Julika vom Klangmagazin traf DJ Spencer vom Karrera Klub Berlin
Die DJs Tim, Christian und Spencer beglücken seit 1996 Fans anspruchsvoller Musik mit dem Karrera Klub in Berlin. Wer sich für Indie, Retro, Wave, Alternative oder andere artverwandte Musik interessiert, findet hier eine Oase, in der das Wort „Mainstream“ nicht einmal gedacht, geschweige denn in den Mund genommen wird.
Was macht einen guten Indieclub aus? Hauptsache, er ist unabhängig, eben independent - und das auf jeder Ebene: Von der Musik über den Eintrittspreis bis hin zu den Gästen, die durch ihren vielseitigen und doch einheitlich anspruchsvollen Musikgeschmack erst die Würze des Ganzen ausmachen. Doch gerade wegen dieser speziellen Note fehlen vielen deutschen Indiediskos die Gäste und damit die finanziellen Mittel, um sich über längere Zeit halten zu können. Wie kann also ein Club “indie“ sein, wenn er in ganz Deutschland bekannt ist - und das seit acht Jahren?
Als sogenannte Veranstaltungsreihe ins Leben gerufen war der Karrera anfangs eine Möglichkeit, die persönlichen Favoriten der DJs in einem für das Berliner Indiepublikum zugeschnittenen Musikprogramm zu vereinen. „Christian zum Beispiel“, sagt DJ Spencer, „steht auf Dance. Wenn er auflegt, wird es automatisch grooviger. Dieser Mix macht den Karrera aus, denn so wird es nie langweilig, und jeder Abend ein Unikat.“ Natürlich ist auch die Musik heute nicht mehr das, was sie mal war: „Klar, das traditionelle Britpop-Ding gibt es nicht mehr, momentan ist alles erheblich rockiger – Jet, die Kings of Leon, die Strokes. Der Sound des Karrera entwickelt sich mit dem Sound der Bands“, sagt Spencer.
Darüber hinaus wächst die Fangemeinde stetig, was dem Nomadentum des Clubs zu verdanken ist. Regelmäßig wird die Location gewechselt, eine Methode, die nicht nur dazu dient, den Stammgästen einen Tapetenwechsel zu verschaffen: „Es ist wichtig, daß man mit den Leuten vor Ort gut zusammenarbeiten kann und daß die Gäste sich wohl fühlen. Jeder Laden hat außerdem eigene Gäste, die mitgerissen werden. Es gibt nichts Schlimmeres, als jeden Samstag in den gleichen Club zu gehen.“
So wurde aus der Hobbydisco rasch eine Aufgabe fürs Leben, denn nicht nur das Auflegen ist beim Karrera Handarbeit, auch das Marketing inklusive dem Entwurf der Flyer sowie das Anmieten der Locations gehören zu den Aufgaben der DJs. Außerdem trifft man das Trio immer wieder bei Gastauftritten in ganz Deutschland an. Vom Immergut Festival in Brandenburg über den Auftritt als Support Act von Bands wie Ash, Gomez und The Stone Roses bis zu Auftritten bei MTV oder Viva 2 – die Karrera DJs scheuen keine Mühen, um dem geneigten Indiepublikum den Alltag zu versüßen.
Neben der Veranstaltung von Record Release- und Aftershow-Parties ist der Karrera aber auch selber Veranstalter von Gigs, die regelmäßig Karreraabende einleiten. The Music, The Frank and Walters, Sportfreunde Stiller, Belasco, The Libertines, Tomte und andere waren in den letzten Jahren zu Gast. „Der Vorteil ist, daß wir oft Konzerte durch die darauffolgende Disko finanzieren. Diese Möglichkeit hat ein normaler Konzertveranstalter nicht. So können wir auch Bands engagieren, die in Deutschland noch unbekannt sind, woanders aber ein Geheimtip.“ Der Highlight des Jahres 2003 war deshalb das Konzert der Kings of Leon, für den Karrera ein großer Schritt ins Konzertbusiness. Erstmals wurde ein Gig nicht aus einer Party, sondern aus dem Eintrittsgeld der 800 Gäste finanziert.
Dieser Erfolg wird durch ein lokales Netzwerk aus Labels, Plattenläden und Musikmagazinen unterstützt. „Plattenfirmen kaufen Werbung auf unseren Flyern. Das Geld wird wieder in den Karrera gesteckt, zum Beispiel in das Anmieten von Räumen. Es ist ein Berlintypisches Konzept. In kleineren Städten gibt es gar nicht die Werbemöglichkeiten; in Berlin dagegen gibt es eine super funktionierende Infrastruktur.“
Nichtsdestotrotz ging die Missionarsarbeit in anderen Teilen Deutschlands weiter. „Als uns 1998 jemand aus Frankfurt am Main anrief, war die Stadt indiemäßig noch im Dornröschenschlaf. Die folgende Party war so erfolgreich, daß sich bald alle einig waren: Frankfurt braucht den Karrera!“ Seitdem gibt es einen Ableger des Clubs in der Mainmetropole, der einmal monatlich zum Tanz bittet. Da Geld- und Zeitaufwand auf Dauer zu groß waren, wurde DJ Markus als lokaler Vertreter des Karrera eingesetzt. Er übernimmt nun sechs der insgesamt zwölf Termine pro Jahr.
Kritiker sagen, diese Expansion sei ein Zeichen von Kommerz und auch die zahlreichen Gastauftritte in ganz Deutschland liessen vermuten, daß es den DJs mehr um Erfolg und Anerkennung als um die Rettung des Indie geht. „Der Berliner Karrera ist unser Herzstück, und so soll es auch bleiben.“ Sagen sie. „Uns ist am Wichtigsten, den Standard und den Kontakt zu den Leuten zu erhalten. Auf diese Weise beugt man dem Größenwahn vor. Das Problem am Indiesein ist, daß man auch hier Geld machen muß, um zu überleben. Nur weil wir auf den Flyern werben, können wir die Parties bezahlen.“ Es ist also ein regelmäßiger Kreislauf ohne große finanzielle Loopings, nur mit vereinzelten Kurven, mit dem sich letztendlich der Kreis der Karrerabahn schließt.
Weitere Infos unter www.karreraklub.de
Ein Konzertbericht von Julika Hüther.
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