beschwerden in Behandlung: Chronische Krankheiten und Medikamentenkonsum (Angaben in Prozent)

Chronische Krankheit nein

35,7

Chronische Krankheit ja

54,7

Keine regelmäßige Einnahme von Medikamenten

25,5

Ein Medikament

34,9

Zwei Medikamente

32,5

Drei Medikamente

40,7

Vier Medikamente

50,0

Fünf Medikamente

51,2

Sechs Medikamente oder mehr

67,9

 

Rund die Hälfte der Patienten war wegen ihrer aktuellen Beschwerden bei einem anderen Arzt, rund 30% bei zwei und rund 20% bei mehr als zwei. Auch die Zahl der zusätzlich konsultierten Ärzte ist abhängig vom Vorliegen chronischer Krankheiten – 30% der Patienten mit chronischen Krankheiten haben mehr als zwei weitere Ärzte konsultiert, aber nur 16% der Patienten ohne chronische Krankheiten – und der Zahl der konsumierten Medikamente: 43% der Patienten, die regelmäßig sechs Medikamente oder mehr einnehmen, waren zusätzlich bei mehr als zwei Ärzten, dagegen niemand von den Patienten, die überhaupt keine Medikamente regelmäßig einnehmen müssen.

 

Insgesamt 20,5% der Patienten haben zumindest einmal einen Heilpraktiker konsultiert. Auf niedrigem Niveau sind die wesentlichen Determinanten für den Besuch bei einem Heilpraktiker Geschlecht und Bildungsstatus. Frauen haben anteilig häufiger entsprechende Erfahrungen als Männer, Befragte mit Abitur häufiger als Personen mit Hauptschulabschluß. Demgegenüber hat das Vorliegen einer chronischen Krankheit oder die Notwendigkeit einer Dauermedikation keinen nennenswerten Einfluss auf die Entscheidung, einen Heilpraktiker aufzusuchen. Die entscheidende Einflussgröße besteht mithin in spezifischen Einstellungen, die durch Bildung und geschlechtsspezifische Sozialisation vermittelt wurden.

 

Die zentralen Gründe, einen Heilpraktiker aufzusuchen waren das Vorliegen einer chronischen Krankheit – aber eben, wie schon gesagt, vermittelt durch bildungs- und geschlechtsspezifische Sichtweisen. Formal besser gebildete Frauen mit einer chronischen Krankheiten suchen eher einen Heilpraktiker auf als chronisch kranke Frauen mit niedrigerer Formalbildung. Personen, die Heilpraktiker aufsuchen, gaben häufiger an, dass die Schulmedizin ihnen nicht helfen konnte und erhofften sich von Heilpraktikern eine schonendere Behandlung. Damit einher geht eine stärkere Orientierung an einer naturheilkundlichen oder homöopathischen Behandlungsweise, die Verordnung entsprechender Medikamente ist Patienten, die Erfahrungen mit Heilpraktikern gemacht haben, anteilig deutlich häufiger wichtig als Patienten aus der Vergleichsgruppe. Letztlich ursächlich für die Wahl eines Heilpraktikers scheint mithin eine ausgeprägtere Skepsis gegenüber sogenannten schulmedizinischen Behandlungsweisen zu sein, verbunden mit Enttäuschungen über wenig oder nicht erfolgreiche Behandlungsversuche. Zugespitzt formuliert: Heilpraktiker sind die letzte Hoffnung auf Heilung einer ansonsten unheilbaren Krankheit. Entsprechend groß dürfte die Erwartungshaltung der Patienten sein, zumal nicht auszuschließen ist, dass hier im Einzelfall unter Umständen auch ein gewisser Glaube an außergewöhnliche Heilkräfte und Wunderheilungen mitschwingt. Alte volksmedizinische Krankheits- und Therapievortstellungen und das Vertrauen in Helfer und Heiler, die außerhalb des etablierten Medikalsystems stehen, sind aus wissenschaftlicher Sicht zwar in gewisser Hinsicht defizitär, befriedigen als eine Form von Heilserwartung – und häufig auch von Heilsgewißheit - Bedürfnisse, die durch die moderne Medizin, die der Wissenschaft verpflichtet ist, entsprechend einer anderen Funktionslogik nicht befriedigt werden können. Denn der Heiler ist natürlich auch eine charismatische Figur, an den man sich in existentiellen Notlagen wenden und hoffen kann, dass man auch die entsprechende Hilfe erhält, wobei der Wahl der Mittel prinzipiell keine Grenzen gesetzt sind. Das Image des charismatischen Heilers haben Ärzte zum Teil zwar auch (noch), sie sind aber dadurch im Nachteil, dass die Schulmedizin und deren Wissensbestand samt der etablierten Standesregeln ihnen aus guten Gründen deutliche Grenzen bei der Wahl der Mittel auferlegen. Gewissermaßen "freischaffende" Heiler haben diesbezüglich wenig Probleme und können das Image des charismatischen Wunderheilers beliebig kultivieren.

 

Paradox dabei mutet der Umstand an, dass gerade die von der Schulmedizin geforderte Wiederholbarkeit des Erfolges einer Therapie, also im Grunde ein verläßlicher Qualitätsstandard, für Heiler und deren charismatisches Image zunächst nicht nur nahezu vollständig irrelevant, sondern deren Abwesenheit im Gegenteil vielfach geradezu konstitutiv ist. Nicht der Mißerfolg gilt in der öffentlichen Wahrnehmung als Problem, vielmehr festigen einzelne und eben deshalb unerklärliche Behandlungserfolge, die sich in kein evidentes Muster fügen lassen, den Ruf des wundertätigen Nothelfers. Der Mißerfolg der gleichen Behandlung bei anderen Personen kann dann von den Heilern unter Zuhilfenahme ideosynkratischer Annahmen problemlos erklärt werden und man versucht die nächste Therapie. Das bedeutet natürlich nicht - und unsere Daten zeigen dies sehr deutlich – dass betroffene Patienten nicht enttäuscht wären, im Unterschied zu den auch medial vermittelten Enttäuschungen über Misserfolge oder Kunstfehler schulmedizinischer Behandlung bleibt die individuelle Enttäuschung einzelner Patienten für die Gruppe der Heilpraktiker im Regelfall aber sozial folgenlos, nachhaltiger Imageverlust droht bislang eher nicht.

 

3.4 Gesundheitliche Probleme und Medikamentation

 

3.4.1 Chronische Krankheiten

 

Wie schon erwähnt leiden 36,6% der befragten Patienten an chronischen Krankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck oder Herz-Kreislaufkrankheiten. Wie nicht anders zu erwarten, variiert dieser Prozentsatz mit dem Alter und ist in der Gruppe der Hauptschulabsolventen deutlich höher als bei Personen mit Realschulabschluß, Fachhochschulreife oder Abitur. Diese Verteilung lässt sich – außer in der Gruppe der über 60-Jährigen - in allen Altersklassen beobachten, allerdings sind die Differenzen unterschiedlich groß. Außerdem leiden Arbeiter im Alter zwischen 40 und 60 Jahren deutlich häufiger an chronischen Krankheiten als Angestellte, Beamte, Freiberufler oder Selbständige.

 

Chronische Krankheiten: Altersklassen und Bildungsstatus (Angaben in Prozent)

Unter 18

9,9

18 – 30

14,4

30 – 40

19,3

40 – 50

29,6

50 – 60

51,4

Über 60

72,1

Hauptschule

47,0

Mittlere Reife

29,9

Fachhochschulreife/Abitur

27,5

 

3.4.2 Übergewicht

 

Übergewicht und besonders starkes Übergewicht (Adipositas) sind Schlüsselprobleme der Zivilisationskrankheiten in westlichen Industrienationen. Übergewicht und Adipositas begünstigen die Entwicklung von Hyperinsulinismus und Typ-II-Diabetes, von Bluthochdruck, Hyperlipoproteinämie, kardio- und zerebrovaskulären Erkrankungen, Arthrose und anderen degenerativen Erkrankungen. Adipositas verkürzt die Lebenserwartung, beeinträchtigt die Lebensqualität und kann damit und mit ihren Folgekrankheiten einem langen und erfüllten Leben im Weg stehen. In Deutschland verursacht Adipositas mit ihren Folgeerkrankungen Kosten in Höhe von mehr als 21 Milliarden DM pro Jahr. [1]Zur Messung von Übergewicht und Adipositas wird üblicherweise der Body-Mass-Index verwendet. In der untersuchten Population ergab sich folgende Verteilung (zum Vergleich weisen wir auch die Werte des Gesundheitssurvey 2001 aus).

 

In den Extremgruppen – sowohl bei den über- als auch bei den untergewichtigen Personen - sind die Anteile im Patientensurvey höher als im Gesundheitssurvey 2001. Insgesamt sind 46,4% der befragten Patienten übergewichtig.

 

 

Übergewicht und Adipositas (Angaben in Prozent)

BMI-Werte

Patientensurvey

Gesundheitssurvey

Unter 20 (Untergewicht)

10,0

5,6

20 b.u. 25 (Normalgewicht)

43,4

55,2

25 b.u. 30 (Übergewicht)

33,1

28,0

über 30 (Adipositas)

13,5

11,2

 (Bergmann und Mensink 1999, S. 118).

Einen deutlichen Einflußss auf Übergewicht hat das Alter. Der Anteil übergewichtiger und adipöser Personen steigt mit zunehmendem Alter linear an.

 

Darüber hinaus sind die BMI-Werte auch schichtspezifisch unterschiedlich verteilt. Wenn man den Bildungsstatus als Indikator für Schichtzugehörigkeit verwendet, dann ist der Anteil übergewichtiger und insbesondere adipöser Personen in der Unterschicht mit Abstand am höchsten. Wie auch schon im Fall chronischer Krankheiten handelt es sich dabei nicht um einen versteckten Alterseffekt, denn in allen Altersklassen ist der Prozentsatz der Übergewichtigen in der Gruppe der Hauptschulabsolventen deutlich höher als bei Patienten mit mittlerer Reife oder Hochschulreife. Zudem ist Übergewicht geschlechtsabhängig: 56,6% der Männer, aber nur 40% der befragten Frauen haben Übergewicht. Diese Verteilungen entsprechen den Ergebnissen regionaler und bundesweiter Gesundheitssurveys, wesentliche Determinanten für Übergewicht sind Alter, Geschlecht und Schichtzugehörigkeit.

 

Übergewicht: Altersklassen und Bildungsstatus (Angaben in Prozent)

Unter 18

9,1

18 – 30

23,3

30 – 40

37,6

40 – 50

487

50 – 60

65,0

Über 60

67,1

Hauptschule

59,9

Mittlere Reife

40,0

Fachhochschulreife/Abitur

32,6

Männer

56,6

Frauen

40,0

Hinsichtlich des Merkmals Geschlecht muss allerdings ergänzend bemerkt werden, dass der höhere Anteil übergewichtiger Männer darauf zurückzuführen ist, dass diese deutlich häufiger als Frauen BMI-Werte zwischen 25 und 30 aufweisen. Im Bereich der behandlungsbedürftigen Adipositas mit BMI-Werten über 30 lassen sich dagegen zwischen Männern und Frauen keine nennenswerten Unterschiede feststellen. Auch dieser Befund deckt sich im übrigen mit den Daten aus anderen Surveys.

 

BMI-Werte und Geschlecht (Angaben in Prozent)

BMI-Werte

Männer

Frauen

Unter 20 (Untergewicht)

3,5

13,7

20 b.u. 25 (Normalgewicht)

39,8

45,5

25 b.u. 30 (Übergewicht)

41,9

27,9

über 30 (Adipositas)

14,8

12,9

 

Zu beobachten ist außerdem eine Häufung von Gesundheitsbeeinträchtigungen, 61,% der Patienten mit chronischen Krankheiten sind auch übergewichtig, in der Vergleichsgruppe ohne chronische Krankheiten dagegen nur 37,4%.

 

3.4.3 Medikamentenkonsum

 

In Frage 18 wurden die Patienten gefragt, welche Medikamente sie in den letzten 12 Monaten eingenommen haben. Erwartungsgemäß dominieren hier Medikamente, die – abhängig vom Präparat – auch rezeptfrei erhältlich sind, bei Schmerzmitteln etwa ASS, Aspirin oder Paracetamol. Hier ergab sich die auf der nächsten Seite dokumentierte Verteilung:

 

14,6% nehmen regelmäßig Mittel gegen Bluthochdruck ein, 9,2% Herzmittel oder Mittel gegen Herz-Kreislaufkrankheiten und 8,5% Schmerzmittel.

 

Abhängig von der jeweiligen Facharztrichtung werden diese Verteilungen geringfügig modifiziert, Patienten in HNO-Praxen haben beispielsweise anteilig häufiger Mittel gegen Erkältungskrankheiten eingenommen, orthopädische Patienten häufiger Mittel gegen Gelenkerkrankungen.

 

Einnahme von Medikamenten (Angaben in Prozent)

1. Schmerzmittel

72,7

2. Erkältungsmittel

66,8

3. Mittel gegen Magenbeschwerden

35

4. Mittel gegen Gelenkerkrankungen

26,5

5. Mittel gegen Bluthochdruck

24,5

6. Mittel gegen Herz-Kreislauferkrangungen

16,2

7. Beruhigungsmittel

15

8. Herzmittel

13,1

9. Lipidsenker

10,8

10. Schlafmittel

10,4

11. Abführmittel

8,1

12. Antidepressiva

8,0

13. Mittel gegen Diabetes

5,9

14. Mittel gegen Gicht

4,2

15. Lebermittel

2,1

 

Neben der Frage, welche Medikamente man eingenommen hat und welche davon regelmäßig, ist ein zentraler Indikator für den Gesundheitszustand der Patienten und das Vorliegen von Multimorbidität die Zahl der verschiedenen Medikamente, die man einnimmt. Im Durchschnitt haben die befragten Patienten in den letzten 12 Monaten knapp drei (2,99) verschiedene Medikamente eingenommen. Patienten, die ganz ohne Medikamente auskommen, stellen mit 5,2% eine kleine Minderheit, mehr als doppelt so viele, nämlich 11,1% haben dagegen 6 oder mehr verschiedene Medikamente eingenommen.

 

Die Höhe des Medikamentenkonsums ist abhängig von Alter, Bildungs- und Krankheitsstatus sowie dem Versichertenstatus. Ältere Befragte, Personen mit niedriger Formalbildung, Personen mit chronischer Krankheit und bei der AOK versicherte Patienten nehmen im Durchschnitt mehr Medikamente ein. Das Geschlecht spielt dagegen keine Rolle.

 


Medikamentenkonsum (Angaben in Prozent)

Keine

5,2

1

15,7

2

28,4

3

20,9

4

12,2

5

6,5

6

4,1

7

3,0

8

1,8

9

0,8

10

0,6

11

0,4

12

0,1

13

-

14

-

15

0,2

Medikamentenkonsum: Mittelwerte

Unter 18

1,9

18 – 30

2,4

30 – 40

2,4

40 – 50

2,7

50 – 60

3,8

Über 60

4,0

Hauptschule

3,4

Mittlere Reife

2,7

Fachhochschulreife/Abitur

2,5

Chronische Krankheit

4,1

Keine chronische Krankheit

2,3

AOK

3,2

Ersatzkasse

2,9

Private Krankenvers.

2,8

 

Entgegen einer häufig zu hörenden Ansicht führt im Übrigen bei weitem nicht jeder Arztbesuch zur Verschreibung von Medikamenten oder der Verordnung einer Behandlung. 56% der Patienten haben ein Rezept erhalten, 44% nicht. Davon wiederum haben 14,1% ausdrücklich um ein Rezept ersucht, in 85,9% der Fälle hat der Arzt das Rezept von sich aus ausgestellt. Dabei spielt der Versichertenstatus kaum eine Rolle. 85% der gesetzlich krankenversicherten und 89% der privatversicherten Patienten haben das Rezept ohne explizite Aufforderung erhalten.

 

3.5 Gesundheitsrelevante Verhaltensweisen und Risikofaktoren

 

Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems und Krebs stellen bundesweit wie auch in der Region die häufigsten Todesursachen dar, wobei in der Stadt Trier insbesondere die Lungenkrebsmortalität besorgniserregend hoch ist.[2] Dabei spielen für die Ätiologie dieser auch unter dem Sammelbegriff der chronisch-degenerativen Krankheiten zusammengefassten Erkrankungen individuelle Verhaltensweisen eine wesentliche Rolle. Zu nennen sind insbesondere Rauchen, Bewegungsmangel, Hypertonie und Übergewicht. Man sollte hier aber beachten, dass es sich nicht um deterministische, sondern um stochastische Beziehungen handelt. Wer raucht, entwickelt mit größerer Wahrscheinlichkeit einen Lungenkrebs als ein Nichtraucher, aber nicht jeder Raucher erkrankt tatsächlich an einem Bronchialkarzinom. Dementsprechend werden potentiell schädigende Einflussfaktoren als Risikofaktoren bezeichnet. Das Vorliegen eines solchen Faktors erhöht das Erkrankungs- und Sterberisiko, ist aber keine zwingende Ursache für das Auftreten einer Krankheit.

 

Eine zweite Vorbemerkung ist notwendig: Übergewicht kann – als Resultat übermäßiger und falscher Ernährung und Bewegungsmangel – auf ein im Prinzip änderbares Verhalten zurückgeführt werden. Allerdings können hier auch genetische Dispositionen wirksam sein, deren Effekte nur mittelbar durch individuelles Handeln modifiziert werden können, etwa durch entsprechende Diäten und eine geeignete Medikamentation. Erst recht gilt dies für Hypertonie. Bei über 90% der Hypertoniker ist die genaue Ursache der Hypertonie nicht bekannt, Verhaltensprävention kann hier nur bedeuten, den Blutdruck regelmäßig zu kontrollieren, gegebenenfalls blutdrucksenkende Mittel einzunehmen oder regelmäßig Sport zu treiben. Insofern scheint es angebracht zu sein, allgemeiner von individuellen Risikofaktoren - weil sie auf der Ebene betroffener Individuen angesiedelt sind – zu sprechen und den Begriff der verhaltensbedingten Risikofaktoren zu vermeiden.

 

3.5.1 Risikofaktoren

 

Risikofaktoren für Herz-Kreislauferkrankungen, die in dem Survey erfasst wurden sind:

 

Auf Übergewicht und auf chronische Krankheiten wurde bereits im vorherigen Abschnitt eingegangen. Beide sind natürlich ebenfalls als Risikofaktoren für akute Herz-Kreislaufkrankheiten wie einen Herzinfarkt oder Schlaganfall anzusehen.

 

Als Passivraucher wurden alle Personen klassifiziert, die entweder zu Hause oder am Arbeitsplatz Zigarettenrauch ausgesetzt sind (Frage 43). über einen längeren Zeitraum exponiert sind.

 

Bewegungsmangel wurde allen Personen attestiert, die keinen Sport treiben (Frage 48) und in ihrem Beruf viel sitzen mussten (Frage 76). Natürlich ist dies nur ein sehr grober Indiaktor für Bewegungsmangel, da hier weder die sportliche Intensität noch die zeitliche Inanspruchnahme je Woche berücksichtigt wurde. Außerdem muss man auch bedenken , dass es zwar Berufe gibt, in denen man nicht viel sitzen muss, dies bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass die mit der Tätigkeit verbundene Bewegung in jedem Fall gut für die Gesundheit ist. Gerade die Frage nach der Art, Ausprägung und Intensität sportlicher und sonstiger Bewegung sollte in der individuellen Anamnese immer wieder geklärt werden, da Ausdauertraining Herz-Kreislauferkrankungen vorbeugt (und als budgetneutrale Therapie immer zu empfehlen ist) und die Korrektur falscher Bewegungsabläufe Schädigungen des Stützapparates verhindern kann.

 

Rauchen und Passivrauchen sind nicht nur Risikofaktoren für Lungekrebs, sondern erhöhen auch das Herzinfarktrisiko deutlich, weil die schädlichen Inhaltsstoffe des Zigarettenrauches die Funktion eines Enzyms der Gefäßinnenhaut, die sog. NO-Synthase, verändert. Im Normalzustand bildet dieses Enzym Stickstoffmonoxid (NO). Stickstoffmonoxid sorgt in den Gefäßen für eine bessere Durchblutung, verhindert das Verklumpen von Blutplättchen und schützt Gefäßwände vor Entzündungen.[3] Unter dem Einfluss von Zigarettenrauch stellt die NO-Synthase die Produktion von NO um auf die Produktion freier Radikale. Der Prozess der Gefäßverkalkung wird hier zum einen also dadurch gefördert, dass das für die Gefäßerweiterung nötige Stickstoffmonoxid ausfällt, zum anderen greifen freie Radikale die Gefäßwände an.

 

Als Maß zur Ermittlung der Exposition durch Zigarettenrauch wurden Packungsjahre verwendet. Packungsjahre errechnen sich aus der Menge der durchschnittlich täglich gerauchten Zigaretten und der Rauchdauer in Jahren. Ein Packungsjahr bedeutet, dass eine Person ein Jahr lang täglich eine Packung Zigaretten (= 20 Zigaretten) geraucht hat. Wurden stattdessen täglich 40 Zigaretten geraucht, hat diese Person bereits zwei Packungsjahre inhaliert. Vom Umweltbundesamt wurde 1988 in Deutschland erstmals eine Untersuchung durchgeführt, in der das Konzept der Packungsjahre als Grundlage für die Berechnung des Lungenkrebsrisikos bei Rauchern im Vergleich zu Nichtrauchern diente. Dabei wurde eine Klassifizierung in schwache (weniger als 20 Packungsjahre), mittlere (20-40 Packungsjahre) und starke (mehr als 40 Packungsjahre) Raucher vorgenommen.[4]

 

Rauchen, Passivrauchen und Bewegungsmangel (Angaben in Prozent)

 

Patientensurvey

Gesundheitssurvey

Rauchen

30,7

30,6

Passivrauchen

42,7

57,6

Bewegungsmangel

10,7

14,2

 

Abgesehen von der Exposition durch Passivrauchen entsprechen die Verteilungen im Patientensurvey denen des Gesundheitssurveys von 2001.

 

Rauchen ist bildungs- und berufsabhängig unterschiedlich verteilt, der Raucheraneil ist bei Hauptschulabsolventen (33,5%) und Arbeitern 42,1%) am höchsten, bei Personen mit Hochschulreife (24,1%) und Beamten (15%) am niedrigsten. Dagegen spielt das Alter kaum eine Rolle, in allen Altersklassen sind die Raucheranteile ähnlich verteilt. Ausnahmen stellen nur die höchste Altersklasse der über 60-Jährigen dar, hier rauchen nur rund 10% und die 18- bis unter 30-Jährigen, von denen 42% rauchen.

 

Auch lassen sich- genau wie bei dem Gesundheitssurvey 2001 – keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen feststellen. Bei beiden Geschlechtern ist der Raucheranteil mit jeweils rund 30% vergleichbar groß. Trier unterscheidet sich hier deutlich vom Bundestrend, denn bundesweit rauchen (noch?) wesentlich mehr Männer als Frauen.

 

Bei dem Risikofaktor „Passivrauchen“ sind die bedingten Verteilungen ähnlich wie beim Rauchen. Ältere Patienten über 60 sind seltener als Patienten der übrigen Altersklassen Zigarettenqualm ausgesetzt, Hauptschulabsolventen und Arbeiter bewegen sich dagegen überdurchschnittlich häufiger in einem durch toxische Verbrennungsgase von Tabakpflanzen kontaminierten Umfeld.

 

Beim Passivrauchen sind Männer exponierter, was auf den relativ hohen Anteil von Hausfrauen in der Stichprobe zurückzuführen ist.

 

Bewegungsmangel ist eindeutig altersabhängig, 2,1% der Befragten unter 18 leiden an Bewegungsmangel, dieser Anteil steigt kontinuierlich auf über 18% in der höchsten Altersklasse. Hinsichtlich des Merkmals Beruf sind die Belastungen spiegelbildlich denen beim Rauchen, 7% der Arbeiter, aber rund 21% der Beamten haben zu wenig Bewegung. Auch das Geschlecht hat einen messbaren Einfluss, denn 15% der Männer, aber nur rund 9% der Frauen bewegen sich nicht ausreichend (wir verweisen bei der Interpretation dieser Zahlen aber nochmals auf die Probleme des verwendeten Indikators).

 

Eine Reihe von Befragten weist mehrere Risikofaktoren auf. Die Kombination: „Raucher, Übergewicht, Bewegungsmangel und mindestens eine chronische Krankheit“ kommt zwar nur bei 19 Patienten vor. 84 Patienten sind Raucher, übergewichtig und chronisch krank, aber schon 185 sind Raucher und chronisch krank und 264 rauchen und haben Übergewicht. Das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko steigt bei solchen Kombinationen von Risikofaktoren natürlich deutlich an, höchst bedenklich ist auch, dass im Zweifelsfall durchaus massive Vorschädigungen nicht zu einer Aufgabe des Rauchens führen. Inwieweit dies auch für die hier untersuchte Population zutrifft, lässt sich anhand des nur sehr groben Indikators „chronische Krankheit“ nicht genau sagen. Die Ergebnisse des Gesundheitssurveys haben aber gezeigt, dass selbst Vorschädigungen von Organen des Herz-Kreislaufsystems leider nicht in jedem Fall zur Konsequenz haben, das Rauchen aufzugeben: 23% der Personen, die an den Folgen eines Herzinfarktes oder Schlaganfalls, Angina Pectoris oder arteriellen Durchblutungsstörungen der Beine leiden, rauchen.[5]

 

Im Fall der Kombination der Risikofaktoren „Rauchen“ und „Übergewicht“ sind Männer mit einem Anteil von 14% doppelt so häufig betroffen wie Frauen (7%), Hauptschulabsolventen mit 13% ebenfalls doppelt so häufig wie Personen mit Hochschulreife (6%) und Befragte in den Altersklassen zwischen 40 und 60 anteilig von allen Altersgruppen am häufigsten. Dies sind übrigens die gleichen Altersgruppen, in denen bösartige Tumore und Herzerkrankungen die Haupttodesursachen sind.

 

Hinsichtlich der eben schon erwähnten Packungsjahre findet sich folgende Verteilung:

 

Packungsjahre(Angaben in Prozent)

 

Patientensurvey

Gesundheitssurvey

Bis 20

63,5

37,3

21 bis 40

26,0

32,0

41 oder mehr

10,5

30,7

 

Anders als in der Stichprobe des Gesundheitssurveys ist der Anteil starker Raucher in der hier untersuchten Population deutlich niedriger, genau wie bei der erstgenannten Befragung lässt sich aber auch in der vorliegenden Untersuchung ein klarer Einfluß der Schichtzugehörigkeit feststellen. Der Anteil starker Raucher ist bei Befragten mit Hauptschulabschluß am höchsten. Männer sind anteilig häufiger starke Raucher als Frauen.

 

Die meisten Raucher, nämlich rund 70% kaufen ihre Zigaretten primär in Luxemburg.

 

20,7% der befragten Eltern rauchen in Gegenwart ihrer Kinder, davon wiederum 72,6% zu Hause und 8,5% im Auto, was besonders bedenklich ist, als Kinder hier auf engstem Raum toxischen Verbrennungsgasen von Pflanzen ausgesetzt sind. Die Analyse der Daten der schon erwähnten Einschulungsuntersuchung hat gezeigt, dass die Prävalenz von Atemwegserkrankungen bei Kindern, die regelmäßig Zigarettenqualm ausgesetzt sind, deutlich höher ist als in der Vergleichsgruppe. Rauchen in Gegenwart von Kindern ist aber auch deshalb sehr bedenklich, weil man inzwischen nachgewiesen hat, dass die Funktion der Schlagadern bereits bei jungen Passivrauchern gestört ist.[6]

 

3.5.2 Ernährung

 

Ernährungsgewohnheiten bestimmen nicht nur das subjektive und psychische Wohlbefinden, sondern auch den objektiven Gesundheitszustand. Leider sind diese beiden Aspekte nicht immer problemlos miteinander vereinbar – ganz im Gegenteil: So manches liebgewonnene Ernährungsverhalten, das Entlastungsfunktion hat und ganz wesentlich zur Steigerung der psychischen Befindlichkeit beiträgt, kann ausgesprochen nachteilige somatische Wirkungen entfalten. Ernährungsbedingte Krankheiten in der Bundesrepublik sind i. d. R. keine Mangelkrankheiten mehr, sondern auf Fehlernährung zurückzuführen (dies gilt auch für Vitaminmangelerkrankungen). Zu den ernährungsabhängigen Krankheiten zählen u. a. Diabetes mellitus, Gicht, Fettstoffwechselerkrankungen, Struma, Karies, Osteoporose, Hypertonie, ischämische Herzkrankheiten, Hirn- und Gefäßerkrankungen sowie bösartige Neubildungen der Speiseröhre, der Leber, des Darms, des Magens und anderer Organe.[7] Um Missverständnisse zu vermeiden: Die genannten Krankheiten weisen eine Vielzahl von anderen Ursachen auf, an der jeweiligen Ätiologie können genetische Faktoren, Bewegungsmangel, Zigarettenrauch und andere Schadstoffe beteiligt sein. „Die Definition einer Krankheit als ernährungsabhängig setzt u. a. die Mitverursachung durch Ernährungsgewohnheiten, die Möglichkeit der Vorbeugung durch Vermeiden von Fehlernährung oder die Möglichkeit der Behandlung durch Ernährungsmaßnahmen voraus.“[8]

 

Ernährung impliziert mithin zwei Aspekte: Fehlernährung trägt zur Ausbildung bestimmter Krankheiten bei, dem menschlichen Organismus angemessene Ernährung hat einen protektiven, gesundheitsfördernden Effekt. Dabei dient eine adäquate Ernährung nicht nur der individuellen Gesundheit, sondern ist auch volkswirtschaftlich sehr sinnvoll: „24,7% aller Kontakte im Rahmen einer ambulanten Behandlung entfielen bei Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) auf ernährungsbedingte Erkrankungen. Bei der stationären Behandlung von Versicherten der GKV waren 1990/91 im Westen 23,5% aller Krankenhaustage durch ernährungsbedingte Erkrankungen verursacht. ... 1990 führte die gesetzliche Rentenversicherung 169.594 medizinische Rehabilitationsmaßnahmen für ernährungsbedingte Krankheiten durch. Dies waren 24,4% aller medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen.“[9] Bundesweit stellt falsche Ernährung mithin nach wie vor ein wichtiges Gesundheitsproblem dar, wie auch erst kürzlich wieder die Auswertung von Daten des Ernährungssurveys 1998 (als Ergänzung zum Bundesgesundheitssurvey) gezeigt hat: „Die Ernährung in Deutschland ist immer noch gekennzeichnet durch eine Überversorgung und einen zu hohen Anteil an Fett und Alkohol. Dies führt zusammen mit einer zu geringen körperlichen Aktivität dazu, dass Übergewicht immer noch ein großes gesundheitliches Problem darstellt. Über 50% der Frauen und sogar fast 70% der Männer haben einen Body-Mass-Index (BMI) über 25.“[10] Bevor im folgenden Daten zur Ernährung näher diskutiert werden, sind allerdings noch zwei Vorbemerkungen angebracht.

 

1. Was ist „gesunde Ernährung“?

Oder anders gefragt: Mit welchem Modell des Ernährungsverhaltens werden die Surveydaten verglichen, um deren gesundheitliche Bedeutung einschätzen zu können? Wir orientieren uns hier an den vergleichsweise einfachen und auch leicht zugänglichen Informationen der Bundesforschungsanstalt für Ernährung und der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), wie sie in Form von Broschüren z. B. von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz herausgeben werden und von den einschlägigen Institutionen des Gesundheitswesen verteilt werden. Im Rahmen der bundesweiten Kampagne „5 am Tag – Obst und Gemüse“ liegen solche Broschüren seit dem 1. Juni 2000 auch in Lebensmittelabteilungen der Verbrauchermärkte aus. Diese Kampagne soll dazu beitragen, den Obst- und Gemüsekonsum in Deutschland zu erhöhen und die Bundesbürger dazu zu animieren, fünf Portionen Obst und Gemüse pro Tag zu essen. Zahlreiche Studien haben inzwischen gezeigt, dass regelmäßiger, täglicher Verzehr von Gemüse- und Obst das Risiko, an verschiedenen Krebsarten, Herz-Kreislauferkrankungen, Hypertonie, Diabetes Mellitus und Gicht zu erkranken, reduziert. Allerdings liegt der Konsum von Obst und Gemüse in Deutschland im europäischen Vergleich zu niedrig. Während hierzulande umgerechnet 85 kg pro Person und Jahr verbraucht werden, sind es in südeuropäischen Ländern rund 170 kg.[11]

 

Die DGE empfiehlt, täglich ca. 200 g gekochtes, 100 g rohes Gemüse und 75 g Salat zu verzehren. Würde man dieser Empfehlung folgen, ergäbe dies einen Jahres-Pro-Kopf-Verbrauch an Gemüse von 140 kg. Fett sollte generell sparsam verwendet werden, pflanzliche Öle mit einem hohen Anteil an mehrfach ungesättigten Fettsäuren – etwa Olivenöl – sind tierischen Fetten vorzuziehen.

 

Darüber hinaus empfiehlt die DGE den täglichen Verzehr von Getreideprodukten, am besten aus Vollkorn, und den häufigen Konsum von Kartoffeln. Milch und/oder Milchprodukte sollten ebenfalls täglich getrunken bzw. gegessen werden. Sparsamer sollte man dagegen mit Fleisch und Wurst umgehen und dann fettarme Produkte (z. B. Geflügelfleisch) bevorzugen. Außerdem sollte man auf einen niedrigen Zuckerverbrauch achten. In Jodmangelgebieten – und die Region Trier zählt dazu – sollte man zur Prävention der Struma Jodsalz verwenden und mindestens einmal pro Woche Fisch essen. Trinken sollte man pro Tag mindestens 1,5 Liter, am besten in Form von Wasser oder Mineralwasser.

 

Aus diesen Empfehlungen ergibt sich folgendes Profil für eine gesundheitsförderliche Ernährung:

 

Empfehlungen der DGE

 

Täglich

Mehrmals pro Woche

Seltener

Frisches Obst und Gemüse

X

 

 

Vollkornprodukte

X

 

 

Milch/Milchprodukte

X

 

 

Kartoffeln

 

X

 

Fettarme Fleischprodukte

 

X

 

Fisch

 

X

 

Süßwaren/Zuckerhaltige Produkte

 

 

X

 

2. Die Messung des Ernährungsverhaltens in Befragungen krankt leider an zwei grundlegenden methodischen Problemen:

Erstens wird hier ein kontinuierliches Verhalten gemessen, welches aber in einzelnen Details (z. B. unregelmäßiger, aber zu bestimmten Zeiten höherer Konsum stark zuckerhaltiger Produkte) größere Variationsbreiten aufweist. Die Messung erfolgt retrospektiv, d. h. Befragte müssen sich erinnern und diese, unter Umständen mental ganz anders organisierten Erinnerungen vorgegebenen Antwortformaten anpassen. Erinnerungen sind vielfach ungenau, insbesondere kontinuierliches Verhalten wird vielfach in seiner Häufigkeit eher geschätzt als tatsächlich gezählt, wobei zudem die Referenzperiode, an der man sich orientiert, individuell sehr unterschiedlich sein kann. Bei Ernährungsfragen wird dieses Problem auch nicht dadurch gelöst, dass man generalisierende Begriffe wie „gewöhnlich“ oder „normalerweise“ verwendet, um deutlich zu machen, dass man an langfristigen Verhaltensmustern interessiert ist, da für viele Befragte Zeiträume von einer bis vier Wochen die Basis für ihre Einschätzungen darstellen. Die (bei quantitativen Befragungen aus Gründen der Vergleichbarkeit der Antworten zwingend) vorgegebenen Kategorien liefern Hinweise darauf, was als „normal“ oder „üblich“ gilt und beeinflussen das Antwortverhalten ebenfalls.

 

Dies leitet über zu dem zweiten methodischen Problem: Gesunde Ernährung zählt zu den sozial wünschenswerten Verhaltensweisen und dürfte auch individuell präferiert werden und zwar wenigstens in dem ganz allgemeinen Sinn, dass sich jeder im Zweifel lieber gesund ernährt. Auch was zu gesunder Ernährung zählt, dürfte in Anbetracht einer breit gestreuten Ernährungsaufklärung in der Bundesrepublik zumindest als lexikalisches Wissen für die Mehrheit der Bevölkerung verfügbar sein. Dabei beschreibt der Terminus „lexikalisches Wissen“ Kognitionen, die bei Bedarf (etwa wenn man danach gefragt wird) abgerufen werden, aber nicht handlungsrelevant sind. So wissen die meisten Raucher natürlich, dass Rauchen der Gesundheit abträglich ist und die meisten Menschen hierzulande wissen auch, dass der tägliche Verzehr von Obst und Gemüse gesund, häufiger Zuckerkonsum dagegen (wenigstens für die Zähne) ungesund ist. Wenn man nach dem Ernährungsverhalten fragt, hat man insofern immer einen gewissen, im Einzelfall aber kaum exakt zu quantifizierenden Prozentsatz von Antworten, die an sozial wünschenswerten Normen orientiert sind.

 

Beide Probleme führen zu Verzerrungen bei der Messung von gesundem Ernährungsverhalten durch Befragungen, der Anteil von Personen, der sich gesund (orientiert an oben erläutertem Profil) ernährt, wird durch Befragungsdaten überschätzt. Dies bedeutet umgekehrt, dass die im folgenden vorgestellten Befunde zu ungesunden Ernährungsgewohnheiten mit hoher Wahrscheinlichkeit das tatsächliche Ausmaß des Problems unterschätzen. In den Fragen 41 und 42 wurde nach der Häufigkeit des Verzehrs bestimmter Lebensmittel und dem Flüssigkeitskonsum gefragt.


Verzehr ausgewählter Lebensmittel (Angaben in Prozent)

 

Täglich

Mehrmals pro Woche

Seltener

Nie

Milchprodukte

52,9

34,4

11,5

1,2

Frisches Obst und Gemüse

49,0

39,0

11,2

0,8

Vollkornbrot

36,9

31,4

26,7

4,9

Kartoffeln

22,5

59,9

16,2

1,4

Fleisch/Wurstwaren

22,3

50,5

24,9

2,3

Süßwaren

13,8

35,7

45,8

4,7

Chips

1,8

11,7

61,7

24,8

Fast Food

1,0

5,8

68,8

24,4

Fisch

0,7

26,1

67,9

5,6

 

Der tägliche Durchschnittsverbrauch von Wasser, ungesüßtem Saft oder Früchte- und Kräutertee liegt bei 1,9 Litern. Wir gehen davon aus, dass diese Zahl aus dem eben angesprochenen Problem sozial wünschenswerten Antwortverhaltens resultiert und der tatsächliche Verbrauch niedriger liegt,

denn gerade die Erfahrung in Arztpraxen lehrt, dass viele und insbesondere ältere Patienten zuwenig Flüssigkeit zu sich nehmen.

 

Das berichtete Ernährungsverhalten weist dagegen trotz des nicht auszuschließenden Problems sozial wünschenswerten Antwortverhaltens auf einige Ernährungsdefizite hin. Der Verzehr von frischem Obst und Gemüse sollte täglich erfolgen und ist mithin eindeutig zu niedrig. Gleiches gilt für den Konsum von Milchprodukten, der unter anderem zur Osteoroporose-Prophylaxe wichtig ist. Auch der Verbrauch von Fisch ist in dem hiesigen Jod-Mangel-Gebiet zu niedrig, sofern nicht Jod aus anderen Quellen, etwa durch Verwendung von Jodsalz, aufgenommen wird.

 

Noch deutlicher werden die Defizite, wenn man aus den Angaben der Patienten entsprechend des oben dargestellten Tableaus ein dichotomes Ernährungsprofil erstellt. Patienten, die täglich frisches Obst oder Gemüse und Milchprodukte verzehren, täglich oder zumindest mehrmals pro Woche Vollkornbrot essen, täglich oder mehrmals pro Woche Kartoffeln und Fisch, Fleisch nicht täglich und Süßwaren, Chips und Fast Food nur selten essen, ernähren sich gesund. Alle anderen Personen weisen dagegen ein – folgt man den Empfehlungen der DGE – suboptimales bis ungesundes Ernährungsverhalten auf. Letztere Gruppe ist deutlich in der Überzahl, denn nach dieser Einteilung ernähren sich nur 4,3% gesund, 95,7% haben dagegen die eine oder andere Ernährungsgewohnheit, die aus ernährungsphysiologischer Sicht langfristig bedenklich ist.

 

Das Ernährungsverhalten ist primär altersabhängig, entsprechend der eben dargestellten DGE-Empfehlungen ernähren sich lediglich 2,2% der jüngsten Befragten und 10,5% der ältesten Befragten gesund. Diese Verteilung entspricht den Ergebnissen des Gesundheitssurveys. Die weitaus meisten Personen ernähren sich suboptimal. Dies muss nicht in jedem Fall gesundheitliche Problem zur Konsequenz haben, sollte aber beobachtet werden – zumindest was den Verzehr von Obst und Gemüse und die Fettaufnahme betrifft.

 

Offen bleibt dabei Frage, ob es sich bei der Korrelation des Ernährungsverhaltens und dem Alter der Befragten um einen Alters- oder um einen Kohorteneffekt handelt. Von Alterseffekten spricht man, wenn sich bestimmte Einstellungen oder Verhaltensweisen in Abhängigkeit vom Lebensalter ändern, salopp formuliert also „auswachsen“. Hinter vermuteten Alterseffekten stehen Lebensphasenmodelle, bei denen man davon ausgeht, dass Mitglieder aufeinanderfolgender Generationen in gleichen Lebensphasen auch gleiche oder vergleichbare Entwicklungen durchmachen. Im vorliegenden Fall würde dies bedeuten, dass suboptimales Ernährungsverhalten ein Phänomen der Jugend und des frühen Erwachsenenalters ist und mit fortschreitendem Alter modifiziert wird. Für diese These spricht, dass Gesundheit und alle damit zusammenhängenden Fragen dann individuell relevanter werden, wenn Gesundheit zu einem knappen und bedrohten Gut wird.

 

Ein Kohorten- oder Generationseffekt liegt dann vor, wenn eine Generation z. B. in der Phase der primären und frühen sekundären Sozialisation Faktoren ausgesetzt ist, die die Persönlichkeit in hohem Maß prägen und zu dauerhaften Einstellungen und Verhaltensweisen führen. Ein solcher Effekt lässt sich z. B. bei Angehörigen von Kriegsgenerationen beobachten, die aufgrund oft jahrelanger Knappheitserfahrungen eine dezidierte Sammlermentalität entwickelt haben und Dinge nur sehr schwer wegwerfen können.

 

Für die Vermutung, dass es sich bei dem suboptimalen Ernährungsverhalten jüngeren Befragten um einen Kohorteneffekt handelt, spricht die Tatsache, dass gesunde Ernährung gemäß der DGE-Empfehlungen traditionellen Ernährungsgewohnheiten entspricht. Das Ernährungs- und Nahrungszubeitungsverhalten ist ein der primären und frühen sekundären Sozialisation, also in der Kinder- und Jugendphase erlerntes und habitualisiertes Verhalten und gehört zu den im späteren Leben nur schwer änderbaren Verhaltensmustern. Dabei spielt bei der Ausbildung solcher Verhaltensmuster nicht nur das Elternhaus eine Rolle, sondern in zunehmendem Maß auch Gruppen von Gleichaltrigen (sog. „Peer-Groups“) und entsprechende Gelegenheits- und Angebotsstrukturen. Für die Generation der jetzt bis unter 30-Jährigen ist die (zumindest zeitweise) Berufstätigkeit beider Elternteile eine vergleichsweise häufige Erfahrung gewesen, unter anderem mit der Konsequenz, dass es ein regelmäßiges, täglich frisch zubereitetes Mittagessen schon aus zeitökonomischen Gründen nicht gab. Statt dessen ist speziell diese Kohorte aber mit einem breiten Angebot von Ernährungsalternativen aufgewachsen, welches von Tiefkühl- und Fertiggerichten bis zu einer Vielzahl von Fast-Food-Restaurants reicht. Zugespitzt formuliert: Diese Generation wurde von „Mama Miracoli“ oder „Ronald McDonald“ versorgt – und hat ihre Ernährungsgewohnheiten beibehalten, wobei die spätere eigene Berufstätigkeit und die damit verbundene subjektive Zeitknappheit zu einer weiteren Verfestigung solcher Gewohnheiten beigetragen haben dürfte. Sehr deutlich wird dies, wenn man sich die altersabhängige Verteilung des Konsum von Fast-Food ansieht, denn nur rund 6% der unter 30-Jährigen, aber 60% der über 60-Jährigen haben noch nie Fast-Food gegessen.

 

Mit Querschnitt-Daten ist diese Frage allerdings nicht zu beantworten, hier bedarf es einer Längsschnittstudie. Wenn die These des Kohorteneffektes zutrifft, dann impliziert dies zwei Probleme: 1. Mit fortschreitendem Alter nehmen ernährungsbedingte Krankheiten mit großer Wahrscheinlichkeit überdurchschnittlich zu. 2. Suboptimales Ernährungsverhalten wird an die nächsten Generationen weitergegeben und zum „Normalfall“ gesellschaftlicher Ernährungsgewohnheiten, wobei mit „Normalfall“ gemeint ist, dass dieses Modell weit verbreitet ist. Die Chance, im täglichen Leben mit anderen Ernährungstypen konfrontiert zu werden und das eigene Verhalten im Sinn eines Modellernens zu reflektieren und gegebenenfalls zu modifizieren, werden damit sukzessive geringer.

 

Diese Risiken sind unserer Ansicht nach groß genug, um entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, auch wenn die vorliegenden Daten eine abschließende Klärung der Frage, ob es sich um einen Kohorten- oder einen Alterseffekt handelt, nicht erlauben. Zu solchen Maßnahmen gehört eine gezielte und dauerhafte Ernährungsberatung und –schulung, die möglichst früh einsetzt. Sinnvoll wäre die Etablierung eines Faches zum allgemeinen Thema „Gesundheitserziehung“ schon in der Grundschule, in dem auch Ernährungsfragen – übrigens in Form der gemeinsamen Zubereitung von Mahlzeiten durchaus auch praktisch - behandelt werden können. Dies leitet unmittelbar zu einer zweiten Forderung über: Sinnvoll scheint uns ein flächendeckendes Angebot eines gesunden Essens in Kindergärten, Schulen und Horten zu sein. Hier bestehen bislang noch sehr große Lücken.

 

3. 6 Früherkennung und Impfungen

 

3.6.1 Früherkennungsuntersuchungen

 

Nach nahezu einhelliger Meinung aller Patienten sind Früherkennungsuntersuchungen wichtig, denn 94,4% haben diese Antwortalternative angekreuzt. 5% halten Früherkennungsuntersuchungen für weniger wichtig und nur 0,6% explizit für unwichtig. Leider folgt dieser sehr erfreulichen Einschätzung der Bedeutung und Wichtigkeit von Früherkennungsuntersuchungen sehr häufig nicht das entsprechende Verhalten, denn die Beteiligung ist deutlich schlechter. 50,6% aller Befragten nehmen regelmäßig an Früherkennungsuntersuchungen teil, 23,6% unregelmäßig und 25,8% gar nicht.

 

Dabei muß natürlich nach Alter und Geschlecht differenziert werden. Anspruchsberechtigt sind Frauen ab 20 Jahren und Männer ab 45. Berücksichtigt man diese Einschränkungen, ergeben sich folgende Beteiligungsquoten bei den anspruchsberechtigten Personen:

 

Beteiligung anspruchsberechtigter Männer und Frauen an Früherkennungsuntersuchungen (Angaben in Prozent)

Beteiligung:

Frauen

Männer

Regelmäßig

66,4

47,8

Unregelmäßig

22,8

34,8

Gar nicht

10,8

17,4

 

Trotz der für die individuelle Gesundheit großen Bedeutung von Krebsfrüherkennungsuntersuchungen ist die Beteiligung an diesen Untersuchungen nicht allzu ausgeprägt. „Nur 14% der berechtigten Männer und 48% der Frauen nahmen 1995 an einer Krebsfrüherkennungsuntersuchung teil.“[12] In der vorliegenden Stichprobe ist bei Männern wie bei Frauen der Anteil von Personen, die solche Untersuchungen nachfragen, zwar deutlich höher. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass die bundesweiten Zahlen insofern objektiver sind, als sie auf Abrechnungsdaten (also tatsächlich erbrachten Leistungen) basieren. Die Daten für die Region stammen aus einer Befragung und sind – wie eine Reihe anderer Fragen – anfällig für sozial (und individuell) wünschenswertes Antwortverhalten. Wie schon erwähnt halten die weitaus meisten Befragten Früherkennungsuntersuchungen grundsätzlich für wichtig. Dies mag in dem einen oder anderen Fall dazu geführt haben, bei der Anschlussfrage nach der persönlichen Teilnahme an solchen Untersuchungen das wünschenswerte, aber nicht das tatsächliche Teilnahmeverhalten wiedergegeben zu haben.

 

Aber auch wenn man das Problem sozial wünschenswerten Antwortverhaltens nicht berücksichtigt, sind die Beteiligungsraten suboptimal und zwar vor allem bei den Männern. Insofern entsprechen die Ergebnisse der Patientenbefragung dem Bundestrend und auch den Daten, die im Rahmen des regionalen Gesundheitssurveys erhoben worden sind.

 

Interessant sind die Gründe, die die anspruchsberechtigten Patienten für die unregelmäßige Teilnahme oder die Nichtteilnahme genannt haben.

 

Gründe für die unzureichende Teilnahme an Früherkennungsuntersuchungen (Angaben in Prozent)

Nicht mit Thema auseinandergesetzt

40,5

Zeitmangel

26,8

Aus Altersgründen nicht betroffen

25,3

Angst

18,2

Keine Information

13,6

 

Der am häufigsten genannte Grund für die suboptimale Teilnahme ist die fehlende Auseinandersetzung mit dem Thema. Dass in der anspruchsberechtigten Bevölkerung außerdem ausgeprägte Informationsdefizite bestehen, zeigt neben der Nennung der entsprechenden Kategorie der vergleichsweise große Prozentsatz von Personen, die glauben, aus Altersgründen nicht betroffen zu sein. Das Eingeständnis, sich bislang nicht mit dem Thema auseinandergesetzt zu haben, wie auch die Begründung, man habe die im Regelfall nur einmal jährlich durchzuführende Untersuchung bislang aus Zeitmangel nicht oder nicht regelmäßig in Anspruch nehmen können, deuten auf eine massive Verdrängung eines unangenehmen und in Teilen immer noch tabuisierten Themas hin. Diese Reaktion ist in Anbetracht der verschiedenen Aspekte einer Früherkennungsuntersuchung – Termin beim Arzt, u. U. längerer Anfahrtsweg und Wartezeit, unangenehme Untersuchung, schließlich möglicherweise die Diagnose Krebs – durchaus verständlich und nachvollziehbar – für die eigene Gesundheit aber mit einer nicht zu vernachlässigenden Wahrscheinlichkeit kontraproduktiv, da ein zu spät erkannter Krebs kaum noch zu therapieren ist. Dass dabei auch Angst vor der Diagnose Krebs eine wichtige Rolle spielt, zeigt der vergleichsweise hohe Prozentsatz von Personen, die diese ausdrücklich genannt haben. Informationen über Früherkennungsuntersuchungen sollten deshalb stärker als bisher auf die Heilungschancen von Krebs in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Diagnose eingehen und sich auch mit den offenbar verbreiteten Ängsten und Befürchtungen vor einer solchen Diagnose wie auch vor der Untersuchung als solcher auseinandersetzen.

 

3.6.2 Check-Up 35

 

Die sog. Check-Up-35 Untersuchung, auch Gesundheitsuntersuchung genannt, dient der Früherkennung von Herz-Kreislauferkrankungen, Nierenleiden, Stoffwechselstörungen und Diabetes. Die Untersuchung sollte ab dem 35. Lebensjahr alle zwei Jahre durchgeführt werden und es existieren entsprechende Vereinbarungen zwischen den Kassen und den Kassenärztlichen Vereinbarungen. Die Gesundheitsuntersuchung ist mithin das Pendant zur Krebsfrüherkennungsuntersuchungen und deckt eine zweite große Gruppe von chronisch-degenerativen Krankheiten ab, die das Morbiditäts- und Mortalitätsspektrum in Deutschland dominieren.

 

Leider ist die Beteiligung an dieser Untersuchung eher noch schlechter als bei Krebsfrüherkennungsuntersuchungen.

 

Nur 47,3% der anspruchsberechtigten Personen haben bisher an einer Gesundheitsuntersuchung teilgenommen, 34,2% nicht und 18,5% kennen diese Untersuchung überhaupt nicht. Anders als bei der Beteiligung an Krebs-Früherkennungsuntersuchungen spielt hier das Geschlecht keine Rolle, die Beteiligungsquoten von Männern und Frauen über 35 sind nahezu identisch. Auch der Bildungsstatus wirkt sich hier kaum aus, und hat insbesondere keinen Einfluss darauf, ob den Befragten die Untersuchung überhaupt bekannt ist. In allen drei Bildungsgruppen sind es jeweils rund 18%, die von dieser Untersuchung noch nichts gehört haben. Auch im Fall der Check-Up-35 sollten Patienteninformationen intensiviert werden.

 

3.6.3 Impfungen

 

Über die Bedeutung von Impfungen muss an dieser Stelle nicht eigens gesprochen werden, aber ein Hinweis auf Durchimpfungraten auf regionaler wie auch auf Bundesebene erscheint uns angebracht. Nach allen vorliegenden Daten sind die Durchimpfungsraten in der erwachsenen Bevölkerung bundesweit wie auch in der Region Trier bei allen von der STIKO empfohlenen Impfungen unzureichend. Ursächlich dafür ist allerdings – soweit es die Region Trier betrifft - nicht eine grundsätzliche Ablehnung von Impfungen, sondern in den weitaus meisten Fällen schlichte Vergeßlichkeit (möglicherweise auch gepaart mit einer gewissen Bequemlichkeit, weil man wegen einer Impfung einen Arzt aufsuchen muss und die Motivation dafür bei fehlendem Leidensdruck nicht immer sehr ausgeprägt ist). Die überwiegende Mehrheit der Befragten des Gesundheitssurvey von 2001, nämlich 75%, würde es denn auch begrüßen, wenn man sie per Post an anstehende Impftermine erinnern würde. Im Zeitalter der Verwaltung von Patientendaten durch EDV und mit Hilfe von Chipkarten dürfte dies organisatorisch auch kein all zu großes Problem darstellen. Wenn Politik und Vertreter des Gesundheitswesens ernstlich an der Eradikation gefährlicher Infektionskrankheiten und möglichst hohen Durchimpfungsraten interessiert sind, sollte diese Möglichkeit der Patienteninformation genauer geprüft und möglichst rasch umgesetzt werden.

 

Die vorliegenden Daten zeigen, dass auch der Impfschutz der befragten Patienten Wünsche offen lässt (Frage 35). Viele Befragte wissen gar nicht, ob sie gegen Tetanus (weiß nicht: 13,8%), Polio (weiß nicht: 22,8%) und insbesondere Diphtherie (weiß nicht: 29,7%) geimpft sind. Diejenigen, die wissen, dass es da mal eine Impfung gab, wissen sehr häufig nicht mehr, wann sie zuletzt geimpft worden sind, im Fall von Tetanus sind dies 1.498 Patienten, bei Polio 1.713 und bei Diphtherie 1.506. Anders ausgedrückt: Mehr als die Hälfte der Befragten kennt den eigenen Impfstatus nicht, was den begründeten Schluss zulässt, dass dieser aufgrund gar nicht erfolgter oder zu lange zurückliegender Impfung unzureichend ist.

 

Wie schon eingangs bemerkt, dürfte die zentrale Ursache für suboptimale Durchimpfungsraten schlicht auf Vergesslichkeit zurückzuführen sein, da die Zeitabstände zwischen den Impfterminen zu lang sind. Empfehlenswert ist daher die routinemäßige Erfassung und Dokumentation des Impfstatus von Patienten, am besten natürlich durch Sichtung des Impfpasses. In jedem Fall sollten Patienten aber immer auf Impfungen angesprochen werden. Dies geschieht bisher aber offensichtlich nicht.

 

43,2% der Patienten, die in der jeweiligen Praxis schon häufiger waren, sind von dem behandelnden Arzt schon einmal auf Impfungen angesprochen worden, 56,8% dagegen nicht. Nun mag man hier argumentieren, dass dieser Anteilswert so nicht vernünftig interpretiert werden kann, weil in der Befragung auch Patienten von Fachärzten vertreten sind, die nicht oder nur eingeschränkt impfen dürfen. Dem ist allerdings entgegen zuhalten, dass Chirurgen zumindest gegen Tetanus impfen dürfen und die Überprüfung des Impfstatus bei Tetanus, der nach allen vorliegenden Daten gerade bei älteren Patienten unzureichend ist, im Hinblick auf die Behandlung von Verletzungen essentiell ist. Dies geschieht natürlich auch bei jedem akuten Fall, der in einer chirurgischen Praxis vorstellig wird, nur geht man eben im Normalfall nicht wegen jeder kleineren Verletzung zum Arzt, kann sich aber gleichwohl auch bei Hautabschürfungen – etwa bei der Gartenarbeit – mit Tetanus infizieren.

 

Diese Überlegungen gelten im Prinzip auch für Orthopäden, da es gerade bei Unfällen mit Stürzen neben Stauchungen, Prellungen usw. häufig auch zu Hautabschürfungen kommt.

 

HNO-Ärzte werden häufiger mit impfpräventablen Influenza-Erkrankungen konfrontiert und sollten zumindest ältere Patienten auf die Möglichkeit der Grippeschutzimpfung hinweisen, denn die weitaus meisten Todesfälle infolge einer Influenza sind Personen über 60. Aus dem gleichen Grund sind hier auch Informationen über die Pneumokokken-Impfung sinnvoll.

 

Gynäkologen haben – gerade bei jüngeren Patientinnen – häufig faktisch insofern eine gewissermaßen hausärztliche Funktion, weil sie die einzigen Ärzte sind, die von den Betreffenden regelmäßig aufgesucht werden. Sie kennen die Krankheitsgeschichte ihrer Patientinnen und häufig besteht aufgrund der längeren Patientenbindung hier auch ein engeres Vertrauensverhältnis. Gynäkologen sind damit wichtige Mediatoren, um die Durchimpfungsraten zu optimieren.

 

Ganz generell wäre es wünschenswert, wenn Fachärzte den Impfstatus ihrer Patienten kontrollieren und auf die Vorteile von Impfungen hinweisen, auch wenn sie selbst Impfungen nicht oder nur eingeschränkt durchführen dürfen. Hier ist zudem darüber nachzudenken, ob dies künftig im Interesse möglichst hoher Durchimpfungsraten nicht anders zu regeln ist, da Patienten so nicht einen weiteren Arztbesuch auf sich nehmen müssen. Hinzu kommt gerade bei den üblichen Anlässen aus denen ein Chirurg, Orthopäde oder Frauenarzt aufgesucht wird: Routineuntersuchungen, Verletzungen, Zerrungen usw. stehen einer Impfung nicht entgegen, ein akuter Infekt der Atemwege oder der Verdauungsorgane, der vom Hausarzt behandelt wird, dagegen schon.

 

Allgemeinmediziner, hausärztlich tätige Internisten und Kinderärzte dürfen uneingeschränkt impfen und sollten als Hausärzte über den Impfstatus ihrer Patienten informiert sein. Leider werden aber auch von dieser Gruppe nach Angabe der befragten Patienten  Impfungen nicht immer thematisiert, auch wenn der Prozentsatz hier natürlich deutlich höher liegt als in den Facharztpraxen. Gerade in den hausärztlichen Praxen sollte noch häufiger als bisher das Thema Impfen angesprochen werden.

 

Kontrolle des Impfstatus (Angaben in Prozent)

Gesamt

Allgemein.

HNO

Orthopäd.

Chirurgen

Frauenärzte

Kinderärzte

43,2

58,9

6,2

5,9

17,4

18,8

85,1

 

 

In den Kinderarztpraxen wurden die Eltern auch nach den Gründen für Impflücken gefragt, wenn die Kinder nicht alle von der STIKO empfohlenen Impfungen (Tetanus, Polio, Diphtherie, Masern, Mumps, Röteln, HIB, Keuchhusten, Hepatitis B) erhalten haben. Folgende Gründe wurden hier genannt:

 

·        Ich habe Angst vor Impfschäden                                 34,3%

·        Ich lehne bestimmte Impfungen ab                               31,4%

·        Ich habe nicht an die Impfung gedacht                         31,4%

·        Eine durchgestandene Krankheit ist besser

für das Immunsystem als eine Impfung                          22,9%

·        Kinderkrankheiten sind gut für die psychische

und seelische Entwicklung des Kindes                          14,3%

·        Ich habe Zweifel an der Wirksamkeit der

Impfungen                                                                   14,3%

 

Aufgrund der Altersheterogenität der in dem Survey erfassten Kinder und der vergleichsweise kleinen Fallzahlen (insgesamt wurden 536 Eltern befragt), ist eine differenziertere statistische Auswertung von Durchimpfungsraten und Gründen für Impflücken nicht möglich. Allerdings liegen auch Daten aus einer Befragung vor, die während der alljährlich vom Gesundheitsamt durchgeführten Schuleingangsuntersuchung im Jahr 2001 durchgeführt wurde. 1.820 Eltern haben den Fragebogen ausgefüllt. Es zeigte sich, dass die Durchimpfungsraten gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR) mit knapp 80% zur Erreichung eines Populationsschutzes generell nicht ausreichend sind. Auffällig für die Trierer Population ist der Umstand, dass die Impfbeteiligung gegen Polio, Diphtherie und Tetanus schichtspezifisch variiert, Kinder aus Arbeiterhaushalten sind zu 84,3% geimpft, Kinder aus Akademiker-Haushalten dagegen zu 94,9%. Bei MMR findet sich diese Differenzierung aber gerade nicht, in beiden Gruppen liegt die Impfbeteiligung bei rund 83%. Unterschiedlich sind allerdings die Gründe für diese Impfabstinenz. Während Eltern aus der Unterschicht hier kaum Angaben gemacht haben, lehnen viele Eltern aus der gehobenen Mittelschicht die MMR-Impfung ab, weil ihrer Ansicht nach durchgemachte Kinderkrankheiten wie Masern besser für das Immunsystem und die psychische und seelische Entwicklung der Kinder sind.

 

3.7 Kriterien für die Arztwahl und Erwartungen an den Arzt

 

In Deutschland haben wir das Recht auf freie Arztwahl und dieses Recht sollte auch nicht aufgegeben werden, da Heilungserfolge wesentlich von der Compliance der Patienten beeinflusst werden und diese wiederum abhängig ist von dem Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient. Die von uns befragten Patienten scheinen dies genau so einzuschätzen, den nahezu alle Befragten gaben an, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient ein wichtiges Kriterium für die Wahl eines Arztes ist, für 64,4% ist es sogar das wichtigste Kriterium und rangiert damit mit großem Abstand vor dem guten Ruf des Arztes, den 17,6% als das für sie wichtigste Kriterium genannt haben. Anders formuliert: Der gute Ruf basiert zunächst einmal auf dem Urteil anderer, erst nach eigenen Erfahrungen mit dem jeweiligen Arzt kann man für sich selbst entscheiden, ob dieser Ruf gerechtfertigt ist. Als Zusatzkriterium für die Arztwahl ist der „gute Ruf“ daher sinnvoll, von vorrangiger Bedeutung sind aber eigene Erfahrungen und Bewertungen, die im optimalen Fall in einem engen Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient resultieren.

 

Neben diesen beiden Aspekten spielt auch das Verhalten des Praxispersonals eine große Rolle, rund 90% legen Wert auf freundliche Behandlung. Wichtig ist zudem der gute Ruf des Arztes, wobei – wir werden darauf weiter unten noch näher eingehen – damit sowohl medizinisch-fachliche Qualitäten als auch bestimmte Formen sog. „Soft-skills“ gemeint sind, also Aspekten wie Einfühlungsvermögen und Gesprächsführung. Weniger wichtig sind dagegen lange Öffnungszeiten oder die Nähe der Praxis zum Wohnort.

 

Generelle Kriterien für die Wahl eines Arztes (Angaben in Prozent)

 

wichtig

weniger wichtig

unwichtig

Vertrauensverhältnis zum Arzt

96,4

2,7

0,9

Freundlichkeit des Personals

88,7

9,9

1,4

Guter Ruf des Arztes

84,8

12,5

2,7

Spezielle Therapien und Behandlungsmöglich.

66,8

26,0

7,2

Kurze Wartezeiten

62,3

32,8

4,8

Nähe der Praxis zum Wohnort

57,3

34,3

8,3

Empfehlung durch Bekannte

44,2

38,9

16,8

Lange Öffnungszeiten

40,0

48,5

11,4

 

Bei der Frage danach, warum nun gerade die Praxis gewählt wurde, in der die Befragung stattfand, werden teilweise die gleichen Gründen genannt, es gibt aber auch einige Abweichungen. Ganz oben stehen wiederum das Vertrauensverhältnis zum Arzt und der gute Ruf des Arztes. Vergleichsweise häufig wurde hier aber auch die Nähe der Praxis zum Wohnort genannt. Konkret dürfte dies bedeuten, dass man bei zwei vergleichbaren Praxen, also solchen, wo der Arzt eine guten Ruf hat, der wohnortnäheren den Vorzug gibt.

 

Kriterien für die Wahl der jeweiligen Praxis (Angaben in Prozent)

Vertrauensverhältnis zum Arzt

58,8

Guter Ruf des Arztes

54,4

Nähe der Praxis zum Wohnort

46,4

Freundlichkeit des Personals

40,6

Empfehlung durch Bekannte

31,1

Kurze Wartezeiten

19,7

Spezielle Therapien und Behandlungsmöglichk.

17,7

Überweisung

12,7

Lange Öffnungszeiten

10,7

 

Die große Bedeutung, die Patienten dem Arzt-Patientenverhältnis zumessen, zeigt sich auch darin, dass das Vertrauen zum Arzt unabhängig von Alter oder Bildung ist. Bei anderen Kriterien zeigen sich dagegen durchaus Unterschiede zwischen Alters- oder Bildungsgruppen. Die Nähe der Praxis zum Wohnort wird mit zunehmendem Alter immer wichtiger, was in Anbetracht von möglicher Multimorbidität, häufigeren Arztbesuchen und eingeschränkter Mobilität auch nicht überraschend ist. Auch kurze Wartezeiten sind für ältere Befragte anteilig häufiger wichtig als für jüngere, was wiederum darauf zurückzuführen sein dürfte, dass diese häufiger eine Arzt aufsuchen müssen. Die Empfehlung durch Bekannte ist für sehr viele Befragte mit Abitur und für Jüngere wichtig, ältere Patienten betrachten dies häufiger als weniger wichtig. Das faktische Konsultationsverhalten jüngerer Befragter entspricht dieser Orientierung, über 40% der Patienten bis 30 Jahre haben die jeweilige Praxis aufgrund einer Empfehlung durch Bekannte gewählt, dagegen nur 19% der Befragten über sechzig. Diese Unterschiede sind für Ärzte insofern von Bedeutung als zu vermuten ist, dass der Multiplikationseffekt von zufriedenen (und im Umkehrschluss auch von unzufriedenen) Patienten künftig an Bedeutung für die jeweilige Nachfrageentwicklung sein wird, sofern es sich bei dem beobachteten Effekt ähnlich wie bei dem Ernährungsverhalten um einen Kohorten- und nicht um einen Alterseffekt handelt. Aus den im Zusammenhang mit Ernährungsfragen schon diskutierten Gründen gehen wir auch hier von einem Kohorteneffekt aus. Das kann bedeuten: Unzufriedene Patienten reduzieren mittelfristig den Patientenstamm einer Praxis um mehr als nur sich selbst, weil sie als negative Multiplikatoren fungieren. Umgekehrt bringen zufriedene Patienten weitere Patienten mit.

 

Entsprechend der Wichtigkeit verschiedener Kriterien für die Arztwahl verteilen sich auch die Gründe, warum man den Arzt wechselt. An erster Stelle steht das mangelnde Vertrauen zum Arzt, erstaunlich ist hier eigentlich nur, dass dies lediglich von 72% angekreuzt wurde, denn im Umkehrschluss würde dies bedeuten, dass rund 30% ihren Arzt selbst bei einem gestörten Vertrauensverhältnis nicht wechseln würden.

 

Die vorwiegende Verschreibung von Generika ist für die weitaus meisten Patienten kein Grund, den Arzt zu wechseln, aber ein Viertel der Befragten ist bereit, den Arzt wegen zu langer Wartezeiten zu wechseln. Dies sieht auf den ersten Blick nach einer eher kleinen Gruppe aus. Auch hier ist aber wieder ein klarer Einfluß der Generationszugehörigkeit zu beobachten: 33% der jüngsten, aber nur 17% der ältesten Befragte würden wegen zu langer Wartezeiten den Arzt wechseln. Dem Termin- und Praxismanagement wird künftig mithin noch größere Bedeutung zukommen als dies bereits jetzt der Fall ist.

 

Gründe, den Arzt zu wechseln (Angaben in Prozent)

Fehlendes Vertrauen zum Arzt

72,0

Unzufriedenheit mit der Behandlung

68,5

Mangelndes Vertrauen in die Diagnose

51,1

Zweite Meinung

42,0

Verweigerung von Behandlung/Medikament

32,6

Zu lange Wartezeiten

25,6

Ungünstige Lage der Praxis

13,7

Vorwiegende Verordnung von Generika

6,8

 

Ansonsten zeigen die Korrelationen der genannten Gründe für einen Arztwechsel mit Alter und Geschlecht, dass Frauen eher zu einem Wechsel bereit sind als Männer und insbesondere ältere Befragte ausgesprochen „arzttreu“ sind. Offenbar werden die psychischen Kosten eines Arztwechsels hier höher gewichtet als ein – vielleicht nur vorübergehend (?) - belastetes Vertrauensverhältnis zu einem Arzt, den man schon länger kennt und auf den man eingestellt ist.

 

Auch in den Erwartungen an den Arzt selbst kommt immer wieder die große Bedeutung eines guten und vertrauensvollen Arzt-Patienten-Verhältnisses und dem, was man „sprechende Medizin“ nennen kann, zum Ausdruck. Für die weitaus meisten Befragten ist es wichtig, dass der Arzt ihre Vorerkrankungen und ihre Krankengeschichte genau kennt und den Patienten gegebenenfalls auch Mut machen und sie trösten kann. Eltern ist bei Kinderärzten außerdem wichtig, dass der Arzt gut auf Kinder eingehen kann (97,5%) und Kindern auch die Angst vor unangenehmen Behandlungen nehmen kann (96,2%).

 

Von sehr nachgeordneter Bedeutung ist dagegen ein Doktortitel oder das gleichsam routinemäßige Verschreiben von Medikamenten.

 

Das Ärzte „sprechende Medizin“ praktizieren sollen, bedeutet nicht, dass Patienten nicht auch Wert auf genuin medizinisch-fachliche Qualifikationen legen. Über die Hälfte der Befragten erachtet es als wichtig, dass ihr Arzt den Anschluss an den medizinischen Fortschritt nicht verpasst, dass er die neuesten Behandlungsmethoden und Techniken kennt und diese gegebenenfalls auch einsetzt. Dabei dürfte der Begriff „stets“ in der Formulierung so aufgefasst worden sein, dann wenn es medizinisch notwendig und erfolgversprechend ist, stets die neuesten Techniken einzusetzten. Ansonsten gibt es aber auch starke Präferenzen für naturheilkundliche und homöopathische Arzneien. Kurz: Die Patienten wollen nicht kritiklos und unreflektiert immer die neueste und aufwendigste Behandlungsmethode und Medikamente nach jedem Arztbesuch, sondern eine auf ihre spezifischen gesundheitlichen Probleme zugeschnittene Therapie, der eine gründliche Anamnese und Diagnostik vorausgeht.

 

Erwartungen an den Arzt (Angaben in Prozent)

Der Arzt soll:

wichtig

weniger wichtig

unwichtig

Vorerkrankungen und Krankengeschichte genau kennen

89,4

9,3

1,3

Mut machen und trösten können

81,0

13,5

5,5

Zusätzlich zu Kassenleistungen weitere Behandlungsvorschläge machen

55,1

34,3

10,6

Stets die neuesten Techniken einsetzen

54,2

39,2

6,6

Wo immer möglich naturheilkundliche oder homöopathische Arzneien verschreiben

51,1

33,7

15,2

Medikamente verschreiben

37,2

47,4

15,4

Nach Möglichkeit auf altbewährte Formen der Behandlung zurückgreifen

30,5

51,4

18,2

Einen Doktortitel haben

21,5

44,9

33,0

 

Dass der Arzt auch sogenannte „Igel-Leistungen“ anbietet, ist ebenfalls für mehr als die Hälfte der Befragten wichtig.

 

Allerdings gibt es einige Unterschiede im Detail: Die Wichtigkeit der Verordnung von Medikamenten ist eindeutig vom Alter und vom Bildungsstatus abhängig. Älteren und Befragten mit Hauptschulabschluss ist dieser Aspekt überdurchschnittlich häufig wichtig, was vermutlich damit zusammenhängt, dass in diesen Befragtengruppen auch gesundheitliche Probleme überdurchschnittlich häufig auftreten. Aus dem gleichen Grund ist älteren Befragten anteilig häufiger als jüngeren wichtig, dass der Arzt ihre Krankengeschichte genau kennt. Jüngere und sehr junge Befragte haben schlicht häufig noch keine Krankengeschichte. Ältere wünschen deshalb auch häufiger als jüngere Patienten, dass Ärzte gegebenenfalls auch Mut machen und trösten können, denn wiederum nehmen Diagnosen, bei denen diese Fähigkeit von Bedeutung sein kann, mit steigendem Alter zu. Unterschiede gibt es bei dieser Frage auch zwischen den Geschlechtern: 86,7% der Frauen halten diese Fähigkeit für wichtig, aber nur 68,8% der Männer. Das Geschlecht beeinflusst auch die Einstellung zur Verordnung naturheilkundlicher Arzneimittel: 57,2% der Frauen wünschen eine Verschreibung entsprechender Medikamente, wo immer dies möglich ist, dagegen nur 37,6% der Männer. Der Bildungsabschluss spielt bei dieser Frage – anders als man vielleicht vermuten würde – keine Rolle. Anders sieht es allerdings bei der Einschätzung eines Doktortitels aus: 30,8% der Patienten mit Hauptschulabschluss halten den Titel „Dr. med“ für wichtig, aber nur 14,7% der Personen mit Hochschulreife, von denen die meisten ausweislich des jeweiligen Berufs auch selbst ein Studium absolviert haben. Je bildungsaffiner die Befragten sind, um so realistischer schätzen sie mithin die Bedeutung ein, die ein Doktortitel für die Qualität der jeweiligen konkreten haus- oder fachärztlichen Versorgung hat.

 

Fasst man diese Ergebnisse zusammen, dann wird sehr deutlich, dass ein enges und vertrauensvolles Arzt-Patientenverhältnis und kommunikative Kompetenzen des Arztes für Patienten von sehr großer Bedeutung sind. Im Hinblick auf den Behandlungserfolg ist eine gute Arzt-Patienten-Beziehung in höchste Maß funktional, da eine anderenfalls auch nur schwer herzustellende gute Compliance die Heilung aus unterschiedlichen Gründen nachhaltig beeinflusst. Abgesehen von der schlichten Einhaltung von Therapieplänen, die bei fehlendem Vertrauen und Zweifeln an der Sorgfalt der ärztlichen Untersuchung oder gar grundlegenden Zweifeln an der ärztlichen Qualifikation eher nicht zu erwarten ist, verzögern oder verhindern nagende Zweifel und ein latentes oder manifestes Gefühl des Unverstandenseins und der Unzufriedenheit eine Heilung oder Besserung gerade bei chronisch-degenerativen Krankheiten, bei denen Stress häufig einen wichtigen Kofaktor in der Ätiologie darstellt.

 

Auch unter ökonomischen Gesichtspunkten ist eine gute Arzt-Patienten-Beziehung sinnvoll, und zwar zunächst einmal aus dem gerade genannten Grund: Eine schnellere Heilung ist im Regelfall kostengünstiger als eine langsamere, wobei nicht nur unmittelbar behandlungsbezogene, sondern auch weitere volkswirtschaftlich relevante Kosten wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall usw. berücksichtigt werden müssen.

 

Der Aufwand für Diagnostik wird – zeitlich wie auch finanziell – geringer ausfallen, wenn Ärzte ihre Patienten kennen und nicht bei jedem Kontakt erst das komplette Krankenblatt aufmerksam studieren müssen. Eben dies ist die Situation in Krankenhäusern und Krankenhausambulanzen, die nicht zuletzt aus diesem Grund häufig weniger gut beurteilt werden. Wir zitieren aus dem Bericht „Patientenbefragung zur Zufriedenheit mit der gesundheitlichen Versorgung“, erschienen in der Reihe „Berichte aus dem Gesundheitswesen“ und herausgegeben vom Ministerium für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit des Landes Rheinland-Pfalz (befragt wurden 1.125 Patienten aus Krankenhäusern): „Bei den Einzelfragen ist auffällig, dass die Möglichkeit zu ungestörten Gesprächen mit Ärzten mit 23,4% von fast einem Viertel der Patienten als „mittelmäßig“ oder „schlecht“ beurteilt wird. Hier wird von den Patienten bei einem wesentlichen Element für Kommunikation, Information und Aufklärung deutliche Unzufriedenheit geäußert“. (S. 13) Und weiter heißt es dort: „Von den einzelnen Fragen [zur Hilfestellung im Umgang mit der Krankheit] wurden die Aufklärung über die körperliche Belastbarkeit nach der Entlassung (22,3%), die Anleitung im krankheitsgerechten Verhalten (16,7%), die Information über Medikamente und deren Einnahme (15,7%) sowie der Zuspruch von Mut und Zuversicht für die Zeit nach der Entlassung (21,9%) besonders kritisch bewertet. ... Diese Dimension [der Hilfestellung im Umgang mit der Krankheit] teilte sich ... die schlechteste Gesamtbewertung mit der Dimension „Ausstattung und Service“. (S. 18)[13]

 

Hier kann man nur anmerken: Was die Patienten in diesen Befragungen kritisiert und angemahnt haben, ist im niedergelassenen Bereich ausweislich der Befragungsergebnisse weitestgehend gängige Praxis. Deutlich wird hier: Eine Verlagerung der fachärztlichen ambulanten Versorgung in Krankenhausambulanzen oder polyklinikartige Praxisverbünde mit arbeitszeitbedingt häufiger wechselndem medizinischen Personal geht eindeutig an den Wünschen und Erwartungen der Patienten vorbei. Denn auch wenn Fachärzte – abgesehen von Patienten mit bestimmten chronischen Erkrankungen – im Regelfall wohl deutlich seltener konsultiert werden als Hausärzte, so zeigen die vorliegenden Daten eine klare Bindung an bestimmte Fachärzte und bieten keine Belege für die These eines „Ärzte-Hoppings“.

 

3.8 Serviceleistungen der Praxen: Wünsche und Bewertungen

 

Unter Serviceleistungen fassen wir Öffnungszeiten, die Erreichbarkeit des Arztes – gerade bei Haus- und Kinderärzten ist dies ein wichtiger Aspekt -, die Ausstattung des Wartezimmers, zusätzliche Dienstleistungen wie Taxiruf oder Anrufe bei Angehörigen und per Internet abrufbare Informationen über die Praxis. Um das wichtigste Ergebnis gleich vorwegzunehmen: Das bislang realisierte Service-Angebot der meisten Praxen ist völlig ausreichend. Zusätzliche Dienstleistungen würden von den Patienten bis auf wenige Ausnahmen mehrheitlich nicht genutzt und werden auch nicht verlangt.

 

3.8.1 Öffnungszeiten und Erreichbarkeit des Arztes

 

Insgesamt nur 2,4% der befragten Personen sind mit den Öffnungszeiten eher unzufrieden, 42,2% zufrieden und 44,5% sehr zufrieden. Auffällig ist außerdem, dass 10,4% die Öffnungszeiten gar nicht kennen, also bislang einen Arzt außerhalb der gewissermaßen „normalen“ Geschäftszeiten nicht in Anspruch nehmen mußten. Noch deutlicher wird dies bei der Frage danach, ob der Arzt außerhalb der regulären Sprechzeiten jederzeit für die Patienten erreichbar ist. 28,7% haben diese Frage bejaht, 9% verneint, 62,3% wußten dies nicht. Dies bedeutet wiederum, dass bislang wohl auch keine Notwendigkeit bestand, den jeweils behandelnden Arzt außerhalb der Sprechzeiten in Anspruch zu nehmen. Natürlich gibt es bei diesen Fragen Unterschiede zwischen den einzelnen Arztgruppen, Patienten in allgemeinmedizinischen Praxen und Eltern von Kindern kommen häufiger in die missliche Lage, ärztliche Hilfe auch außerhalb der regulären Sprechzeiten in Anspruch nehmen zu müssen. Auch bei diesen Patientengruppen wissen aber jeweils rund 50% nicht, ob ihre Ärzte außerhalb der offiziellen Sprechzeiten für sie ansprechbar sind. Sofern dies der Fall ist – und die meisten der beteiligten Praxen bieten diesen Service – besteht hier ein Kommunikationsdefizit, das auch im Interesse der Außendarstellung der Ärzteschaft insgesamt abgebaut werden sollte. Leistungen, die zur Erreichung einer guten medizinischen Versorgung der Bevölkerung erbracht werden, sollten auch entsprechend bekannt gemacht werden.

 

Erreichbarkeit des Arztes auch außerhalb der Sprechzeiten (Angaben in Prozent)

 

Gesamt

Allgemein.

HNO

Orthopäd.

Chirurgen

Frauenärzte

Kinderärzte

Ja

28,7

43,6

11,0

4,2

19,8

22,6

42,1

Nein

9,0

8,0

9,0

13,4

9,8

5,2

8,9

Weiß nicht

62,3

48,4

80,0

82,4

70,4

72,2

49,0

 

Zwei Drittel der Befragten (66,1%) halten eine Telefonsprechstunde für sinnvoll, um dem Arzt Fragen stellen zu können oder auch, um Untersuchungsergebnisse zu besprechen. Hier gibt es wenige Unterschiede zwischen den einzelnen Arztgruppen, mit einer Ausnahme: Bei den Patienten von Kinderärzten (bzw. deren Eltern) votieren sogar 84,3% für eine Telefonsprechstunde. Hier ist anzumerken, dass viele der beteiligten pädiatrischen und hausärztlichen Praxen diesen Service bereits bieten und einige der untersuchten Praxen auch spezielle Sprechzeiten für Berufstätige eingerichtet haben.

 

Eine email-Sprechstunde würden dagegen nur 29,2% der befragten Personen, die das Internet überhaupt nutzen, in Anspruch nehmen, dies sind 4,3% aller Patienten.

 

3.8.2 Internet-Angebote

 

Patienten, die das Internet überhaupt nutzen, sind derzeit mit 43,1% noch in der Minderheit. Die Frage der Nutzung ist allerdings – wie zu erwarten war – alters- und bildungsabhängig. Mit zunehmendem Alter sinkt der Anteil der Personen, die das Internet nutzen, wiederum dürfte es sich aber um einen Kohorteneffekt handeln, d. h. die heute Jüngeren werden das Internet auch künftig selbstverständlich nutzen, mittelfristig wird das World-Wide-Web damit zu einer selbstverständlichen und häufig genutzten Informationsquelle. Noch deutlicher als bei den unterschiedlichen Altersgruppen fallen verschiedene Nutzungsintensitäten bei den differentiellen Bildungsschichten auf: 22,7% der Hauptschulabsolventen, aber 71,5% der Personen mit Hochschulreife nutzen das Netz.

 

Bei der Frage der spezifischen Nutzungsarten lassen sich dann allerdings keine Unterschiede zwischen den verschiedenen Altersklassen und Bildungsstatus beobachten. Wer das Web grundsätzlich nutzt, der tut dies unabhängig von Alter und Formalbildung auch, um sich über Gesundheitsfragen zu informieren, wiederum sind dies aber nur die Hälfte der Internetnutzer. Das bedeutet: Derzeit nutzen nur 18% aller Befragten das Internet, um sich über gesundheitsbezogene Themen zu informieren und 10% würden das Angebot einer praxiseigenen Homepage in Anspruch nehmen.

 

Trotz dieser zur Zeit noch geringen Nachfrage sind Ärzte gut beraten, eine Homepage einzurichten, da die Nutzungsraten aller Wahrscheinlichkeit nach künftig zunehmen werden und die bevorzugten Nutzungsarten sich eher auf das Recherchieren allgemeiner Informationen über die Praxis (z.B. hinsichtlich der Sprechzeiten oder besonderer Qualifikationen der Ärzte) und auf die Vereinbarung von Terminen und Rezeptbestellungen beziehen – Nutzungsarten also, die aktuell viel Zeit von Arzthelferinnen binden.

 

Nutzung von Internetangeboten auf einer Praxis-Homepage (Angaben in Prozent)

Allgemeine Informationen über die Praxis einsehen

75,4

Terminvereinbarung

65,3

Bestellung von Rezepten

62,1

Lage und Anfahrtsweg einsehen

43,7

Email-Sprechstunde nutzen

29,2

N = 308

 

3.8.3 Ausstattung der Wartezimmer

 

Ein Problem einer Reihe von Praxen, das bei der Protokollierung der Rahmenbedingungen durch die Studenten deutlich wurde, ist der hohe Auslastungsgrad der Wartezimmer und eine daraus zeitweise resultierende Raumknappheit. Generell steht in einigen der untersuchten Praxen vergleichsweise wenig Platz zur Verfügung, aus auf der Hand liegenden Gründen ist dieses Problem aber nur mit großem Aufwand (bauliche Veränderungen oder Umzug) zu lösen, Aufwand und Ertrag müssen hier individuell kalkuliert werden. In der Befragung wurden deshalb nur Aspekte erfasst, die im Bedarfsfall vergleichsweise leicht zu ändern sind, wie etwa das Angebot an Zeitungen und Zeitschriften, in kinderärztlichen Praxen wurde außerdem nach der Zufriedenheit der Eltern mit Kinderbüchern und Spielsachen gefragt. Mit den im Wartezimmer ausliegenden Zeitungen und Zeitschriften war nur eine Minderheit von rund 8% eher unzufrieden, 53% sind sehr zufrieden oder zufrieden. Bemerkenswert ist, dass rund 40% das Angebot gar nicht nutzen.

 

Zufriedenheit mit Zeitungen/Zeitschriften (Angaben in Prozent)

Sehr zufrieden

12,4

Zufrieden

40,6

Weniger zufrieden

6,4

Unzufrieden

1,7

Kann ich nicht beurteilen

6,8

Angebot ist für mich nicht wichtig

32,2

 

Etwas anders fallen die Zufriedenheitsquoten mit den Angeboten für Kindern in pädiatrischen Praxen aus:

 

Zufriedenheit mit Kinderbüchern und Spielsachen (Angaben in Prozent)

 

Bücher

Spielsachen

Sehr zufrieden

11,2

23,0

Zufrieden

50,2

58,7

Weniger zufrieden

12,4

7,2

Unzufrieden

1,5

1,1

Kann ich nicht beurteilen

10,0

4,0

Angebot ist für mich nicht wichtig

14,7

5,9

N = 536

 

Insbesondere das Angebot an Spielsachen ist für die meisten Eltern wichtig, was insofern auch leicht nach vollziehbar ist, als ein oder zwei Bilderbücher ohne großen Aufwand selbst mitgebracht werden können, eine Kiste mit Spielsachen dagegen nicht. Bei knapperen Budgets ist daher eine Investition in Spielsachen empfehlenswerter als in Kinderbücher, zumal bei letzteren der Verschleiß deutlich größer ist. Mit dem bestehenden Angebot an Spielsachen sind insgesamt 81,7% zufrieden oder sehr zufrieden und auch die generelle Beurteilung der Praxiseinrichtung in Bezug auf „Kindgerechtigkeit“ fällt insgesamt positiv aus.

 

Kindgerechtigkeit der Praxis (Angaben in Prozent)

Sehr gut

31,7

Gut

61,5

Weniger gut

3,4

Nicht gut

0,2

N = 536

 

3.8.4 Weitere Serviceleistungen

 

Wir haben die Patienten zunächst gefragt, ob sie das Serviceangebot der jeweiligen Praxis insgesamt für ausreichend halten, wobei der Fokus der Frage auf Dienstleistungen wie Anrufen bei Angehörigen oder Taxiunternehmen lag. 43,8% halten das Serviceangebot für ausreichend, 1,9% nicht und 54,3% können das Angebot nicht beurteilen, was wiederum bedeutet, dass sie entsprechende Dienstleistungen bislang nicht in Anspruch genommen haben. Die offene Folgefrage, welche zusätzlichen Service- und Dienstleistungsangebote man sich wünscht, wurde daher auch von kaum einem der befragten Patienten beantwortet. Die Anregungen, die hier gemacht wurden, sind aus unterschiedlichen Gründen auch nur schwer umsetzbar. Gewünscht wurden z. B. Getränke wie Wasser oder Kaffee. Dabei muss man aber bedenken, dass der damit verbundene zeitliche Aufwand (Kaffee kochen, Geschirr spülen, usw.) recht hoch ist und auch die Kosten unter Umständen nicht unerheblich sind. Einige Patienten haben auch Musik im Wartezimmer gewünscht. Abgesehen davon, dass eben dies andere Patienten vermutlich stören würde und die Auswahl allgemein konsensfähiger Titel alles andere als einfach ist, müssen bei einem solchen Angebot von der Praxis Gebühren an die GEMA entrichtet werden, auch mit diesem Angebot wäre also ein finanzieller Aufwand verbunden. Ohne großen Aufwand umsetzbar (soweit nicht schon realisiert) ist immerhin die Anregung, Räume eindeutig zu beschildern. Gerade in Praxen, wo Patienten in verschiedene Behandlungsräume geschickt werden, erleichtert dies die Orientierung deutlich.

 

Gleichwohl bedeutet die Tatsache, dass nur wenige Patienten die Frage nach weiteren Dienstleistungsangeboten beantwortet haben, nicht, dass alle anderen wunschlos glücklich wären. Es ist in allen Befragungen immer wieder zu beobachten, dass offene Fragen, die ein Erinnern und eigenständiges Formulieren erfordern, nur von Minderheiten beantwortet werden. Frage 34 liefert dennoch Hinweise, was Patienten an weiteren Angeboten gerne hätten. An erster Stelle steht dabei eine Erinnerung an Früherkennungsuntersuchungen, langfristig vereinbarte Termine und an Impfungen. Gerade der letzte Aspekt ist von einiger Bedeutung, da – wie oben schon ausgeführt – ein wesentlicher Grund für Impflücken darin besteht, dass Patienten die Auffrischimpfungen vergessen.

 

Weitere Dienstleistungen und Serviceangebote (Angaben in Prozent)

 

wichtig

weniger wichtig

unwichtig

Erinnerung an Früherkennungsuntersuchungen, Termine und Impfungen

72,7

22,0

5,3

Genügend Platz, um Vertraulichkeit und Diskretion zu wahren

61,6

32,7

5,7

Namensschilder für alle Mitarbeiter

15,6

51,3

33,1

Patientenbriefkasten für Meinungen und Anregungen

15,1

55,4

29,5

 

Auf durch Platzmangel verursachte Probleme sind wir oben schon eingegangen. Namenschilder für alle Mitarbeiter werden zwar nur von einer Minderheit ausdrücklich als wichtig eingestuft, dürften aber gerade neuen Patienten die Orientierung erleichtern. Auch bei Patienten, die schon längere Zeit Patient in einer Praxis sind, wird man nicht in jedem Fall unterstellen können, dass sie alle Mitarbeiter namentlich kennen, Namensschilder tragen hier nicht unwesentlich zu einer weniger anonymen Beziehung zwischen Patienten und Personal bei.

 

Ein Patientenbriefkasten für Meinungen und Anregungen ist ebenfalls sehr zu empfehlen, da Patienten dadurch die Möglichkeit eröffnet wird, anonym auf Defizite hinzuweisen oder Kritik zu äußern. Erfahrungsgemäß scheuen sich viele Personen, dies persönlich zu tun, um das ansonsten gute Verhältnis zu Arzt und Mitarbeitern nicht zu belasten, oder auch, weil Konfliktgespräche selten als angenehm erlebt werden. Darüber hinaus kann ein solcher Briefkasten natürlich auch für Lob, Anerkennung und Verbesserungsvorschläge genutzt werden – und die Praxis zeigt, dass dies auch geschieht. Neben Befragungen sind Patientenbriefkästen damit die besten Methoden, um Patientenmeinungen in Erfahrung zu bringen.

 

3.9 Warte- und Behandlungszeiten

 

3.9.1 Wartezeiten

 

Eines der zentralen Probleme in jeder Praxis und eine der Hauptursachen für Unzufriedenheit sind lange Wartezeiten. Wir erinnern hier nochmals daran, dass nur 4,8% aller Befragten kurze Wartezeiten bei der Wahl des Arztes als unwichtig eingestuft haben. Ein Grund für längere Wartezeiten in Akutpraxen ist zum einen das nur schwer kalkulierbare Patientenaufkommen bzw. ein großer Patientenandrang in Zeiten grassierender Infektionskrankheiten. Ein weiterer Grund kann ein suboptimales Terminmanagement in der Praxis sein. Möglich ist auch, dass zu viele Patienten je Zeiteinheit einbestellt werden.

 

Grundsätzlich muss man hier konstatieren, dass es durchaus Praxen gibt, in denen die Terminvergabe und Einbestellung von Patienten verbessert werden könnte. Da dies aber ein Problem einzelner Praxen ist und auch nur in der jeweiligen Praxis gelöst werden kann, werden wir diesen Aspekt hier nicht weiter vertiefen. Die Wartezeiten wurden in Frage 13 im zweiten Teil des Fragebogens erfragt. Zwar mussten die meisten Patienten höchstens bis zu 30 Minuten warten, es gab aber auch Wartezeiten von bis zu 5 Stunden (300 Minuten). Aus den Angaben der Patienten haben wir durchschnittliche Wartezeiten berechnet, indem wir aus den einzelnen Kategorien jeweils die Klassenmittelwerte und außerdem die Angaben in Minuten der letzten offenen Kategorie („länger nämlich:“) verwendet haben. Wir weisen hier nochmals ausdrücklich darauf hin, dass die Ermittlung der Wartezeiten (wie auch der Behandlungszeiten, auf die wir im Anschluß eingehen werden) auf Angaben der Patienten selbst basiert und es hier keinen – wie auch immer gearteten - Bias durch Einschätzungen des Praxispersonals gibt.

 

Wartezeiten in Minuten (Angaben in Prozent)

 

Gesamt

Allgemein.

HNO

Orthopäd.

Chirurgen

Frauenärzte

Kinderärzte

Gar nicht

11,1

13,5

4,7

8,2

12,0

17,2

10,3

Bis 15

35,6

35,9

24,0

35,7

40,2

46,1

36,6

15-30

24,6

27,1

33,0

17,5

21,5

21,1

21,5

30-45

12,4

12,4

16,1

10,0

12,7

8,3

12,7

45-60

11,2

8,2

18,7

13,4

9,1

6,9

12,3

Maximum

300

120

150

300

120

70

120

 

Die durchschnittliche Wartezeit insgesamt beträgt etwas unter dreißig Minuten, deutliche Abweichungen gibt es bei den Gynäkologen mit kürzeren und den Orthopäden mit sehr viel längeren Wartezeiten. Letzteres wurde von einigen Patienten auch explizit moniert und darauf zurückgeführt, dass es generell zu wenige Orthopäden in der Region Trier gäbe und die Wartezeiten in allen Praxen zum Teil unzumutbar lang seien.

 

Durchschnittliche Wartezeiten in Minuten

Gesamt

Allgemein.

HNO

Orthopäd.

Chirurgen

Frauenärzte

Kinderärzte

26,1

22,4

29,5

39,1

24,1

18,3

26,7

 

Bei einer durchschnittlichen knapp halbstündigen Wartezeit und dem genannten Extremwert von 5 Stunden ist auf den ersten Blick allerdings der Umstand erstaunlich, dass lediglich 17,3% der Befragten die Wartezeiten ausdrücklich als lang, dagegen aber 54,7% als angemessen eingestuft haben. Man sollte dies nicht als ein „Weiter so, es ist alles in Ordnung“ missinterpretieren. Wie schon mehrmals erwähnt, findet sich in allen quantitativen Befragungen eine ausgeprägte Abstinenz der Äußerung kritischer Urteile - auch bei vorhandener Unzufriedenheit. Unterschiedlich ausgeprägt sind hier lediglich die Schwellenwerte, bei denen latente Unzufriedenheit in manifeste Kritik und dann unter Umständen auch in entsprechende Konsequenzen umschlägt. Bei den Wartezeiten liegt es auf der Hand, dass diese Schwellenwerte mit der Dauer der Wartezeiten zusammenhängen. Je länger Patienten warten müssen, um so eher stufen sie Wartezeiten als lang ein und sind ab einem bestimmten Punkt dann auch verärgert. Insgesamt sind es den auch die Wartezeiten, mit denen die Patienten insgesamt am wenigsten zufrieden sind. Nur 26,5% haben hier angegeben, sehr zufrieden zu sein (zum Vergleich: mit dem jeweiligen Arzt waren rund 70% sehr zufrieden), fast genauso viele, nämlich 22,8% sind weniger zufrieden oder unzufrieden.

 

Hier hat das Praxispersonal natürlich die Möglichkeit, steuernd einzugreifen, wobei die einfachste Variante die ist, bereits bei der Anmeldung auf längere Wartezeiten hinzuweisen und im Idealfall auch die ungefähre Dauer anzugeben, so dass Patienten vielleicht noch Besorgungen erledigen können. Dies sollte bei einiger Erfahrungen mit durchschnittlichen Behandlungszeiten möglich sein. Leider wird diese Form des Service nur von einer Minderheit praktiziert. Lediglich 45% der Patienten, die länger als 30 Minuten warten mußten, wurden bei der Anmeldung auf längere Wartezeiten hingewiesen. Dabei wirkt sich ein entsprechender Hinweis durchaus positiv auf die Einschätzung der Wartezeit aus. Rund 40% der Patienten, die von den Helferinnen nicht auf längere Wartezeiten hingewiesen wurden und mehr als 30 Minuten warten mußten, beurteilten ihre Wartezeit als lang. Dagegen waren nur rund 30% der Patienten mit entsprechenden Hinweisen der Meinung, dass sie lange warten mußten. Bei der Zufriedenheit mit der Wartezeit zeigen sich ähnliche Differenzierungen. 50% der Patienten, die nicht über lange Wartezeiten informiert wurden, sind mit den Wartezeiten weniger zufrieden oder unzufrieden, in der Vergleichsgruppe sind dies dagegen nur rund 42%.

 

Ein weiteres Problem im Zusammenhang mit Wartezeiten ist die häufiger zu hörende Meinung, dass diese abhängig vom Versichertenstatus sind und dass Privatpatienten bevorzugt behandelt würden. Auch von den befragten Patienten war rund ein Viertel der Patienten der Meinung (24,3%), dass Privatpatienten in der Praxis bevorzugt würden. Bei den Wartezeiten trifft dies allerdings nicht zu – mit einer Ausnahme, auf die wir gleich noch eingehen werden. Denn unabhängig vom Versichertenstatus bewegen sich die durchschnittlichen Wartezeiten bei rund 25 Minuten. Zwischen Versicherten bei der AOK und privatversicherten Patienten gibt es keine signifikanten Unterschiede, lediglich Versicherte bei Ersatzkassen mussten durchschnittlich etwas länger warten. Insgesamt betragen die Abweichungen aber maximal 5 Minuten.

 

Unterschiede gibt es allerdings zwischen einzelnen Arztgruppen. Auffällig ist vor allem, dass Wartezeiten bei Orthopäden entgegen dem Trend im Gesamtdatensatz offenkundig deutlich vom Versichertenstatus abhängig sind. Die oben schon erwähnten merklich höheren durchschnittlichen Wartezeiten in orthopädischen Praxen betreffen ausschließlich Patienten der AOK und insbesondere von Ersatzkassen, privatversicherte Patienten haben hier wesentlich kürzere Wartezeiten. Bei HNO-Ärzten, Gynäkologen und insbesondere bei Pädiatern haben AOK-Versicherte die kürzesten Wartezeiten. Insgesamt gesehen kann mithin von einer systematischen Bevorzugung von Privatpatienten durch kürzere Wartezeiten keine Rede sein.

 

Durchschnittliche Wartezeiten in Minuten nach Arztgruppen und Versichertenstatus

 

Gesamt

Allgemein.

HNO

Orthopäd.

Chirurgen

Frauenärzte

Kinderärzte

AOK

24,0

22,6

26,8

36,4

25,9

15,3

20,4

Ersatzkasse (DAK, BEK, BKK usw)

27,4

23,0

30,2

44,0

24,0

19,4

28,5

Private Krankenver.

22,5

18,4

31,9

19,7

22,9

16,1

27,3

 

Zudem muss man hier auch bedenken, dass Patienten Anspruch auf eine optimale medizinische Versorgung, aber nicht auf kurze Wartezeiten haben. Die Gestaltung der Wartezeiten obliegt den jeweiligen Praxen. Es ist allerdings eine ganz andere Frage, ob Ärzte wirklich gut beraten sind, wenn sie privatversicherte Patienten bei den Wartezeiten systematisch bevorzugen, weil dies die Gefahr impliziert, die übrigen Patienten nachhaltig zu verärgern. Dies wiederum dürfte sich mittelfristig auf das Vertrauensverhältnis zwischen dem Arzt und seinen nicht privatversicherten Patienten eher negativ auswirken und in der Folge unter Umständen auch den Ruf der Praxis beschädigen.

 

3.9.2 Behandlungszeiten

 

Eine tatsächliche Bevorzugung von Privatpatienten, die darüber hinaus auch rechtlich möglicherweise hochproblematisch ist, läge dann vor, wenn diese im Durchschnitt längere Behandlungszeiten hätten, die sich bei dem hier geltenden anderen Abrechnungssystem auch für den behandelnden Arzt finanziell vorteilhaft auswirken könnten. Behandlungszeiten sind bei sach- und fachgerechter medizinischer Betreuung nicht abhängig vom Status des Versicherten, sondern von seinen Beschwerden, denn diese bestimmen den Aufwand für Anamnese, Diagnostik und Therapie.

 

Folgende Tabelle informiert über die durchschnittlichen Behandlungszeiten insgesamt und für die einzelnen Facharztgruppen. Auffällig ist wiederum, dass es im Mittel wenig Unterschiede zwischen den Facharztgruppen gibt. Die durchschnittliche Behandlungszeit insgesamt beträgt rund 10 Minuten, HNO-Ärzte unter-, Gynäkologen überschreiten diesen Wert merklich, die Unterschiede zwischen den übrigen Facharztgruppen sind zu vernachlässigen. Dass Gynäkolgen im Mittel längere Behandlungszeiten benötigen, lässt sich durch die Art ihrer ärztlichen Tätigkeit, die besonders sensible und unter Umständen auch tabuisierte Bereiche abdeckt, leicht erklären. Hinzu kommt, dass auch sogenannte Routine-Untersuchungen bei Gynäkolgen für die Patientinnen mit unter Umständen erheblichen Stress verbunden sind, da es sich im Regelfall um Krebsfrüherkennungsuntersuchungen handelt, die erstens besonders große Sorgfalt erfordern und zweitens auch bei den von allen beteiligten erhofften Ausschlußdiagnosen ein behutsameres Vorgehen erfordern als ein Rachenabstrich. Eben dies ist die Domäne von HNO-Ärzten, die im Regelfall mit für den Patienten lästigen, aber nicht existentiell bedrohlichen Atemwegserkrankungen konfrontiert werden. Anamnese und Diagnostik können hier bei grassierenden bakteriell oder viral bedingten Erkrankungen deutlich kürzer ausfallen, Patienten müssen sich im Regelfall nicht ausziehen, da sich die Untersuchung auf den Kopf beschränkt. Um nicht missverstanden zu werden: Das bedeutet gerade nicht, dass HNO-Ärzte oberflächlich untersuchen würden, sondern vielmehr, dass sie – wie auch die Gynäkologen – ihre Ressourcen effizient nutzen. Denn eben diese Differenzierungen der Behandlungszeiten zwischen den beiden Facharztgruppen würde man erwarten, bedenklich wären gänzlich andere durchschnittliche Behandlungszeiten.

 

Durchschnittliche Behandlungszeiten in Minuten

Gesamt

Allgemein.

HNO

Orthopäd.

Chirurgen

Frauenärzte

Kinderärzte

9,9

10,4

8,3

9,4

9,5

12,0

9,8

 

Innerhalb der einzelnen Facharztgruppen gibt es – anders als bei den Wartezeiten – keine nennenswerten Abweichungen der durchschnittlichen Behandlungszeiten von Patienten mit unterschiedlichem Versichertenstatus von der durchschnittlichen Behandlungszeit insgesamt. Der Versichertenstatus hat damit keinen Einfluß auf die Behandlungszeiten, hier kann also von einer Bevorzugung von Privatpatienten keine Rede sein.

 

 

Durchschnittliche Behandlungszeiten in Minuten nach Arztgruppen und Versichertenstatus

 

Gesamt

Allgemein.

HNO

Orthopäd.

Chirurgen

Frauenärzte

Kinderärzte

AOK

10,2

10,4

8,3

9,6

10,6

12,8

10,4

Ersatzkasse (DAK, BEK, BKK usw)

9,7

10,4

8,2

9,2

8,8

11,7

9,5

Private Krankenv.

10,3

10,9

8,4

10,3

10,1

12,0

10,5

 

Lediglich das Alter als Indikator für Multimorbidität hat einen Einfluss auf die Behandlungsdauer. Die durchschnittliche Behandlungszeit von Patienten über 60 Jahre ist signifikant länger als die jüngerer Patienten.

 

Durchschnittliche Behandlungszeiten in Minuten nach Altersklassen

Unter 18

8,8

18 – 30

9,7

30 – 40

9,8

40 – 50

9,7

50 – 60

10,2

Über 60

10,6

 

Auch wenn Privatpatienten bei der Behandlung gar nicht und bei den Wartezeiten lediglich in orthopädischen Praxen bevorzugt behandelt werden, so glaubt insgesamt nur eine Minderheit der Befragten, dass Privatpatienten nicht bevorzugt behandelt werden. Nahezu genau so viele sind der dezidierten Auffassung, dass es eine solche Bevorzugung gibt und rund 47% wollten sich zu dieser Frage nicht äußern. Hier muss man berücksichtigen, dass es bei Befragungen generell eine Tendenz zur Meidung von explizit kritischen Positionen und Unzufriedenheitsäußerungen gibt und tendenziell eher unzufriedene Befragte häufig neutrale Fluchtkategorien wählen – in diesem Fall die Antwortvorgabe „kann ich nicht beurteilen“. Dass für den Eindruck, Privatpatienten würden bevorzugt behandelt, primär unterschiedliche Wartezeiten (und möglicherweise auch spezielle Wartezimmer für Privatpatienten und eine andere Behandlung an der Anmeldung) ursächlich sind, zeigt der hohe Anteil von Patienten in orthopädischen Praxen, die diesen Standpunkt vertreten.

 

Die Tabelle zeigt damit deutlich, dass die Ärzteschaft insgesamt hier ein gewisses Image- und Kommunikationsproblem hat. Privatpatienten werden faktisch nicht bevorzugt behandelt – zumindest nicht bei den Behandlungszeiten und in den weitaus meisten Praxen auch nicht bei den Wartezeiten, aber viele Patienten glauben genau dies. Ob bei der Versichertenstatus bei der Anmeldung eine unterschiedliche Behandlung zur Konsequenz hat, kann auf der Basis des vorliegenden Materials nicht beantwortet werden, sondern muss in den jeweiligen Praxen geklärt werden.

 

Bevorzugung von Privatpatienten (Angaben in Prozent)[14]

Bevorzugung?

Gesamt

Allgemein.

HNO

Orthopäd.

Chirurgen

Frauenärzte

Nein

29,2

41,8

19,8

16,0

23,3

26,0

Ja

24,3

16,7

31,3

34,8

30,1

17,4

Kann ich nicht beurteilen

46,5

41,5

48,9

49,2

46,6

56,6

 

3.9.3 Terminvereinbarungen

 

63,2% der Patienten haben für den Besuch in der Praxis einen Termin vereinbart, 36,8% sind ohne Termin erschienen. Deutliche Differenzierungen zeigen sich allerdings zwischen den verschiedenen Facharztgruppen. Über 80% der Patienten in orthopädischen und gynäkologischen Praxen haben Termine vereinbart, dagegen nur 43% der Befragten in hausärztlichen Praxen.

 

Terminvereinbarung (Angaben in Prozent)

Gesamt

Allgemein.

HNO

Orthopäd.

Chirurgen

Frauenärzte

Kinderärzte

63,2

43,1

70,5

81,0

67,0

84,4

67,8

 

Die weitaus meisten Befragten haben Termine mittel- oder längerfristig vereinbart, lediglich ein Viertel hat sich einen Termin erst am Behandlungstag geben lassen. Wiederum zeigen sich dabei Unterschiede zwischen den Facharztgruppen. Generell gilt: Je höher der Anteil von Patienten mit akuten und plötzlich auftretenden Beschwerden ist – und dies ist insbesondere bei Allgemeinmedizinern und Kinderärzten der Fall - um so häufiger erscheinen Patienten ohne Termin oder vereinbaren Termine sehr kurzfristig.

 

Zeitpunkt der Terminvereinbarung (Angaben in Prozent)

Termin?

Gesamt

Allgemein.

HNO

Orthopäd.

Chirurgen

Frauenärzte

Kinderärzte

Heute

23,4

36,9

18,5

12,0

16,4

16,7

30,3

Letzte Woche

42,1

44,8

43,4

40,8

67,7

32,9

27,7

Länger-fristig

34,6

18,3

38,1

47,2

15,9

50,5

42,4

 

Eine vorherige Terminvereinbarung hat einen deutlichen Effekt auf die Dauer der durchschnittlichen Wartezeiten, Patienten mit Termin haben 23 Minuten warten müssen, Patienten ohne Termin 31,7. Erstaunlich ist dabei die Tatsache, dass auch in Praxen, in denen nahezu alle Patienten Termine vereinbart haben, vergleichsweise lange Wartezeiten in Kauf genommen werden müssen. Dies deutet daraufhin, dass das Terminmanagement hier noch optimierungsfähig ist. So mussten Patienten mit Termin in orthopädischen Praxen im Durchschnitt immer noch über eine halbe Stunde warten, bis sie an die Reihe kamen. Die Wartezeit mit Termin bei Orthopäden liegt damit deutlich über der Wartezeit von Patienten ohne Termin in hausärztlichen Praxen, die einen sehr viel höheren Anteil von Akut-Patienten zu bewältigen haben. Erstaunlich ist auch, dass Patientinnen mit Termin in gynäkologischen Praxen durchschnittlich sogar länger warten mußten als Befragte ohne Termin.

 

Durchschnittliche Wartezeiten in Minuten und Terminvereinbarung

Termin?

Gesamt

Allgemein.

HNO

Orthopäd.

Chirurgen

Frauenärzte

Kinderärzte

Ja

23,0

19,8

26,6

32,0

21,1

18,5

20,7

Nein

31,7

24,5

36,1

74,6

30,2

16,4

39,1

 

Dagegen hat die Frage, wann ein Termin vereinbart wurde, nur bei HNO-Ärzten einen deutlichen Einfluss auf die Wartezeit. Patienten, die sich erst am Behandlungstag um einen Termin bemüht hatten, mußten rund 39 Minuten warten, Patienten mit längerfristig vereinbarten Terminen dagegen nur rund 25 Minuten.

 

 

 

 

3.10 Verweigerung von Behandlungen

 

Vor dem Hintergrund von Medikamenten- und Praxisbudgets ist die Frage nach der Verweigerung bestimmter Behandlungsmethoden aktuell ein besonders heikles Thema. Unstrittig sollen Patienten die bestmögliche medizinische Versorgung erhalten, um – soweit dies möglich ist – gesundheitliche Schäden und Beeinträchtigungen zu heilen. Was hier angebracht und notwendig ist, liegt im Ermessen des behandelnden Arztes und es kann durchaus vorkommen, dass Patienten hier andere Vorstellungen haben als ihre Ärzte. Verweigerungen bestimmter Behandlungen, von denen Patienten berichten, sind deshalb für sich genommen kein Indikator für eine Bevorzugung bestimmter Patienten oder das Praktizieren von Zwei-Klassen-Medizin, sondern können medizinisch und ökonomisch sogar geboten sein – etwa wenn Patienten mit einer Virusinfektion ohne bakterielle Begleiterkrankung ein Antibiotikum fordern. Mitunter können aber auch Budgetrestriktionen zum Aufschieben oder zur völligen Verweigerung von Behandlungen führen und zwar dann, wenn extern vorgegebene Budgets ausgeschöpft sind. Verordnen Ärzte gleichwohl weitere Behandlungen oder Medikamente, müssen sie damit rechnen, regresspflichtig gemacht zu werden. Über den Sinn oder Unsinn dieser Form der Steuerung von Ressourcen soll an dieser Stelle nicht diskutiert werden, wir weisen nur auf die zu erwartenden und auch beobachtbaren Konsequenzen der kollektiven Haftung für ein „Zuviel“ an Verordnungen hin – wobei sich die Kategorisierung „zuviel“ an ökonomischen und weniger an medizinischen Kriterien orientiert. Insgesamt 20,4% der befragten Patienten haben angegeben, dass Ärzte mit Verweis auf die Einsparungen im Gesundheitswesen bestimmte Behandlungen bei ihnen nicht durchgeführt haben (zum Vergleich: 18% der Befragten des Gesundheitssurvey 2001 wurden mit der Verweigerug bestimmter Behandlungen konfrontiert). Um es zu wiederholen: Dies sagt noch nichts darüber aus, ob die nicht die durchgeführte Behandlung medizinisch notwendig war oder nicht, aber die derzeitige Praxis impliziert Tendenzen zu einer Rationierung bei gesetzlich krankenversicherten Personen. Denn bei dieser Frage gibt es deutliche Unterschiede zwischen gesetzlich krankenversicherten und privatversicherten Patienten. Letztere berichten so gut wie nie über entsprechende Erfahrungen. Hier spielen natürlich die unterschiedlichen Abrechnungssysteme eine wesentliche Rolle. Zunächst einmal gilt, dass Privatpatienten ihre Rechnung selbst begleichen und dann von ihrer Versicherung oder der Beihilfe eine Kostenerstattung beantragen. Bei nicht versicherten Leistungen tragen sie die Kosten selbst, Budgetrestriktionen wie bei gesetzlich krankenversicherten Patienten gibt es hier nicht. Gleichwohl sollten auch Privatpatienten natürlich darüber informiert werden, welche ärztlichen Leistungen refinanziert werden und welche nicht – sofern die behandelnden Ärzte darüber informiert sind. Damit sind wir bei dem zweiten Aspekt: Die Leistungskataloge privater Krankenversicherer sind vielfältiger als die der gesetzlichen Krankenkassen, da Patienten hier mehr Wahlmöglichkeiten bei – natürlich kostenpflichtigen – Zusatzmodulen haben. Dass Privatpatienten seltener mit einer Verweigerung von Behandlungen konfrontiert worden sind, bedeutet deshalb nicht zwingend, dass diese bevorzugt behandelt werden. Ärzte müssen sich bei dieser Patientengruppe allerdings nicht unbedingt mit Leistungskatalogen von Versicherungen auseinandersetzen, da ihr Kunde und Vertragspartner der jeweilige Patient ist.

 

Budgetrestriktionen: Verweigerung von Behandlungen (Angaben in Prozent)

Gesamt

AOK

Ersatzkasse

Private Krankenv.

20,4

20,4

22,9

4,8

 

Ansonsten bieten die vorliegenden Daten wenig Anhaltspunkte dafür, dass der Patientenwille einen steuernden Einfluss auf die Verordnungspraxis hat. Wenn man unterstellt, dass Patienten, denen die Verschreibung von Medikamenten wichtig ist (Frage 28), dies im Zweifel auch anmahnen und die Patienten, die Medikamente am Tag der Befragung erst auf ausdrückliche Anfrage hin bekommen haben (Frage 4 aus Teil 2 des Fragebogens) hinsichtlich ihrer Erfahrungen im Hinblick auf budgetbedingte Behandlungsverweigerungen genauer analysiert, dann stellt man fest, dass es hier überhaupt keine Unterschiede gibt. Unabhängig davon, ob den Befragten die Verschreibung von Medikamenten wichtig, weniger wichtig oder unwichtig ist und unabhängig davon ob der Arzt Medikamente von sich aus oder erst auf Anfrage verschrieben hat, haben jeweils rund 20% schon entsprechende Erfahrungen der Verweigerung von Behandlungen gemacht.

 

3.11 Arzt-Patienten-Kommunikation

 

Die gelungene Kommunikation zwischen Arzt und Patient ist die entscheidende Einflußgröße für das Vertrauen, dass Patienten für ihren Arzt entwickeln. Ob die Kommunikation gelungen ist, hängt vom Urteil der Patienten ab. Es genügt nicht, dass Ärzte sich um verständliche Erklärungen bemühen und glauben, auf ihre Patienten einzugehen. Erst wenn diese auch das Gefühl haben, dass ihre Ärzte dies tun, sind die affektiv-emotionalen Voraussetzungen für gelungene Kommunikation geschaffen worden. Damit ist allerdings immer noch nicht geklärt, ob Patienten die ihnen mitgeteilte Diagnose und die Therapieempfehlungen wirklich so verstanden haben, wie dies vom Arzt intendiert war, aber diesen eher kognitiven Aspekt gelungener Kommunikation können wir mit dem vorliegenden Material nicht näher analysieren.

 

Die vorliegenden Daten zeigen aber, dass die affektiv-emotionale Kommunikation zwischen Arzt und Patienten sehr gut funktioniert. Mit sehr großer Mehrheit sind die befragten Patienten der Meinung, dass ihre Ärzte sie ausführlich zu Wort kommen lassen und aufmerksam zuhören, sich auf die Patienten einstellen konnten und Autorität und Kompetenz ausstrahlen.

 

Kompetenzen des Arztes (Angaben in Prozent)

Haben Sie den Eindruck, dass ihr Arzt:

ja

nein

kann ich nicht beurteilen

Sie ausführlich zu Wort kommen läßt und aufmerksam zuhört

95,6

1,9

2,5

Sich auf Sie einstellen konnte

92,2

1,8

6,0

Autorität und Kompetenz ausstrahlt

90,3

1,6

8,0

Mut machen kann und Ihnen auch tröstend zur Seite steht

73,2

2,9

23,9

Anteilnahme zeigt

72,5

3,2

24,3

 

Rund drei Viertel der Befragten bescheinigen ihren Ärzten außerdem die Fähigkeit zu trösten, Mut zu machen und Anteilnahme zu zeigen. Mit anderen Worten: Dass, was die Patienten mit großer Mehrheit von einem guten Arzt erwarten (vgl. Abschnitt „Erwartungen an den Arzt“), wird nach Meinung nahezu aller befragten Personen in der jeweiligen Praxis auch erfüllt. Denn die Anteile der Patienten, die sich hier enttäuscht und kritisch äußern, sind extrem klein. Häufiger wurde dagegen die Kategorie „kann ich nicht beurteilen“ angekreuzt. Allerdings – und dieser Aspekt ist hier wichtig – zeigen sich bei der Wahl dieser Ankreuzmöglichkeit erwartbare Unterschiede, die dafür sprechen, dass die Kategorie „kann ich nicht beurteilen“ nicht als Fluchtkategorie für versteckte Kritik genutzt wurde. Denn die Fähigkeit zu trösten oder Anteil zu nehmen, ist bei Bagatellerkrankungen oder Routineuntersuchungen nicht unbedingt erforderlich und auch Personen, die noch nicht lange Patient in der Praxis sind, können entsprechende Fähigkeiten des Arztes nicht unbedingt einschätzen. Kurz: Anteilnahme ist nicht bei jedem Patienten erforderlich, die Fähigkeit, zuzuhören, dagegen schon. Entsprechend dieser Überlegungen spielt gerade bei der Beurteilung der beiden letzten Kompetenzen in der obigen Tabelle das Alter der Befragten – als Indikator für Multimorbidität und langjährige Praxisbindung - eine wichtige Rolle. Denn der Anteil der Befragten, die sich außerstande sieht, die Fähigkeit zur Anteilnahme oder zum Trösten zu beurteilen, sinkt kontinuierlich von rund 40% in der jüngsten auf rund 11% in der höchsten Altersklasse.

 

Trotz dieser insgesamt sehr guten Beurteilung sollten aber auch die (wenigen) kritischen Stimmen ernst genommen werden. Allerdings muß dies auf der Ebene der jeweiligen Praxis geschehen, wobei hier verschiedene Aspekte zu berücksichtigen sind. Erstens dürfte auch bei Ärzten die jeweilige Tagesform nicht immer gleich sein und manchmal kann sich das auch auf die Arzt-Patienten-Interaktion auswirken. Dies gilt umgekehrt natürlich auch für Patienten. Zweitens kann es vorkommen, dass Arzt und Patient keine gemeinsame Ebene finden und ein funktionierendes Vertrauensverhältnis nicht aufgebaut werden kann. Schließlich gibt es hin und wieder auch schwierige Patienten, die generell nur schwer zufrieden zu stellen sind.

 

Ein weiterer Aspekt der Arzt-Patienten-Kommunikation besteht in der Aufklärung über verschriebene Medikamente. Von den Patienten, denen der Arzt Medikamente verschrieben hat, fühlen sich 95,8% von ihrem Arzt ausreichend über das Medikament informiert, 4,2% nicht. Auch in diesem Fall scheint mithin die Arzt-Patienten-Kommunikation gut zu funktionieren. Anzumerken bleibt allerdings, dass die Patienten, denen die Erklärungen nicht ausgereicht haben, sich entsprechende Informationen wünschen. Natürlich könnten sie im Einzelfall nachfragen, perzipierter Zeitdruck oder vielleicht auch die Angst, sich zu blamieren sind allerdings nicht zu unterschätzende Hemmnisse. Man kann hier nur empfehlen, was ausweislich der Daten in den meisten Fällen ohnehin praktiziert wird, nämlich die Patienten ungefragt ausführlich über Diagnose und Therapie zu informieren.

 

3.12 Patientenzufriedenheit

 

Am Ende der Befragung hatten die Patienten die Gelegenheit, generelle Zufriedenheitsurteile zu verschiedenen Aspekten des Besuchs in der jeweiligen Praxis abzugeben. Um es hier nochmals zu wiederholen: Man muß bei der Interpretation der Anteilswerte in den verschiedenen Kategorien bedenken, dass es bei Zufriedenheitsurteilen in quantitativen Befragungen eine recht ausgeprägte Tendenz zur Meidung von negativen Urteilen gibt (man kann dies durchaus mit der Formelsprache in dienstlichen Beurteilungen und Arbeitszeugnissen vergleichen, wo lediglich die Formulierung „zu unserer vollsten Zufriedenheit“ bedeutet, dass es keinen Anlaß zu Kritik gab, während die Aussage „zu unserer vollen Zufriedenheit“ bereits eine kritische Wertung impliziert). Für die vorliegende Befragung bedeutet dies, dass Patienten, die die Kategorie „sehr zufrieden“ angekreuzt haben, dies auch tatsächlich sind. Insbesondere die Ärzte selbst können mithin ihrerseits mit dem Befragungsergebnis sehr zufrieden sein, denn rund 70% der befragten Patienten haben ein eindeutig positives Votum abgegeben. Interpretationsfähiger ist dagegen die Kategorie „zufrieden“. Zufriedenheit ist steigerungsfähig, einfach nur „zufriedene“ Patienten sind nicht „sehr zufrieden“ und sehen mithin möglicherweise durchaus Verbesserungsbedarf. Besonders auffällig ist dies – wie schon erwähnt – bei den Wartezeiten, wo 22% sich ausdrücklich weniger zufrieden oder unzufrieden geäußert haben. Auch bei der Praxiseinrichtung und –ausstattung sehen Patienten Verbesserungsmöglichkeiten.

 

Zufriedenheit (Angaben in Prozent)

Alles in allem: Wie zufrieden sind Sie mit:

sehr zufrieden

zufrieden

weniger zufrieden

unzufrieden

Ihrem Arzt?

69,4

29,4

0,9

0,3

Der Behandlung?

61,4

36,8

1,6

0,1

Den Arzthelferinnen?

60,0

37,8

2,0

0,2

Der Sauberkeit und Hygiene in der Praxis?

59,4

39,8

0,7

0,1

Der Praxiseinrichtung und - ausstattung

38,5

58,2

3,1

0,2

Den Wartezeiten

26,5

50,6

16,7

6,1

 

Würde man die Codezahlen von 1 bis 4 für die Kategorien „sehr zufrieden“ bis „unzufrieden“ als Schulnoten interpretieren (wobei die Kategorien „weniger zufrieden“ und „unzufrieden“ dann sinnvollerweise mit 4 und 5 zu werten sind) ergeben sich folgende Durchschnittsnoten:

 

Durchschnittsnoten:

Arzt:                            1,3

Behandlung:                 1,4

Arzthelferinnen:            1,4

Sauberkeit/Hygiene:     1,4

Praxiseinrichtung:         1,7

Wartezeiten:                 2,3

 

Alter, Bildungsstatus und Geschlecht haben keinen nennenswerten Einfluß auf diese Zufriedenheitsurteile, aber es gibt deutliche Unterschiede zwischen den Facharztgruppen. Hinsichtlich des Anteils sehr zufriedener Patienten liegen die gynäkologischen Praxen, die sich an der Untersuchung beteiligt haben, eindeutig an der Spitze. Man mag hier einwenden, dass diese Gruppen mit nur drei Praxen sehr klein und die Datenbasis damit vergleichsweise homogen ist, weil schon eine sehr gut gehende Praxis hier großes Gewicht hat. Dieser Einwand ist natürlich berechtigt, zugleich wird an einem solchen Fall aber deutlich, welche Aspekte (unter anderem) zur Steigerung der Zufriedenheit bei Patienten betragen, nämlich ein effektives und effizientes Praxis- und Terminmanagement. Dass die Kompetenzen des Arztes allein nicht ausreichend sind, zeigen die im Vergleich dazu niedrigeren Zufriedenheitswerte in orthopädischen und HNO-Praxen. Denn bei der Beurteilung der im Abschnitt „Arzt-Patienten-Kommunikation“ diskutierten ärztlichen Qualifikationen bestehen keine nennenswerten Unterschiede zwischen den Patienten der verschiedenen Facharztgruppen.

 

Anteil sehr zufriedener Patienten nach Facharztgruppen (Angaben in Prozent), in Klammern: „Durchschnittsnoten“

Es sind sehr zufrieden mit:

Allgemein.

HNO

Orthopäd.

Chirurgen

Frauenärzte

Kinderärzte

Ihrem Arzt

74,5 (1,3)

56,2 (1,5)

54,8 (1,5)

65,2 (1,4)

81,5 (1,2)

76,3 (1,2)

Der Behandlung

66,3 (1,4)

46,0 (1,6)

44,6 (1,6)

55,9 (1,5)

73,5 (1,3)

72,0 (1,3)

Den Arzthelferin.

67,1 ((1,4)

42,5 (1,6)

48,8 (1,6)

56,9 (1,5)

69,3 (1,4)

64,9 (1,4)

Der Sauberkeit

65,1 (1,4)

47,2 (1,5)

49,6 (1,5)

57,9 (1,5)

78,7 (1,2)

56,7 (1,5)

Der Einrichtung

39,4 (1,7)

31,3 (1,8)

35,1 (1,7)

38,2 (1,7)

54,8 (1,5)

36,8 (1,7)

Den Wartezeiten

29,8 (2,1)

15,6 (2,5)

19,6 (2,5)

28,4 (2,2)

40,8 (1,8)

25,4 (2,4)

 

Die Dauer der Wartezeit ist also eine nicht zu vernachlässigende Determinante der Patientenzufriedenheit und beeinflußt merklich die Zufriedenheit mit allen erfragten Aspekten des Praxisbesuchs. Patienten, die länger als 30 Minuten warten mußten, sind stets zu einem geringeren Anteil „sehr zufrieden“ mit ihrem Arzt, der Behandlung, den Arzthelferinnen usw. als Patienten mit kürzeren Wartezeiten. Man wird davon ausgehen können, dass die Art und Weise, wie Patienten bei der Anmeldung empfangen und behandelt werden, sich in ähnlicher Weise auf die Zufriedenheit insgesamt auswirken.

 

Anteil sehr zufriedener Patienten nach Wartezeiten (Angaben in Prozent)

Es sind sehr zufrieden mit:

keine Wartezeit

bis 30 Minuten

über 30 Minuten

Ihrem Arzt

78,8

70,1

65,1

Der Behandlung

73,0

63,1

54,8

Den Arzthelferinnen

77,9

62,0

50,8

Der Sauberkeit

72,8

62,0

50,7

Der Einrichtung

57,8

40,1

29,4

Den Wartezeiten

59,2

30,6

8,8

 

Faßt man diese Ergebnisse zusammen, so bedeutet dies: Mit den fachlichen und menschlichen Kompetenzen ihrer Ärzte sind die weitaus meisten Patienten ausgesprochen zufrieden, hier gibt es kaum Anlaß zu Kritik und Verbesserungsvorschlägen - und bei der abschließenden Frage nach Anmerkungen, Kritik oder Verbesserungsvorschlägen wurde dazu von Seiten der Patienten auch kaum etwas angemerkt, höchstens das positive Votum „Weiter so“. Problematischer sind dagegen Aspekte der Praxisorganisation, des Terminmanagements und der Wartezeiten. Allerdings lassen sich für diese Problembereiche nur sehr wenige allgemeingültige Empfehlungen formulieren (vgl. dazu den folgenden Abschnitt), hier bedarf es vielmehr praxisspezifischer Problemanalysen und Lösungsvorschläge.

 

4. Fazit und Schlußfolgerungen

 

Genereller Tenor der Untersuchung ist: Mit den Kompetenzen der von ihnen gewählten Ärzte sind die befragten Patienten sehr zufrieden. Sie legen Wert auf eine funktionierende Arzt-Patientenkommunikation, ein gutes Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient und auf sprechende Medizin. Wir zitieren hier nochmals aus dem Bericht „Patientenbefragung zur Zufriedenheit mit der gesundheitlichen Versorgung“, der sich allerdings – wie schon erwähnt – ausschließlich auf den stationären Bereich bezieht. Der Bericht schließt mit dem Fazit: „Insgesamt betrachtet zeigt sich der größte Handlungsbedarf bei der Information und Aufklärung der Patienten. Es fällt auf, das insbesondere Fragen zu diesem Thema schwache Bewertungen von den Patienten erhalten. Sehr deutlich wird dieses Defizit bei allen Fragen zur „Hilfestellung im Umgang mit der Krankheit“. Jeder fünfte Patient beurteilt die Aufklärung über die körperliche Belastbarkeit nach der Entlassung oder über wichtige Warnsignale der Krankheit ebenso wie die Information über Medikamente und deren Einnahme ... als „mittelmäßig“ oder „schlecht“. Da gleichzeitig nahezu ein Viertel der Patienten die Möglichkeit zu ungestörten Gesprächen mit den Ärzten ebenfalls nicht gut bewertet, kann hier ein deutlicher Hinweis auf Defizite gesehen werden. (...) Es ist daher absehbar, dass die Bedeutung von Aufklärung und Information und Beratung bei der gesundheitlichen Versorgung in Zukunft weiter zunehmen wird. Die Konsequenz sollte sein, die Angebote schon heute auf die Bedürfnisse der Patienten von morgen auszurichten und diese Entwicklung aktiv und mit neuen Ideen zu gestalten.“ (S. 26/27)

 

Diese Patientenbedürfnisse werden von den an der Untersuchung beteiligten Ärztinnen und Ärzten nach Meinung ihrer Patienten sehr gut erfüllt, der niedergelassenen Bereich verfügt hier über Ressourcen und Kompetenzen, die im stationären Sektor – wenn überhaupt – nur mit sehr viel größerem Aufwand realisiert werden können. Um zu wiederholen, was wir schon in dem Abschnitt „Erwartungen an den Arzt“ formuliert haben: Eine Verlagerung der fachärztlichen ambulanten Versorgung in Krankenhausambulanzen oder polyklinikartige Praxisverbünde mit arbeitszeitbedingt häufiger wechselndem medizinischen Personal geht eindeutig an den Wünschen und Erwartungen der Patienten vorbei. Die vorliegenden Daten zeigen eine klare Bindung an bestimmte Haus- wie an Fachärzte, die die Krankengeschichte ihrer Patienten genau kennen, ihren Patienten aufmerksam zuhören und ihnen gegebenenfalls auch tröstend zur Seite stehen können. Kurz: Die befragten Patienten haben den medizinisch-fachlichen wie auch den menschlichen Kompetenzen ihrer Ärzte ein sehr gutes Urteil ausgestellt.

 

Kritik gibt es dagegen eher im Bereich der Praxisausstattung und – organisation. Für die jeweilige Praxis kaum zu ändern ist die im Einzelfall sicherlich nachvollziehbare Kritik wegen zu knappem Parkraum oder zu wenig Platz in der Praxis, so dass bei der Anmeldung, aber auch bei bestimmten Untersuchungen in Behandlungskabinen Anonymität nicht immer gewahrt wird. Was sich allerdings in jeder Praxis problemlos realisieren lassen müsste, ist es, zu verhindern, dass Daten anderer Patienten auf den Bildschirmen bei der Anmeldung einsehbar sind.

 

Ohne großen Aufwand dürfte –sofern nicht schon geschehen – die häufiger von Patienten geäußerte Anregung sein, alle Behandlungsräume und nicht nur das Wartezimmer eindeutig zu beschriften. Namensschilder für alle Mitarbeiterinnen tragen zu einer weniger anonymen Atmosphäre bei, weil man dann immer weiß, mit wem man es zu tun hat.

 

Ein großes und nach wie vor nicht zufriedenstellend gelöstes Problem sind die Wartezeiten. Nach Meinung der Patienten sind diese zu lang und zu lange Wartezeiten beeinflussen ab einem bestimmten Schwellenwert nachhaltig die Patientenzufriedenheit. Die Kombination langer Wartezeiten, beengter räumlicher Verhältnisse und einer schlechten Kommunikation zwischen Arzthelferin und Patient (d. h. Patienten werden nicht schon bei der Anmeldung über die ungefähre Länge der Wartezeit informiert) verschärfen das Problem, zumal Patienten künftig absehbar immer seltener geneigt sind, lange Wartezeiten klaglos hinzunehmen und der Titel „Patient“ zumindest in dieser Hinsicht nicht mehr angebracht ist. Gerade für Praxisorganisation und Terminmanagement gilt aber: Dies läßt sich nicht generell, sondern nur individuell regeln, die Funktion der vorliegenden Untersuchung in diesem Zusammenhang ist denn auch weniger die der Problemlösung als vielmehr die der Problemanalyse und der Aufdeckung von grundsätzlichen Defiziten. Die Lösung organisatorischer Probleme obliegt der jeweiligen Praxis, wobei eine externe praxisspezifische Beratung durchaus hilfreich sein kann.

 

Hinsichtlich des Beitrags, den der niedergelassene Bereich zur Epidemiologie und Prävention leisten kann, sind folgende Aspekte zu nennen:

 

Ganz generell wäre es begrüßenswert, wenn künftig alle Diagnosen nach ICD 10 verschlüsselt und an das zuständige Gesundheitsamt gemeldet werden würden, weil man so einen umfassenden Überblick über die ambulante Morbidität in einem bestimmten Bereich erhält. Der Impfstatus der Patienten sollte zumindest von den Allgemeinmedizinern routinemäßig kontrolliert werden, um Impflücken zu schließen. Besser wäre es aber, wenn alle Ärzte sich an dieser Aufgabe beteiligen könnten, da nach allen vorliegenden Daten Ärzte ganz generell die besten Mediatoren zur Optimierung von Durchimpfungsraten sind. Sinnvoll wäre auch eine verstärkte individuelle Aufklärung über den Sinn und die Funktion von Krebsfrüherkennungsuntersuchungen und Früherkennungsuntersuchungen bei Herz-Kreislaufkrankheiten (Check-Up 35), da hier – wie bei Impfungen – Ärzte die am besten geeigneten Multiplikatoren und Mediatoren zum Abbau durchaus vorhandener Ängste sind.

 

 


Literaturhinweise

Bergmann, K.E.; Mensink, G.B.M. (1999): Körpermaße und Übergewicht, in: Das Gesundheitswesen, Sonderheft 2, 61. Jahrgang, S. 115-120.

 

Celermajer, D. S.; Adams, M. S.; Clarkson, P.; Robinson, J.; McCredie, R.; Donald, A.; Deanfiled, J. E. (1996): Passive Smoking and Impaired Endothelium-Dependent Arterial Dilatation in Healthy Young Adults, in: New England Journal of Medicine, 334, S. 150.

 

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Hense, H. W. (1997): Passivrauchen begünstigt die KHK-Genese. Das Infarktrisiko ist durch häufige Rauchexposition erhöht, in: Fortschritte der Medizin, 115, S. 35-40.

 

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Jacob, R.; Michels, H. (Hrsg) (2001): Regionaler Gesundheitssurvey für Trier und Trier-Saarburg, Trier.

 

Mensink, C. B. (1999): Körperliche Aktivität, in: Das Gesundheitswesen, Sonderheft 2, 61, S. S126-S131.

 

Mensink, C. B.; Thamm, M.; Haas, K. (1999): Die Ernährung in Deutschland 1998, in: Das Gesundheitswesen, Sonderheft 2, 61, S. S200-S206.

 

Pietsch, M.; Martens, H. (1996): Epidemiologie des Impfschutzes in Deutschland: Tetanus, Diphtherie, Poliomyelitis, in: Mittermayer, H.; Pietsch, M. (Hrsg.): Impfmanagement, Schriesheim, S. 5-18.

 

Statistisches Bundesamt (Hrsg.) (1998): Gesundheitsbericht für Deutschland: Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Stuttgart.

 

Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz (Hrsg.) (1997): Sterbefälle nach Todesursachen im Jahre 1996, Bad Ems.

 

Thamm, M. (1999): Blutdruck in Deutschland – Zustandsbeschreibung und Trends, in: Das Gesundheitswesen, Sonderheft 2, 61. Jahrgang, S. 90-93.

 

Thefeld, W. (1999): Prävalenz des Diabetes mellitus in der erwachsenen Bevölkerung Deutschlands, in: Das Gesundheitswesen, Sonderheft 2, 61. Jahrgang, S. 85-89.

 

Thefeld, W. (2000): Verbreitung der Herz-Kreislauf-Risikofaktoren – Hypercholesterinämie, Übergewicht, Hypertonie und Rauchen in der Bevölkerung, in: Bundesgesundheitsblatt, 6.2000, S. 415-423.

 

Umweltbundesamt (Hrsg.) (1998): Luftverschmutzung und Lungenkrebsrisiko – Untersuchung zu Risikofaktoren des Bronchialkarzinoms, Berlin.

 

 


Anhang: Fragebögen, Praxischeckliste

 

 

 



[1]      vgl. Bergmann und Mensink 1999, S. 118.

[2]      siehe dazu den 1. Gesundheitsbericht für die Stadt Trier und den Landkreis Trier-Saarburg und die Ergebnisse des regionalen Gesundheitssurvey.

[3]      Diese schädigende Wirkung von Zigarettenrauch wurde von einem Kardiologen-Team der Hamburger Universitätsklinik nachgewiesen, vgl. dazu Spiegel Online 8/2000 (Wissenschaft).

[4]      vgl. Umweltbundesamt (Hrsg.) 1988.

[5]      Die Region unterscheidet sich damit nicht von dem europaweiten Trend. Viele KHK-Patienten rauchen weiterhin und behalten ihr Übergewicht bei, vgl. dazu die Ärzte-Zeitung vom 31.8. 2000.

[6]      vgl. dazu Celermajer u.a. 1996.

[7]      vgl. dazu Statistisches Bundesamt (Hrsg.) 1998, S. 86 ff.

[8]      Statistisches Bundesamt (Hrsg.) 1998, S. 88.

[9]      Statistisches Bundesamt (Hrsg.) 1998, S. 88.

[10]     Mensink, Thamm und Haas 1999, S. S205

[11]     vgl. dazu die Internet-Seite der Deutschen Gesellschaft für Ernährung:

        http://193.174.240.225/Pages/navigation/verbraucher_infos/infos.html

[12]     Statistisches Bundesamt (Hrsg.) 1998, S. 394.

[13]       Auf der gleichen Seite findet sich auch ein Patientenzitat aus der Untersuchung: „Mut und Zuversicht wären doch so wichtig“.

[14]       In Kinderarztpraxen wurde diese Frage nicht gestellt.