Interview ::: Peilomat

 

.:o:. "Alles geht, nichts muss. Alles kann. Wir haben freie Bahn."

Bitburg (saro). "Zeit für Peilomaten!" hat sich Sandy genommen und ein Interview mit Sebastian Wagner (24) aus Bitburg geführt, der mit seiner Band "Peilomat" am 21. November in Hamburg den Deutschen Rockpreis 2005 gewonnen hat.

Der vom Deutschen Rock- und Popmusikerverband organisierte Wettbewerb hat trotz einiger Kontroversen in der Vergangenheit nichts von seiner Attrakivität für Newcomer eingebüsst. Immerhin markierte der Contest für Bands wie Pur oder Juli den Startpunkt ihrer Karriere. So haben sich auch in diesem Jahr wieder 230 Bands und 100 Solisten aus ganz Deutschland in Kategorien wie Rock, Pop, Hard'n'Heavy oder Alternative einer fachkundigen Jury präsentiert.

Für "Peilomat" stellte der Sieg eine Überraschung dar. Als ersten Preis hat das Trio ein zwölfmonatiges Coaching und einen Auftritt als Vorgruppe von Silbermond gewonnen. Bassist Sebastian Wagner ("Chock-A-Block") und Drummer Henning Marien studieren an der Popakademie in Mannheim, Frontman Florian Peil lebt in Köln.

Die drei Jungs haben sich 2004 bei einem Workshop für Popmusik in Hamburg kennen gelernt. Seitdem machen sie gemeinsam Musik mit eingängigen Songs und wortgewandten deutschen Texten. Irgendwo zwischen Selig, den Foo Fighters, den Ärzten und den Beatsteaks fühlen sie sich musikalisch zu Hause. Bei Stücken wie "Sie liebt Dich", "Klassentreffen" oder "Grossstadtkinder" klingt die Band mal witzig ironisch, mal ehrlich direkt und dann auch wieder traurig.

Sandy: Hallo Peilomaten! Ihr habt im November den deutschen Rockpreis gewonnen und werdet mit Silbermond auf Tour gehen. Bekommt Ihr das eigentlich mit Euren anderen musikalischen Projekten vereinbart?
Sebi: Es handelt sich bei dem Gewinn nur um einen einzigen Support-Gig, nicht um eine ganze Tour. Von daher sollte sich das gut vereinbaren lassen. Aber auch für eine komplette Tour würde sich von uns natürlich jeder die Zeit nehmen. Die Band hat für uns Priorität vor allem anderen. Daher ist das alles kein Problem.

Sandy: Habt Ihr damit gerechnet, Euch bei diesem Wettbewerb ganz vorne zu platzieren?
Sebi: Nein, absolut nicht!

Sandy: Was versprecht ihr Euch vom Gewinn des "deutschen Rockgrammies"? Wie schätzt Ihr Eure Chancen ein, in die "Fusstapfen" von Bands wie Juli oder PUR zutreten, bei denen die musikalische Karriere ja damals auch mit diesem Preis losging?
Sebi: Da wir keine Erwartung an den Wettbewerb gestellt haben, ist es jetzt um so schöner, dass wir den Hauptgewinn mitnehmen konnten und das wir die Möglichkeit haben, uns auch öffentlich mehr zu präsentieren. Aber ansonsten verändert sich nicht viel. Wichtig ist für uns weiterhin, einfach viel spielen zu können und unsere Songs mal komplett aufzunehmen, sprich ein feines kleines Album fertig zu kriegen. Wir merken auch, daß wir durch den Preis etwas mehr in die Öffentlichkeit gerückt sind. Plötzlich kriegen ´ne Menge Leute mit, dass es uns gibt. Das ist doch super.

Sandy: Teil Eures Preises ist ja auch ein einjähriges Coaching durch den Pop-und Rockmusikverband. Soll am Ende dieser Phase Euer erstes Peilomat-Album stehen?
Sebi: Das wird hoffentlich schon Mitte bis Ende 2006 fertig sein.

Sandy: Was kann der deutsche Rockpreis für Nachwuchsmusiker leisten? Nimmt man als angehender Berufsmusiker überhaupt noch an Wettbewerben auf Landesebene teil ("Rockbuster")? Oder denkt man schon vorher darüber nach, was es einem bringt, an einem Wettbewerb teilzunehmen, was ja sicherlich als Aspekt nicht zu vernachlässigen ist, wenn man im Auge hat, sich voll und ganz auf den Musikerberuf zu konzentrieren?
Sebi: Es ist doch einfach gut, wenn man so oft wie möglich irgendwo mit seiner Band spielen kann. Da ist vielleicht nicht immer der Gewinn der Anreiz, sondern die Kontakte, die man zu Bands, Zuschauern und Veranstaltern knüpfen kann. Dadurch können sich unter Umständen ja auch wieder Folgeauftritte in der Region ergeben. Also schon zu empfehlen.

Sandy: Ihr habt keinen Keyboarder dabei. Was bedeutet das für Eure Musik. Back to Basic? Wie würdet Ihr Euren Stil beschreiben? Wo seht ihr Eure Stärken als Band?
Sebi: Wir sind froh über die simple Besetzung von Gitarre, Bass und Schlagzeug. Das passt einfach zur Musik, die gerne mal als "deutscher Powerpop" bezeichnet wird. Keiner von uns hat das Gefühl, es würde etwas fehlen. Und es vereinfacht ausserdem das Touren und das Proben. Je mehr Instrumente man hat, desto schwieriger und unübersichtlicher kann alles werden. Wenn man die Mittel vereinfacht, kann das auch manchmal sehr dienlich für den Bandsound sein. Man hat halt nur begrenzte Möglichkeiten und das beflügelt oft die Phantasie. Wir probieren oft ungewöhnliche Sachen aus, so dass beispielsweise der Bass Sachen spielt, die in einer anderen Besetzung undenkbar wären.

Sandy: Wie entsteht ein typischer Peilomat Song? Schreibt Ihr gemeinsam? Wo holt Ihr die Ideen her?
Sebi: Flo ist als Songwriter der Kopf der Band. Seine Songideen bearbeiten wir zusammen im Proberaum, so dass jeder seinen Stil mit reinbringt und wir merken, dass es anfängt zu klingen. Dabei schneiden wir das Ganze immer mit, da sich beim späteren Anhören dann immer zeigt, was gut ist und was eventuell geändert werden sollte. Die Songs wachsen also auch mit der Zeit: Arrangement, Sound und Text. Am wichtigsten ist, dass der Song uns selbst gefällt. Der Text muss etwas aussagen, dass wir selbst so vertreten, und er muss uns persönlich berühren. Wenn ein Song das kann, dann können wir das auf der Bühne auch darbieten.

Sandy: Und WAS ist ein Peilomat?
Sebi: Gute Frage ... Einer von uns, oder jemand, der gerne Peilomat hört?! Im Prinzip war das Ganze ein Wortspiel. Das hat sich der Basser von Flo Peil's alter Band ausgedacht. Wir fanden es alle gut, und somit haben wirs genommen.

Sandy: Viele Musiker, die mit eigenen Songs erfolgreich sind, haben mal in Coverbands angefangen. Hat man das als Alternative im Hinterkopf, dass man nach einem Projekt wie "Peilomat" wieder zu 100% aufs Covern zurückgreifen wird? Hat man beide Möglichkeiten im Blick? Oder denkt ihr darüber erst mal gar nicht nach?
Sebi: Wir haben ja nicht als Coverband angefangen, somit gibt es ein "zurück" zum Covern nicht. Wir haben sofort eigene Songs gespielt. Ausserdem wäre es wohl etwas verfrüht, sich Gedanken über das "Danach" zu machen, bevor wir richtig angefangen haben ;)

Sandy: Studiert ihr alle an der Popakademie in Mannheim? Was darf man sich unter einem Studiengang wie "Popmusikdesign" vorstellen? Fasst ihr Musik als Kommunikationsmittel auf und versucht, durch bestimmte Songelemente eine bestimmte Botschaft zu vermitteln, ähnlich wie das beispielsweise ein Kommunikationsdesigner im Gegensatz zu einem reinen Maler oder Zeichner tut?
Sebi: Nun, ein Maler hat ja durchaus auch eine Botschaft zu vermitteln. Aber zurück zur Frage: Nein, nur Hennich und ich studieren in Mannheim an der Popakademie. Das Studium unterstützt einen einfach insofern, als dass Dozenten, die selber aktive Musiker oder in der Musikbranche tätig sind, einem ihre Erfahrung und ihr Wissen vermitteln. Und man hat eine gute Infrastruktur, Proberäume und Studio zur Verfügung. Natürlich haben unsere Songs eine Botschaft, mal witzig ironisch, mal ehrlich direkt und dann auch wieder traurig. Aber das sind alles verarbeitete Eindrücke oder Erfahrungen, die Flo dann in einen Text packt. Es ist also nicht unbedingt ein Studium erforderlich ;)

Sandy: Und welche Designtrends finden wir in der gegenwärtigen Musik? Kommen die 80er wieder?
Sebi: Im Prinzip war das meiste schon da. Man bedient sich musikalisch heutzutage meist an älteren Epochen. Und egal ob das die 60er Beat Bands, die 70er Punks oder die 80er Sachen sind, man ist ja mit Musik aufgewachsen, und das prägt einen. Am Ende drückt aber doch jeder wieder seinen eigenen Stempel auf, so dass es immer wieder nach 00er klingt ... Eigentlich super. Alles geht, nichts muss. Alles kann. Wir haben freie Bahn.

Sandy: Meist hat die Öffentlichkeit nur den Namen des Leadsängers einer Band im Kopf. Ihr singt alle drei und scheint eine sehr "demokratische" Gruppe zu sein. Was bedeutet das für den Stellenwert der Instrumente in Eurer Band?
Sebi: Jeder hat "seinen" Bereich, in dem er sich verwirklichen kann. Es gibt natürlich immer Vorschläge untereinander, und die werden dann ausprobiert, wenn sie nicht völlig absurd sind. Prinzipiell gilt, keiner spielt etwas, dass er nicht auch fühlen kann. Und am Ende ist dann wichtig, dass der Song stimmt.

Sandy: Muss man heute provokativ sein, um wahrgenommen zu werden? Ich meine, ihr wollt mit einem Titel wie "Fick Dich" sicherlich nicht in die TicTacToe Schublade gesteckt werden ("Verpiss Dich!" / "Ich find Dich scheisse"), scheint Euch aber auch von so ´ner Liedzeile wie "Schlampe, Drecksau, ich hoffe es geht Dir schlecht" durchaus inspirieren zu lassen!?
Sebi: Den zitierten Song von Joachim Deutschland fand ich nicht besonders gut. Bei "Fick Dich" war klar, dass die Titelzeile provoziert. Manche Leute finden das auch eher albern, weil sie glauben, wir wollten damit unbedingt provozieren. Der wahre Grund ist aber, dass es bei Peilomat um klare Worte geht. Und wenn Dir weh getan wird und die oder derjenige dann noch sagt "Ey, lass uns doch Freunde bleiben", dann sagt man ja auch nicht "Och ne Du, fand ich jetzt nicht so nett von Dir" sondern eher sowas wie "Fick Dich". Und daher ist das einfach nur ehrlich gemeint. Bei Konzerten merken wir schnell, dass viele Leute das auch aus Leibeskräften mitsingen, weil sie sich verstanden fühlen. Es gibt auch immer wieder Reaktionen von Leuten die sagen "Danke für den Song, der spricht mir echt aus der Seele ...".

Sandy: Ist die neue deutsche Muskszene dabei, im internationalen Marktgeschehen eine eigene Identität aufzubauen und zu festigen? Und seht Ihr Euch als Teil dieser Entwicklung, wenn ihr deutsche Lieder schreibt?
Sebi: Deutschsprachige Titel sind sicherlich nach wie vor schwierig im Ausland zu etablieren, aber wie gut diese in der Zukunft dort angenommen werden, hängt sicher auch vom Selbstvertrauen der Deutschen in ihrer eigenen Musikkultur ab. Wir hatten und haben ja großartige Bands und MusikerInnen. Da die meisten Leute auf der Welt aber kein Deutsch verstehen, ist es wahrscheinlich, dass der Fokus im deutschsprachigen Raum bleibt. Englisch ist halt eine Weltsprache, und daher kann man englischsprachige Songs auf der ganzen Welt verstehen. Das funktioniert ja auch mit Spanisch und Französisch ganz gut. Deutsche Songs funktionieren im Ausland nur selten so gut wie beispielsweise bei Nena oder Rammstein. Und da liegt es sicherlich auch am Image der Band, dass das funktioniert.

Sandy: Sind eigentlich viele Bandprojekte der Popakademie Baden-Würtemberg deutschsprachige Gruppen, weil Xavier Naidoo und die Söhne Mannheims Gesellschafter und Förderer der Institution sind? Färbt die "lebhafte" Mannheimer Szene auf Euch ab? Oder seid ihr davon unbeeinflusst?
Sebi: Xavier Naidoo und auch die Söhne Mannheims sind gute Künstler und haben auch genügend Selbstvertrauen, das anderen klar zumachen. Von daher sind sie sicherlich auch Vorbilder für Nachwuchsbands und SängerInnen nicht nur in Mannheim.

Sandy: Wie wichtig ist es für Peilomat, dass ihr nicht nur musikalisch, sondern auch menschlich in die gleiche Richtung schaut? Ihr seid ja keine "kostruierte Band" in dem Sinne, sondern habt als Musiker weiter zusammengearbeitet, weil die Chemie gestimmt hat.
Sebi: Das ist superwichtig, gerade wenn man viel zusammen und mit wenig Platz unterwegs ist. Das muss auch menschlich hinhauen. Und auch das Publikum nimmt das, mal bewusst, aber auch unbewusst, wahr, ob man zusammen Spass hat oder nur einen Job erledigt.

Sandy: Viele klassische Instrumental-Musiker lassen ihre Finger versichern. Gibts das eigentlich im Rock- und Popbereich auch?
Sebi: Wenn man sich sowas leisten kann, bestimmt. Ich denke, eine Arbeitsunfähigkeitsversicherung reicht aber aus ...

Sandy: Und welche deutschen Bands hören die Peilomaten? Welche Songwriter bewundert ihr?
Sebi: Selig, Freundeskreis, Fanta4, Beatsteaks, Ärzte, Foo Fighters, `Red Hot Chili Peppers, O.s.s.i

Sandy: Wie geht ihr mit dem Medieninteresse um, bereitet einen ein Studium an der Popakademie auch auch so etwas vor?
Sebi: Es hilft einem dadurch, dass man sich vorher über gewisse Situationen Gedanken macht, beispielsweise ein Interview oder eine TV-Aufzeichnung. Aber seine Erfahrungen muß man dann ja doch selber machen.

Sandy: Es gibt sicherlich leichtere (Traum-)Berufe, als der eines Rock- und Popmusikers. Sieht das Bild, das die Menschen durch die Medien erreicht nicht völlig anders aus, als die Wirklichkeit?
Sebi: Der Beruf als Musiker ist vielschichtig und kann völlig unterschiedlich sein. Klar gibt es ein klassisches Bild, aber das beschreibt natürlich nur einen verhältnismässig kleinen Kreis von Personen. Die meisten Leute denken halt, dass man da anstatt von 9 bis 18 Uhr zu arbeiten halt ein bisschen Musik macht. Daneben feiert man jeden Abend, lernt nette Mädels kennen und pennt jeden Tag bis nachmittags. Das es in hinter den Kulissen ganz schön hart ist, dass die meisten engagierten Musiker hart arbeiten und von Feierabend oder Wochenende eher träumen, ist den Meisten nicht klar. Musik machen heisst, dass dein ganzes Leben darauf ausgerichtet ist. Es ist mehr eine Berufung als ein Beruf. Man hat relativ wenig Freizeit, was aber dadurch ausgeglichen wird, dass einem der Job natürlich sehr viel Spass macht. Wenn man das nicht liebt, dann kann man es gar nicht machen.

Sandy: Hat es für Euch eigentlich jemals ´ne Alternative zum Musikerberuf gegeben?
Sebi: Hennich hat kurz mal Jura studiert, aber sich dann doch komplett für die Musik entschieden. Aber dass wir bei der Musik bleiben möchten, war für jeden von uns schon vor dem Verlassen der Schule klar. Ausserdem können wir gar nichts anderes ...

Sandy: Was macht Erfolg für Euch persönlich aus?
Sebi: Seine Zeit zu nutzen, Musik machen zu können und davon zu leben.

Sandy: Vielen Dank für das Interview!

Infos unter www.peilomat.de

Ein Bericht von Sandy Roth ::: www.red-sandy.de ::: www.saro-design.com