.:o:. Barki´s Corner .:o:.
Da unser Kult-Klampfen-Kolumnist Barki für drei Monate auf Bildungsurlaub ist, geben sich in den nächsten Ausgaben an dieser Stelle andere gitarrenbegeisterte Leute die Feder in die Hand. Der oder vielmehr die Dritte in unserer Reihe ist Red Sandy Roth. Sie hat am zweiten Weihnachtstag beschlossen, diese Kolumne auch einmal für einen Monat mit Leben zu füllen. Eigentlich ganz einfach, weil Sandy in das Instrument, um das es hier geht - die Gitarre - vernarrt ist - seit 1994. Wie die meisten Musiker ist auch Sandy von ihrem Instrument regelrecht infiziert und würde es niemals auch nur für einen Tag aus der Hand geben. "Wenn ich mal zwei Wochen nicht Gitarre spiele, bin ich schlecht gelaunt. Man wächst mit einem Instrument regelrecht zusammen. ICH LIEBE MEINE GITARRE! Wirklich!" sagt Sandy.
Januar: Der Sesselzupfer.

Auch wenn ich weder eine Sessel-, eine Studio- oder eine Sportgitarristin bin, noch eine dieser betont kritisch argumentierenden Bildungselite-Gitarristen oder eine von denen, die innerhalb ihrer journalistischen Schreibe die Grenze zwischen bissiger Irone und bitterem Sarkasmus übertreten ohne rot zu werden, möchte ich in diesem Monat unter anderem einmal einige Worte zur Kolumne des letzten Monats loswerden. Sportjournalistisch gesagt hätten unser Autor und ich als verantwortliche Redakteurin der letzten Ausgabe die rote Karte verdient.

Sportcomedian Michi Mittermeyer macht das besser - bei dem wären die Sportgitarristen nach ihrem Tode nicht verdammt worden, sondern man hätte sie auf eine Wolke geschickt, auf der es keine Saiteninstrumente gibt - das wäre für mich als Angehörige der klampfenden Zunft jedenfalls das Schlimmste, was mir im nächsten Leben passieren könnte. Aber nun gut, man sollte sich nicht zu ernst nehmen, das sei an dieser Stelle mit einem versöhnlichen Augenzwinkern auch einmal denjenigen gesagt, die sich durch die Kolumne im vergangenen Monat tierisch auf die Schippe genommen gefühlt haben.

Es gibt für den Meinungsbildungsprozess einer Gesellschaft nichts Gefährlicheres, als allzu einseitige Kritik und sture Intoleranz. Ich denke die Welt ist groß genug für verschiedene Meinungen, ohne dass man sich auf die Füße treten muss. Das geht auch im Geschäft des Journalismus wesentlich stilvoller als im vergangenen Monat an dieser Stelle geschehen.

Überall dort, wo viele Menschen ein- und dieselben Interessen pflegen, bilden sich Polarisierungen aus, welchen Sinn man diesen Interessen zuordnen soll. Das ist beim Gitarrespielen nicht anders als beim Autofahren oder beim Fußballspielen. Die sogenannten "Sporgitarristen", die ich kenne, würden niemals auf die Idee kommen, die gelasseneren Sesselgitarristen dieser Region in Grund und Boden zu schreiben. Eher würden sie ihre Empörung auf ihrer Gitarre in Legatoläufe umwandeln.

Es leben im Großraum Trier annähernd vierhundert aktive E-Gitarristen. Das ist zum einen der Verdienst unserer Musikschulen, die seit einigen Jahren auch dem Rock- und Popbereich die verdiente Aufmerksamkeit widmen und zum anderen auf eine relativ junge Form der Cliquen- und Gruppenbildung unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen zurückzuführen, die ihre Musikalität nicht nur in einem der vielen Musikvereine, sondern auch im Bereich der Covermusik oder durch eigene Songs ausleben und dabei wirklich originelle Ideen entwickeln. Das reicht vom Hobbymusiker bis zum Semiprof kurz vorm Sprung ins Profilager und ist keine typische Erscheinung der Eifel, wobei Coverbands auch in anderen Teilen der Welt vor allem im ausserstädtischen Milieu Fuß fassen können und sozialkritische und politisierende Bands sich eher in den Städten entwickeln.

Nun ist es ja kein Geheimnis, dass die "intellektuelle Elite" genau wie die politisch eher links einzuordnenden Jugendlichen das "Phänomen Coverbands" eher kritisch beäugen und als "Dorfmusik" belächeln, da diese mit für einen Musiker doch teilweise recht nachvollziebaren Mitteln enorm absahnen, was ihr gutes Recht ist, da sie im professionellen Bereich als kulturelle Dienstleistungsunternehmen zu sehen sind und in der Vergangenheit die hiesigen Discoteams im Wochenend-Kulturbetriebbetrieb ein Stück weit abgelöst haben.

Auch ist es ja so, dass Leute, die Wortkreationen wie "Sportgitarristen" oder "Tastenwixer" erschaffen, grundsätzlich NIE Coverbands gucken gehen. In verbalen Äußerungen und Gästebucheinträgen auf Websites wird teilweise recht scharf geschossen, was sehr schade ist, da der Rest der Welt der hiesigen Musiker doch zumindest genügend Toleraz aufbringt, nach dem Prinzip "leben und leben lassen" den Mitmusikern der regionalen Coverriege ihre Nische einzuräumen, auch wenn sie das Geschäft mit den Charthits eher ablehnen und ihren kulturellen Anspruch an die Musik dadurch gefährdet sehen. Covermusiker hingegen tolerieren die Songwritingbands weitaus stärker und sind teilweise selbst Mitglieder in Bands, die ihre eigenen Lieder schreiben. Im Bereich Eifel-Saar-Mosel sind die meisten der "Vollzeitgitarristen" darüber hinaus als Gitarrenlehrer tätig und kümmern sich in privaten Musikschulen, Kreismusikschulen oder als private Instrumantallehrer um den Klampfernachwuchs.

Hochpolitisch wird es da, wo Semiprofs und Amateure sich den Freizeitmarkt streitig machen, wo es um Geld und nicht zuletzt auch um Macht und Einfluß geht und darum, die "Ware Publikum" vom eigenen Konzept des Musikmachens zu überzeugen oder die eigenen Meinung in Bezug auf das, was Musik ist oder sein soll, zu vertreten.

Sportlich sind die meisten unserer Gitarrenspieler ohnehin. In unserer gegenwärtigen Zeit, müssen die Menschen ihre Selbstkonzepte aus dem Gros aller Möglichkeiten der Freizeitgestaltung selbst zusammenstellen, weil es keine vorgefertigten Lebensentwürfe mehr gibt und sowohl Werthaltungen im Freizeitbereich als auch Berufsethiken sich in ständiger Entwicklung befinden. Wir alle stehen täglich vor der Herausforderung, uns aus einem Riesenkorb aus Moden, Musikstilen, Meinungen und Möglichkeiten selbst eine Identität zusammenzubasteln. Stile werden gemischt, Patchwork-Lebensentwürfe ausprobiert und gelebt, verschiedene Lebensbereiche kombiniert - that´s social evolution.

So kam es irgendwann natürlich dazu, dass der dem Menschen inherente Drang, Wettbewerbe auszuführen und die eigenen Leistung an der Leistung anderer zu messen, auch bei Autos, Kochduellen, Quizshows und Egitarren seinen Platz fand. Und so wie jede Sportart die Möglichkeit bietet, seine Grenzen auszuloten oder einen motorischen Bewegungsablauf bis zur Perfektion zu beherrschen, kommt es auch bei Musikern nicht selten vor, dass sie ihre ganze Energie in ihre Musik stecken, und das nicht erst seit dem Entstehen der Freizeitmärkte und der Popkultur. Wichtig ist hier allerdings wie auch bei jedem Sport, dass alle Beteiligten nach gewissen Regeln spielen, Teamplayer sind und fair handeln.

"Ich habe schon oft erlebt, dass Musik machen etwas Zwanghaftes hat oder zumindest ein Zeichen ist, dass man irgendwie mit der Welt draußen nicht zurechtkommt, aber ich kann mich nicht entscheiden, ob das nicht zurechtkommen daher kommt, dass man ein Instrument spielt, oder ob jemand, der ohnehin schon Einzelgänger ist, deswegen zum Instrument greift, ..." formuliert Sting seine Sicht der Dinge in "Broken Music". Das mag etwas übertrieben klingen, und man kann sich darüber streiten, ob psychologische Aspekte wie Harmonie, Emotion und Stagnation beim Musikmachen eine größere Rolle spielen als Ehrgeiz, Erfolgserlebnisse und Progressivität. Das weibliche Prinzip des Nehmens trifft auf das männliche Prinzip des Gebens. Altruismus auf Egoismus. Pazifismus auf Kampfgeist. Für die einen schafft Musik einen Ausgleich zum Alltag, lässt die Seele baumeln, versetzt uns in die eigene Kindheit zurück oder bringt uns ins Gleichgewicht. Für die anderen bietet sie die Möglichkeit, sich zu beweisen, sich selbst Ziele zu setzten und diese mit sehr viel Disziplin zu erreichen. Beide Stereotypen existieren niemals unabhängig voneinander und es gibt viele Grautöne dazwischen. Beide schaffen Erlebniswelten in einer Gesellschaft, die eben nicht im Gleichgewicht ist und in der man eben nicht in jedem Bereich immer der Gewinner sein kann. Deshalb ist Musik unersetzbar - egal in welcher Schattierung sie gelebt wird.

Und egal ob man sich der sportlichen, der kreativ-künstlerichen, der "Musik wäscht den Staub des Alltags von der Seele" oder der "in meiner Welt bin ich der Held" Seite des Musikmachens zugehörig sieht - ohne Toleranz geht es nicht, sonst würde selbst der ehrgeizigste Keyboarder oder Drummer irgendwann alleine auf der Bühne stehen.

Als federführende Redakteurin dieser Onlinezeitung ist mir normalerweise jede Meinung recht, solange es wie im Sport fair zugeht. Und jeglicher Journalismus hat auch immer die Aufgabe, die Gesellschaft kritisch zu hinterfragen. Dazu muss man aber niemandem die ewige Verdammnis für "Sportgitarristen" andichten, weil er dem sportlichen Ehrgeiz unterliegt, seine Gitarre zu bearbeiten. Jeder Lebenslauf, in dem eine Gitarre vorkommt, ist ein guter Lebenslauf. Und die Lebensentwürfe unserer Gitarristen sind genau so bunt und unterschiedlich wie die anderer Berufstätiger oder Hobbyisten. Also hiermit ein Platzverweis für die Dezemberkolumne und ein Aufruf an alle Musiker, tolerant mit anderen Musikerkollegen umzugehen. Wer das nicht tut, darf das Spielfeld räumen, egal ob er ein Sportgitarrist, ein Sesselzupfer oder ein musikalisches Genie ist. Das gilt für Covermusiker ebenso wie für kreative Songwriter.

An dieser Stelle sei darüber hinaus auch einmal gesagt, dass Sprüche à la "das Griffbrett wixen", "Tastenschlampe" oder "sich auf der Gitarre einen runter holen" in diesem Magazin genau so unerwünscht sind wie der Versuch, Anhänger eines bestimmten Stils oder einer bestimmten musikalischen Lebensart runterzumachen oder an den Pranger zu stellen.

Einen diplomatischen Gruß an alle "Sportgitarristen" und alle anderen Ausprägungen der sechssaitigen Instrumentenkunst von dieser Stelle. Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, Musiker zu sein - und das ist gut so. Ich glaube, man kann einem Menschen kein schöneres und wichtigeres Geschenk machen, als ein Musikinstrument. Es ist diese Kombination aus Verstand und Gefühl, aus Mathematik, Sprache und Tonmalerei, die mich persönlich daran fasziniert - und die Möglichkeit, die Welt der Gefühle und Gedanken zu verstehen und zu beschreiben.

So beende ich meinen "Gast-Auftritt" in Barki´s Corner mit einem Klingelton fürs Handy, den ich am zweiten Weihnachtstag auf meiner E-Gitarre erfunden habe - inspiriert von Shakira, Slash, Lukather, Hendrix und diversen Weihnachtsliedern - und wünsche allen Gitarristen, Drummern, Sängern, Keyboardern und Bassisten ein schönes Jahr 2005.

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"Autodidaktische Tonmalerei ohne jede musikalische Struktur" sag meine Kommilitonin SuS dazu und meinte, ich soll aufhören, auf der E-Gitarre Mundharmonika zu spielen ;-) Ja ich geb´s ja zu, ich hatte nach der zehnten Klasse keinen Musikunterricht mehr und hab noch nie ´ne Musikschule von innen gesehen. Egal! Diese Phrase schoss mir einfach so durch den Kopf. Wenn Euch zu diesem Outtro irgendwelche Soloparts, Akkordfolgen oder Riffs einfallen, dann mailt sie doch einfach an sroth@klangnetz.de - vielleicht entsteht ja mal ein Song daraus. Und hier nochmal der Aufruf an alle unsere Leser: Wenn ihr was zu erzählen habt und mal für einen Monat Gastautor im Klangmagazin sein wollt, dann meldet Euch einfach. Alle Regler nach LINKS! ("Jetzt wird Barki mich lynchen ..." ;-)))

Schon gelesen? Noch nicht? Dann wirds aber Zeit!!!