.:o:. Barki´s Corner .:o:.
Da unser Kult-Klampfen-Kolumnist Barki für drei Monate beurlaubt ist, geben sich in den nächsten Ausgaben an dieser Stelle andere gitarrenbegeisterte Leute die Feder in die Hand. Der zweite in unserer Reihe ist Mathias "Moritz" Boeck. Er ist 26 Jahre alt, kommt aus Trier, ist Diplom-Psychologe und arbeitet derzeit in Weiden in der Nähe der tschechischen Grenze als Legasthenie-Therapeut. Moritz spielt Gitarre und Trompete. Er hat früher mal für die "Katz" geschrieben. Seine Band Spiny Norman gibt es seit Mitte 2001. "Wir machen Rock in Richtung Psychedelic und Alternative, ausschließlich Eigenkompositionen." sagt er. Ein weiteres Projekt ist "Tilt", wo seine privaten Ideen im weiten Feld zwischen Elektro, Rock, Jazz und Pop ihren Platz finden. Außerdem ist Mathias Gründungsmitglied der Trierer Samba-Formation "Samba Tormenta", die jetzt "Ritmo do Brasil" heisst. "Ach ja: Nicht vergessen - 4. Dezember: Spiny Norman, The Shanes und Marvin Go in Saarburg in der Aula der Berufsschule!"
Dezember: Der Sportgitarrist.

Verehrte Leser, die Meisten unter uns wissen nur zu gut, wie man als musikalisches Pflänzchen gedeiht: Üben, üben, üben. Manche unter uns werden diesen ehernen Grundsatz verletzt oder den persönlichen Neigungen angepasst haben: Bei manchem mag es Üben, hören, Drogen nehmen geheißen haben, bei anderen Üben, sich geil vorkommen, den Arsch spielen – viele Kleinode bringt die schöne Kunst der Gitarrenmusik hervor, ein buntes Spektrum (mit und ohne Plektrum).

Heute aber soll es um einen Typus Gitarristen gehen, der vom Aussterben bedroht ist. Er hat den oben genannten Grundsatz für sich in „Üben, üben, üben, üben, üben, üben“ umgewandelt und gilt umgangssprachlich mal (anerkennend) als „Fretmelter“, mal (neutral) als „Frickler“, mal (schlicht) als „Wichser“. Vielleicht können wir uns auf den Begriff „Sportgitarrist“ einigen, gehorcht er doch in erster Linie dem Diktat des höher(e Töne), schneller(e Läufe), weiter (und zwar dalli!).

Doch so, wie Andy Möller im harten Sportgeschäft in Sachen Gefühl jegliche Kompetenz vermissen lässt („Vom Feeling her hab ich´n ganz gutes Gefühl...“), hat sich der Sportgitarrist leider in eine falsche Sparte verirrt: Hätte er bei seinem Fleiß und seiner Disziplin, die ihn jeden Tag zum mehrstündigen Tonleiter-Tapping antreibt, nicht auch Sportler werden können? Warum verschreibt er sich ausgerechnet der Disziplin der Disziplinlosigkeit, dem Rock´n´Roll?

Nun, die 90er haben die hohen, schnellen, weiten Gitarristen in ihre Schranken gewiesen. Cobain, Frusciante und Kollegen zeigten, dass eine persönliche Note dann doch besser ist als 125 sauber gespielte pro Takt. Ja, der Sportgitarrist ist vom Aussterben bedroht. Es bleiben ihm in diesen Zeiten nicht mehr viele Alternativen:
1. Steve Vai heißen.
2. In einer Coverband mit 10minütigen Soli Robbie-Williams-Balladen in Grund und Boden nudeln.
3. Seinen Stil entschlacken, sich an das nächstbeste „viel versprechende“ Kommerzprojekt hängen und mit kochwäschesauberen Sounds zu dessen völliger künstlerischer Austauschbarkeit beitragen. Und immer lächeln!

Ach Sportgitarrist! Hast in den 20 Jahren deiner Existenz nicht eine schöne Melodie zustande bekommen! Hast vor lauter Tönen die Musik nicht mehr gefunden! Hast viel gespielt, aber nichts ausgelöst als Staunen ... und eine Welle von strebsamen Jungs, die auch Sportgitarrist werden wollen.

Einen Gedanken von Hermann Hesse aufgreifend, sei dem Sportgitarristen heute gewünscht, dass er dereinst nach seinem Tode ein schweres Gewicht für jeden seiner überflüssigen Töne auf Erden angelegt bekomme. Kriechen soll er unter der Last seines irdischen Gehabes, zusammenbrechen unter der Masse, die er der Klasse aus purer Gefallsucht vorgezogen hat!

Mit gaaanz gelassenen Grüßen, Mathias Boeck fürs Klangmagazin. Artwork by Red Sandy ("Wieso soll es keine Sportgitarristen geben? Es gibt doch auch Sportköche, Sportbeamte (einige wenige) und Sportprofessoren (wenn auch nicht in unserem Fachbereich ;-) ..." Anm. Sandy).

Schon gelesen? Noch nicht? Dann wirds aber Zeit!!!