.:o:. We don´t need no education! .:o:.
Vor rund sechs Jahren begann die Geschichte des Trassemer Musicals "Behind the Wall", eine Idee von Christian Müller, mit einer Aufführung in einem Jugendgottesdienst. Im Jahre 2002 begeisterte man mit der Geschichte des kleinen Jonas durch die Musik des erfolgreichen Songwriterduos Gilmour und Waters von Pink Floyd bereits einige hundert Leute. Ende 2003 stand dann "Licht ins Dunkel - Behind the wall" in den Startlöchern: Mit phantastischen Gitarrensoli, Streicheinlagen, spannungsgeladenen Synthesizer- und Orgelklängen, Sängerinnen und Sängern mit Rockröhren und aufwendiger Licht- und Videoshow thematisiert das Team den ewigen Generationenkonflikt zwischen Jung und Alt. Am 30. Oktober ist das Feuerwerk aus Licht und Sound "Licht ins Dunkel - Behind the wall" in Trier in der Europahalle zu sehen. Zu finden sind die 14 Songs des Musicals auf der CD "Just A Brick", die es nicht nur bei den "Licht ins Dunkel" Konzerten, sondern auch auf der Website www.licht-ins-dunkel.de für den heimischen CD-Player zu kaufen gibt. Sandy hat die Liveaufname der "Licht ins Dunkel" Band mit dem Original von 1980 verglichen.
Stiftung Waters-Test

Pink Floyd sorgten im letzten Jahrtausend mit "The Wall" für weltweite Schlagzeilen. 25 Lieder, darunter "Mother", Goodbye Blue Sky" und "Is there anybody out there?" begeisterten weltweit Menschen aller Rassen und Sprachen. "Another brick in the wall" und "Hey you" wurden zu Meilensteinen, die man im gleichen Atemzug mit der Legende "Pink Floyd" nennt und die selbst in Schulen im Musikunterricht auf dem Lehrplan stehen.

Am 7. Februar 1980, fand die Uraufführung von Pink Floyds "The Wall" in Los Angeles statt. Es ist schon seltsam, wenn einem bewusst wird, dass eine der erfolgreichsten Rockplatten der 80er Jahre lediglich zustande kam, weil im Hause Gilmour Steuernachzahlungen anstanden: Pink Floyd waren pleite! Es blieb den Musikern damals nichts anderes übrig, als eine weitere Platte aufzunehmen.

Roger Waters dachte sich eine Geschichte aus, in der der Rockstar Pink sich mehr und mehr von seiner Umwelt abgrenzt, eine Mauer um sich errichtet, um schließlich seine seelischen Konflikte und inneren Spannungen durch emotionales Abreagieren zu lösen und die Mauer wieder einzureißen. David Gilmour machte gute Miene zum bösen Spiel, denn er brauchte wie die anderen Bandmitglieder das Geld. Weihnachten 1979 erschien das Doppel-Album und verkaufte sich innerhalb von wenigen Wochen sechs Millionen Mal.

Dieses legendäre Album hat das Team von "Licht ins Dunkel" als Basis für ihr eigenes Rockmusical "Behind the wall" genommen und inhaltlich weiterentwickelt. Es erzählt die Geschichte eines alten Mannes und seiner Enkelin Carmen, zwischen denen durch mangelndes Verständnis und Desinteresse eine undurchlässige Mauer wächst, die zuletzt sogar das Leben des Mannes auszulöschen droht. Zwischen den Polen Nähe und Distanz, Liebe und Gleichgültigkeit, Gut und Böse spielt sich ein menschliches Drama ab, das in unserer Gesellschaft an der Tagesordnung ist, weil es das wiedergibt, was in vielen Familien zwischen "keine Zeit haben", "nur an sich selbst denken" und "nur mit halben Ohren zuhören" kontinuierlich Distanzen schafft.

"Licht ins Dunkel - Behind the wall" ist weit mehr, als eine Kope des Originalmusicals. Die Geschichte lebt von ihren facettenreichen Akteuren, dem zynischen Geist der Mauer, dem alten Mann Hans und seiner Enkelin Carmen, die mit sehr viel Authenzität und Professionalität von Laiendarstellern gespielt und werden. Die Musik der Pink Floyd begeisterten Truppe fesselt die Zuschauer, untermalt den Kampf zwischen Gut und Böse und hat ihren ganz individuellen Charme. "Unsere CD Just A Brick soll es dem Publikum nun ermöglichen, die Magie unserer Auftritte mit nach Hause zu nehmen", erzählt Produzent Christian Müller. Aber was macht diese Magie aus?

Der Livemitschnitt und der erste Song "In thin Ice" beginnen mit einem Babyschrei, genau wie im Original von Pink Floyd. Bei "Licht ins Dunkel" wird der Song anfangs von einer Frauenstimme intoniert. Beide Gitarrem leiten um eine Oktave versetzt das erste Hauptmotiv des Musicals ein, dann folgt das spannungsgeladene "Another Brick in the Wall" mit den Pink Floyd typischen Synthesizerklängen und starken Gitarrenrhythmen. Die originalgetreue Interpretation der Gitarrenparts ist beeindruckend und der zweistimmige Gesang verleiht dem Song sehr viel Intensität.

Etwas solider als im Original klingt die Rhytmusgruppe bei "The Happiest Days of our Lives", das bei Pink Floyds Drummer in typischer 80er Jahre Manier etwas poppiger wirkt. Auch das folgende "Another Brick in the Wall Part II" ist etwas temporeicher, aber genial nachempfunden. Statt eines Kinderchores wie in der Originalaufnahme setzt man auf die Stimmen der vier Solisten, die gemeinsam mindestens genau so viel Power rüberbringen, wie die entschlossenen Kids in der ursprünglichen Darbietung. Der Pink Floyd typische Sound in den Gitarrensoli steht seinem Vorbild in nichts nach. Enthusiastischer ist selbst der Pink Floyd Gitarrist mit seiner linken Hand nicht übers Griffbrett gespeedet. Albrecht Ehses zaubert Hammondsounds aus seinem Keyboard und die Band beweist bereits nach zehn Minuten, dass sie das Publikum mitreißen kann.

Die melancholischen Clean-Tone-Gitarren bei "Goodbye Blue Sky" treffen den Nerv, während es in der Geschichte des Musicals um die Erinnerungen des alten Mannes an seine Kindheit geht. Der Song ist wieder bivocal umgesetzt. Hier waren keine Kunstfälscher am Werk, sondern Pink Floyd infizierte Musiker im besten Sinne des Wortes. Waren Pink Floyd noch eher hippyesk und sporadisch am Werk, so stehen die "Licht ins Dunkel" Musiker mit der Atmösphäre, die sie schaffen, schon eher in der Tradition amerikanischer Unpluggedkonzerte. Also keine Covernummer sondern eine eigenständige Interpretation des Originals, die genau die richtige Mischung zwischen Remix und Eins-Zu-Eins-Kopie liefern möchte.

"Empty Spaces" gibt in der "Licht ins Dunkel" Version den maschinösen Pink Floyd Synthesizern den Klang von Streichinstrumenten - eine interessante Variation. Auch das Gitarrenintro klingt berechtigtermaßen voluminöser und voller als bei Pink Floyd, die im Zeitalter der Schulterpolster etwas steriler und kühler wirkten. Der Song steigert sich durch den Staccato Rhythmus der Streicher zum theatralischen "What shall we do now", einem Song, den man auf vielen Originalmitschnitten von "The Wall" vergeblich sucht und der den Wertepluralismus der modernen Zeit in Frage stellt, indem er auf die Orientierungslosigkeit einer ganzen Generation anspielt, die nicht mehr weiß, wohin mit ihrem Geld und ihrer Freizeit ("Shall I buy me a new Guitar?").

In "Young Lust erlebt die klagende Pink Floyd Gitarre einen ihrer Glanzmomente. Bluesrock at it´s best! Auch wenn oder gerade weil man hier mehr nach Deep Purple als nach Pink Floyd klingt. Im Hammondsolo zeigt der "Licht ins Dunkel"-Keyboarder, daß er die schwarzen von den hellen Tasten zu unterscheiden weiss. Die Rhythmus-Combo ist auch hier im Saarburger Livemitschnitt wieder etwas temporeicher und 4/4fester als Pink Floyds Rhythmusgruppe.

Das langsame "One of my Tunes" wirkt durch den gemeinsamen Einsatz von Sängerin und Sänger des LID-Teams sehr viel tiefgründiger und romantischer als im Original, das das Sänger von Pink Floyd damals fast schon erzählend angestimmt hat. Bei diesem Song kommt der Musicalcharakter von "The Wall" besonders gut zur Geltung und Wolfgang Prinz geht voll aus sich heraus. In diesem Lied übernimmt das Keyboard einige Parts, die ursprünglich den Gitarren vorbehalten waren. Bei "Licht ins Dunkel" klingt es moderner als bei "The Wall" und der Song endet nicht mit einem langgezogenen Vocalpart sondern mit einem geschickt platzierten Echoeffekt.

"Hey You" zählt immer noch zu den größten Balladen der Welt. Bei "Licht ins Dunkel" ist von den eingängigen Bassparts des Stückes bis zur Gitarrenbegleitung alles originalgetreu nachempfunden - ausser daß Myriam Parusel und Andrea Schwarzenbarth sich den Gesang teilen, wobei Pink Floyd ja bekanntermaßen eine rein männlich besetzte Band war. Diese Änderung bringt es mit sich, dass der Song einen vollig neuen Ausdruck irgendwo zwischen The Corrs und Alanis Morysette erhält, der sich hören lassen kann. Das "We don´t need no Education" Gitarrenmotiv umrahmt die Ballade und geht in einen Soloteil über, der einmal mehr die virtuose Vielseitigkeit der Gitarristen im Zusammenspiel mit den anderen Bandmusikern zeigt. Die auf den Punkt genau intonierte aussagekrägtige Basslinie des Songs holt Erwin Borne aus der Rhytmusecke in den Bereich der Melodiearbeit und der Fünfsaiter wird zu einer weiteren Stimme zwischen singenden Gitarren und Keyboards, die im Original an "Wish you were here" von 1975 erinnern und bei "Licht ins Dunkel" den Instrumentalisten Platz für eigene musikalische Ideen lassen.

Eine echte Herausforderung für ein Live-Ensemble ist "Is there anybody out there". Das "Licht ins Dunkel" Team meistert sie perfekt. Soundeffekte und Instrumentalarrangements sind stark variiert und mit sehr viel Feingefühl und Liebe zum Detail umgesetzt. Einmal mehr fragt man sich, warum dieser Song niemals im Soundtrack eines James Bond Films aufgetaucht ist oder wie vielen James Bond Soundtracks er als heimliche Grundlage gedient haben mag. Mit Chorgesang und Akustikgitarren gibt man die theatralische Spannung des Liedes enorm hörenswert wieder.

Bei "Nobody Home" zeigten Pink Floyd, dass sie große Entertainer sind. Und selbst die Bläser des Originalarrangements hat man bei der Produktion aus dem Raum Saarburg nicht ausgelassen, bei der der Sänger von seiner Fähigkeit überzeugt, Balladen ebenso glaubwürdig rüberzubringen, wie Blues- oder Rocksongs. Am Piano sitzt hier Produzent und Teamkopf Christian Müller.

Leider bleibt man bei der Liveaufnahme dem Hörer die Information schuldig, wie das "Licht ins Dunkel" Ensemble Songs wie "Vera" oder "Bring the Boys back home" aus dem Original Musical umgesetzt hätte. Vielleicht darf man bei den Auftritten im nächsten Jahr darauf gespannt sein!!?

"Comfortably Numb" lenkt den Fokus des Publikums vom Innen der Mauer auf das Außen und kommt auch bei "Licht ins Dunkel" so voller Trost und Hoffnung daher, daß man garantiert mit dem guten Vorsatz nach Hause geht, die unsichtbaren Mauern im eigenen Leben einmal kritisch zu hinterfragen. Hier verrät der Gitarrist, daß er den originallgetreuen An- und Abschlag der typischen Pink Floyd Gitarre im Schlaf beherrscht. Ingo Termnes zeigt darüber hinaus, dass Pink Floyd es wußten, ein Schlagzeug songdienlich einzusetzen. Mit der glänzenden Soloarbeit der Gitarristen Bernd Jakob und Johannes Schier ist "Comfortably Numb" zu einem zehmninütigen Solomatch angewachsen, das den Musikern Raum für ausgelassenen Improvisationen läßt und bei den Zuschauern für Standing Ovations sorgt.

Bei "In the Flesh" taucht das zweite Hauptmotiv des Musicals auf, ein Bluesriff, das den Kampf zwischen den Antipoden in der Geschiche in Tönen nachzeichnet. "Licht ins Dunkel" gibt sich die Ehre, den Song am Ende etwas nach Schlager klingen zu lassen. Hatte man dort etwa Smokies "Alice" im Hinterkopf, als man ihn einstudiert hat? Oder liegt es am klaren Chorklang im Hintergrund, wenn Andrea Schwarzenbarth, Myriam Parusel, Wolfganz Prinz und Werner Klahr gemeinsam zum Mikro greifen? Ein vergleichendes Reinhören beim Original liefert den Beweis, dass auch Pink Floyd damals tief in die Schlagerkiste gegriffen haben. Die Textzeile "Smokin´ a Joint" belehrt den Schlagerfan dann aber doch des Unterschiedes zum Rock. Ist ja auch Jacke wie Hose.

Brodelnd kündigen Pink Floyd typische Bassnoten und mit Tönen blitzende Gitarren in "Run like Hell" das Gewitter an, als das Stück seinen Klimax erreicht. Hier kämpft im Stück eine Armee der Finsternis gegen die Liebe zwischen den beiden Hauptdarstellern einen Kampf um Leben und Tod. Ein typischer 80er Jahre Song, von den LID Musikern gekonnt ins neue Jahrtausend transportiert und von "Pink Noise" ins rechte Licht gesetzt.

Mit "Waiting für Worms" geht das imposante Schauspiel in die letzte Runde. Auch das "We don´t need no education"-Motiv wird hier noch einmal aufgegriffen. Der Kampf zwischen Enkelin, zynischem Geist der Mauer und dem hinzugerufenen Artzt um das Leben des alten Mannnes spitzt sich zu. Der schauspielende Arzt auf der Bühne sorgt für den ein oder anderen Lacher im Publikum, als er bei seinem Abtritt mit den Worten "Praxisgebühr kriegen se später" das Gesundheitssystem gehörig auf die Schippe nimmt. Wer den Kampf letzten Endes gewinnt, wird natürlich nicht verraten. Das kann man sich am 30. Oktober in der Europahalle Trier live ansehen, wenn die diesjährige "Licht ins Dunkel - Behind the wall" Tour sich mit ihrem letzten Auftritt 2004 für dieses Jahr von den Bühnen der Region verabschieden wird, um sich im nächsten Jahr mit vielen weiteren imposanten musikalisch und technisch umgesetzten Ideen wieder zurück zu melden. Die "Licht ins Dunkel" Live CD "Just A Brick" ist nicht nur für Pink Floyd Fans ein Muss. Auch die aus dem Projekt erwachsene Pink Floyd Coverband "Wallness" ist sehr hörenswert. Infos gibt es auf der Website www.licht-ins-dunkel.de.

CD Review und Artwork: Sandy fürs Klangmagazin.

Schon gelesen? Noch nicht? Dann wirds aber Zeit!!!