.:o:. Barki´s Corner .:o:.
Da unser Kult-Klampfen-Kolumnist Barki für drei Monate beurlaubt ist, geben sich in den nächsten Ausgaben an dieser Stelle andere gitarrenbegeisterte Leute die Feder in die Hand. Der erste unserer Reihe ist Ralf Esser. Er war bis 1998 Lehrer an einer Gesamtschule, veröffentlichte unterichtspädagogische Materialien und arbeitete in Schulbuchredaktionen. Er ist seit fast 40 Jahren Musiker und hat sich zuletzt überwiegend mit Home-Recording beschäftigt. Er hat www.rockprojekt.de ins Leben gerufen, der auch diese Tipps zum Kauf einer neuen E-Gitarre entstammen.
November: Klampfenkauf.

Während beim Kauf einer Akustikgitarre am Ende nur zwei Punkte eine Rolle spielen - Klang und Bespielbarkeit, so ist es mit der E-Gitarre nicht ganz so einfach. Schließlich sollte es nicht so sein, dass man genau das Modell kauft, das der angesagte Gitarrero John Klamauk gerade spielt, was sich erstens schnell ändern kann, weil ihm zweitens die Konkurrenzmarke für die Werbung mehr Geld hinblättert, wobei er drittens das sauteure Brett noch umsonst bekommt. Endorsement nennt man das.

Gehen wir also davon aus, dass du deinen Sparstrumpf für dein Instrument opfern musst und du dir nicht halbjährlich ein neues leisten kannst. Was ist denn die Gitarre deines Lebens? Es ist sicher zunächst mal die, die du dir leisten kannst. Allerdings gibt es in jeder Preisklasse eine unüberschaubare Vielfalt auf dem Markt. Ich würde mir zunächst mal mehrere Fachmagazine kaufen und die dort inserierenden Gitarrenfirmen oder Vertriebe um Prospekte anschreiben.

In der Regel bekommt man postwendend eine Fülle bunter Blätter, die einem natürlich nichts über die Qualität der angebotenen Teile sagen können. Aber man hat einen guten Überblick über Formen, Ausstattung und Preisklassen der in Deutschland erhältlichen Gitarren.

Auf diese Weise kann man sich zumindest ästhetisch an ein zukünftiges Modell annähern. Bestimmte Formen und Farben lehnt man gefühlsmäßig von vorn herein ab. Man muss ja schließlich mit seinem Instrument "leben". Warum auch nicht? Hat man nun den Preisrahmen und die ungefähre Richtung abgecheckt, sollte man sich vorab ein wenig mit der Gitarrentechnik vertraut machen. Andernfalls erzählt dir der nächste Gitarrenverkäufer etwas vom Pferd, und du verstehst nur Bahnhof.

Als Nächstes siehst du dich um nach Geschäften, die auf E-Gitarren spezialisiert sind. Der Heimorgelladen an der Ecke mit seinen drei Klampfen an der Wand nützt dir wenig. Eventuell musst du dir schon noch die Mühe machen, in die nächste größere Stadt zu fahren.

In einem solchen Musikgeschäft hast du nun die Möglichkeit, Gitarren der Art zu testen, die du vorher ausgeguckt hast. Auch in diesem Fall ist es gut, jemanden mitzunehmen, der schon einigermaßen auf E-Gitarren heimisch ist. Erwecke bitte in dem Laden den Eindruck, dass du in der Lage bist, pfleglich mit den Instrumenten umzugehen, sonst kannst du den Test vergessen. Begutachte auch Gitarren, die eine Ecke teurer sind, damit du im Bilde bist, was ein preiswertes Modell leistet. Oft ist der Unterschied im Preis größer als im Sound.

Bevor es ans Spielen geht, wird natürlich die allgemeine Verarbeitung geprüft. Da gelten dieselben Punkte wie bei der Akustikgitarre: Hals gerade, Verbindung Hals zum Korpus o.k., Lack in Ordnung? Sind die Bünde gut verarbeitet, besonders an den Kanten? Hakt es, wenn man daran entlangstreicht? Ist die Gitarre einigermaßen in der Saitenlage eingestellt?

Den geraden Hals überprüft man, indem man die tiefe E-Saite im ersten und vierzehnten Bund niederdrückt. Wenn dann in der Mitte zwischen fünftem und neuntem Bund noch 1 mm Platz unter der Saite ist, stimmt die Sache. Der Hals muss nämlich ganz leicht gebogen sein, damit die gedrückten Saiten in allen Bünden noch schwingen. Bei einem total geraden Hals würde es beim Spielen mächtig scheppern.

Ob eine Gitarre bespielbar ist - für dich bespielbar - musst du nun selbst prüfen. Es ist nicht unbedingt gesagt, dass das von der Saitenlage abhängt. Man hat bei manchen Gitarren unabhängig davon das Gefühl, auf ihnen Zuhause zu sein, bei anderen nie.

Bei der Überprüfung der mechanischen Teile achte besonders auf den Tremolo, falls du einen haben willst. Ist er dir nicht im Wege beim Spielen, kann man den Arm feststellen oder gar entfernen? Pete Townsend von den Who hat sich mal eben jenen im Wege stehenden Tremolohebel in die Hand gerammt, als er seinen Windmühlenschlag zelebrierte.

Solltest du eine preiswerte Gitarre erstehen wollen, schau dir alle Einbauteile (Stege, Pickups, Vibrato) an, ob sie allgemein übliche Maße haben. Du kannst dann später Replacementparts (Ersatz-, Austauschteile) höherwertiger Art kaufen und dadurch dein Instrument ungemein aufwerten. Ich habe sogar bei meiner Gibson den berüchtigten Tune-O-Matic-Steg mit den Rappelfedern gegen eine fortschrittlichere Bridge ausgetauscht. Replacement gibt's in allen Schattierungen, sehr gut z.B. von Schaller.

Jetzt kommt es zur Stunde der Wahrheit, denn du willst ja auch endlich wissen, wie das ins Auge gefasste Teil klingt. Wenn du bereits einen Gitarrenverstärker besitzt, solltest du versuchen, die Gitarre über einen ähnlichen laufen zu lassen. Hast du Röhre, nimm auch im Laden Röhre. Hast du Transistor, ebenso beim Test. Es ist unter Umständen sogar sinnvoll, die eigene Anlage in den Laden zu schleppen. Lass dich nicht davon abhalten, der Händler möchte dir ja eine Gitarre verkaufen! Alle Effektgeräte lässt du erst mal außen vor, verzerren kann man jede Gitarre. Wichtig ist, dass du einen Eindruck vom puren Klang des Instruments bekommst.

Wie sprechen die Saiten an?
Wie wirkt die Schaltung?
Ist ein gleichmäßig lautes Klingen der Saiten zu hören?
Wie gut ist das Sustain? Klingt der Ton gut nach?
Hast du dir den Klang so vorgestellt?

Falls du gleichzeitig mit der Gitarre auch den Verstärker kaufen möchtest, so solltest du erst das Instrument wählen, das deinen Vorstellungen und deinem Spielgefühl entspricht, und damit verschiedene Amps testen.

Wenn du in den Kleinanzeigenteil der Fachmagazine oder Stadtanzeiger schaust, wirst du feststellen, dass es auf dem Gebrauchtmarkt eine Fülle von Gitarrenangeboten gibt. Natürlich besteht auch die Möglichkeit, womöglich ein edles Teil zum Sparpreis zu bekommen. Lass dich nicht auf einen Telefonhandel ein. Ich schick's per Nachnahme! Eine Gitarre muss man sehen und spielen, erst recht eine gebrauchte. Beim Händler hat man Garantie, beim Privatkauf kann man reinfallen.

In meinen Anfangsjahren - da hatte ich kaum Ahnung - konnte ich zu einem Superpreis eine Fender-Jazzmaster erstehen. Es zeigte sich dann sehr schnell, dass irgendwas mit dem Hals los war, denn vom Stimmen hielt die Klampfe nicht sehr viel. Ich habe sie dann rasch wieder verkauft. Heute ärgere ich mich allerdings darüber mächtig, denn heute würde ich sie garantiert wieder hinkriegen. Das Gerät war uralt und wäre inzwischen sicher ziemlich wertvoll.

Also Augen auf beim Gebrauchtdeal! Besonders auch auf die Bünde und das Griffbrett achten! Weist die Gitarre hier Riefen und Kerben auf, kann man bald zum Gitarrendoktor gehen. Schau bei den Leimstellen der Gitarre sorgfältig hin, also ob der Hals eingeleimt ist oder an der Kopfplatte, ob sich eventuell Risse zeigen, wenn man vorsichtig daran herumbiegt.

Im Übrigen gehen natürlich die gleichen Kriterien wie beim Kauf einer neuen E-Gitarre. Aber beim Gebrauchtkauf würde ich unter allen Umständen einen Kenner mitnehmen. Natürlich muss man nicht dauernd denken, dass einen jeder Verkäufer linken will, aber Vorsicht ist die Mutter ...

Ralf Esser fürs Klangmagazin.

Schon gelesen? Noch nicht? Dann wirds aber Zeit!!!