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Julika Hüther ist absoluter Radiohead Fan und konnte sich das Konzert der Arena Oberhausen nicht entgehen lassen ...

Everything In Its Right Place?

Radiohead flirten in der Arena Oberhausen mit dem Publikum

Als wir Montag aus dem Parkhaus kommen, stehen wir in einer fast utopischen Stadt. Dieser Teil Oberhausens ist ein Planet für sich, bestehend aus einem riesigen neuen Einkaufszentrum, Restaurants, den obligatorischen Vertretern amerikanischer Fastfood-Ketten und natürlich Bars, Bars, Bars. Piano-Bars, Karaoke-Bars, Cocktail-Bars, kurz: alles, was sich ein vergnügungssüchtiges Oberhausener Herz wünschen könnte. Und nicht gerade ein Ort, an dem man ein Konzert von einer Band vermutet, die seit Jahren kämpft gegen Marken-Image und die Ausbeutung der Armen durch die großen Konglomerate der Welt.

Die Arena passt perfekt in das Bild der Zukunftsstadt. Alles ist klar strukturiert, hohe, weite Gänge, sterile Toilettenräume. Wären nicht die Menschenmassen um uns herum, könnte einen das Gefühl von Entfremdung und Verzweiflung überkommen, das so oft Inhalt von Radiohead´s Songs ist. Als wir dann endlich auf unseren Plätzen sitzen, muss ich schmunzeln. Mein Nachbar sitzt mit eingezogenen Beinen auf dem engen Sitz wie ein Huhn auf der Stange. Oder, wie Radiohead es passend mit einem ihrer Songs ausdrücken würden: Packt Like Sardines In A Crushd Tin Box.

Daß es heute abend um Wichtigeres geht als um die Gefühle verzweifelter Musiker wird klar, als die Vorgruppe Asian Dub Foundation auftritt. Musikalisch passt die Darbietung der Ragga-Kombo kaum ins Programm, doch ihr wildes Trommeln und Rappen unterstreicht die Aussage, mit der sie die Bühne verlassen: Gegen Ausländerfeindlichkeit, für Toleranz.

Der Umbau der Bühne für den Auftritt von Radiohead ist aufwendig, denn für die letzten drei Alben wurden weit mehr als nur die Standardinstrumente gebraucht. Endlich sieht man die Band hinter Bergen von Synthezisern, Verstärkern, Keyboards und einigen dem gemeinen Musikfan unbekannten Geräten hervorklettern. Das Publikum ist begeistert, als die Fab Five aus Oxford Songs von Hail to the Thief anstimmen. Nach einer elektronischen, dem Trip-Hop ähnlichen Phase nähert sich das Juni diesen Jahres erschienene Album wieder dem Rock. Seither beschäftigt sich die Presse weltweit mit der Frage, ob die zahlreichen politischen Anspielungen in den Songtexten von Hail to the Thief nicht zu schwammig, zu unexplizit seien.

Doch für Radiohead sind Taten wichtiger als Worte und so verhält es sich auch auf der Bühne, wo Sänger Thom Yorke einem Flummy gleich umherhüpft. Er tanzt zur Musik wie ein Spitzensportler beim Aufwärmen, um dann den Sprint zwischen Klavier und Mikro mitten im Song zu perfektionieren. Fast vermutet man einen Doping-Skandal. Denkt man zurück an frühere Konzerte, kann man die Wandlung des Thom Yorke vom scheuen, introvertierten Rockstar zum selbstbewußten Entertainer kaum fassen. Aber der Humor, den der kleine Mann heute hervorkehrt, muß echt sein, die Scherze kommen von Herzen. Die immense Energie, die heute von der Bühne ausgeht, überträgt sich auf das Publikum; die Reihen zwischen den Sitzplätzen werden zur Tanzfläche umfunktioniert und das gleißend rote und blaue Licht wird vom Takt mitgerissen. Neben den aktuellen Songs spielen Radiohead auch ein paar ältere Favoriten, unter anderen My Iron Lung, Fake Plastic Trees und Paranoid Android. Balladen wie Lucky und How To Disappear Completely ersetzen allzu strapazierte „Hits“ wie Street Spirit oder Karma Police, die für eine anspruchsvolle Band wie Radiohead ihren Reiz verloren zu haben scheinen.

Nach einer kurzen Pause, in der Instrumente getauscht und insbesondere ein Kontrabass auf die Bühne gebracht werden, setzt sich Thom Yorke ans Klavier und spielt die ersten Akkorde von You And Whose Army?. Der Song, der mit seinem langsamen, dunklen Bass und Gesang stark an eine Bluesgruppe der dreißiger Jahre erinnert, ist eine Satire, die dem Blair-Regime gewidmet ist. Bei den Worten „Come on / if you think you can take us on“ flirtet Yorke über Leinwände mit dem Publikum. Sein Gesichtsausdruck, sonst Zeichen von Verzweiflung und Trauer, bringt Tausende von Leuten zum Lachen. Spätestens jetzt ist auch der eisernste Kritiker von Radiohead überzeugt.

Everything In Its Right Place ist der letzte Song an diesem Abend. Einer nach dem anderen verlassen die Fab Five die Bühne – der Chef natürlich als Erster. Das erinnert daran, wie Thom Yorke einst die Gruppe beschrieben hat: „Radiohead funktionieren wie die UN. Und ich bin Amerika!“

Ein Konzertbericht von Julika Hüther.

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