.:o:. Do you come from a land down under?. .:o:.
Australien hat für Kulturkenner einiges zu bieten. Malerei, Literatur und Theater sind sehr stark von Geschichte der australischen Ureinwohner beeinflusst. Aber auch in der australischen Rock- und Popmusik hat die „Traumzeit“ der Aboriginés ihre Fußabdrücke hinterlassen. Nicht nur Men at Work, Yothu Yindi oder Midnight Oil repräsentieren die facettenreiche australische Musiklandschaft. Australien Fan Red Sandy hat in ihrer australischen Bücherecke gestöbert und einiges zur australischen Musikszene des vergangenen Jahrhunderts herausgefunden.
„How can we dance when our earth is turning?“ (Midnight Oil).

Als der australische Dichter Andrew Barton Paterson 1895 seine Ballade „Waltzing Mathilda“ schrieb, konnte er nicht ahnen, dass dieses Lied einmal zum (inter)nationalen Evergreen avancieren würde. Bis heute erklingt es zu allen sich bietenden Gelegenheiten aus allen Kehlen. Der Text verknüpft zwei historische Faktoren - den Selbstmord eines Schafscherers und das Ableben eines volltrunkenen Kollegen, der in ein Wasserloch fiel - zu einer neuen Aussage. Er erzählt die Geschichte eines Vagabunden, der sich nach dem Diebstahl eines Schafs in einem Wasserloch ertränkt, um sich der Ergreifung durch ihn verfolgende Polizisten zu entziehen. Längst wird der Song, der auf eine schottische Melodie zurückgeht, landesweit als heimliche Nationalhymne angesehen. Die Beliebtheit dieses „Reisebündels eines Vagabunden“, so in etwa die deutsche Übersetzung des Titels, erklärt sich auch dadurch, dass in dem Text ein für den weißen Australier typisches Ideal zum Ausdruck kommt: Der freie Bürger ist nur sich selbst und seinem Individualismus verpflichtet und lehnt die Reglementierung durch staatliche Organe ab.

Daß kein anderes Lied eine ähnlich eigene Kraft für sich beanspruchen kann, weist auf eine kulturelle Besonderheit Australiens hin: Nagende Selbstzweifel der künstlerischen Intelligenz, die bis in die siebziger Jahre mehr oder weniger erfolgreich ihr Gefühl der regionalen Isolation zu bekämpfen suchte. Anders wurde das erst durch die finanzielle Förderung unter der Whitlam-Regierung, die 1972 einen regelrechten Rückkehr-Schub auslöste: Die „expatriates“ kehrten den USA, England und anderen Ländern den Rücken, um erstmals eine schillernde, sinnenfrohe, explodierende Kunstszene ins Leben zu rufen. Von diesem Aufbruch zehr das aufgeklärte Australien noch heute.

Country: Dingos und Bier.
Dingos sind wilde Hunde, die manchmal mit ihrem Geheul die Untermalung für den Lagerfeuerabend im Busch liefern: Naturklänge, die den Großstadtaustralier zur Romantisierung des Buschmythos dienen. Die erste goldene Schallplatte in Austalien heimste auch Australiens Countrysänger Nr. 1 David Gordon Kirkpatrick, bekannt als „Slim Dusty“, 1957 mit einem Song ein, in dem es hieß „Oh. It´slonesome away from your kindred and all, by the campire at night while hearin´ the wild dingoes call. But there´s nothing so lonesome, morbid or drear than to stand in the bar of a pub with no beer.“

Die australische Countrymusik lebt, wie keine andere Stilrichtung von der „Harmonisierung“ australischer Mythen. Doch während amerikanische Country-Songs sich auch um Liebe, Frauen und Scheidung drehen, geht es bei Slim Dusty ausschließlich um Kumpel, Viehtreiber, Selbstvertrauen und Bier. Damit trifft er offensichtlich die Sehnsüchte einer Nation, denn bis heute verkaufte er rund drei Millionen Platten. Und das bei nur sechzehn Millionen Einwohnern, die zu 85 Prozent in den Großstädten an der Südostküste leben. Die meisten von ihnen haben noch nie eine Fuß ins „Outback“ gesetzt, wo die wilden Dingos heulen.

Australian Rock
Erst in den achziger Jahren fanden australische Rockbands als Australier weltweite Aufmerksamkeit. Zuvor mussten sie ihre Erfolge im Ausland suchen. Australien war für Europäer und Amerikaner musikalisch ein weißer Fleck auf der Landkarte. Als erste packten in den Sechzigern die Bee Gees ihre Koffer und gingen zunächst nach Großbritannien, später in die Staaten. Die Easybeats sangen ihr „Friday on my Mind” zuerst in den europäischen Charts, zu Hause war damit kein Blumentopf zu gewinnen. Auch Bands wie Air Supply, AC/DC, The Little River Band und Solisten wie Rick Springfield und Olivia Newton-John suchten ihr Glück in der Fremde. Die Einsicht, dass die Hinwendung zu den größeren Märkten die eigene kulturelle Identität, das Stilgefühl und die Moral korrumpieren, folgte allerdings wenig später.

Anfang der Achziger – längst war das internationale Pop-Publikum dank Medien-High-Tech und globaler Vermarktungsstrategien enger aneinandergerückt – klärte die Band Men at Work mit ihrem Song „Down Under“ den Rest der Welt ein Stück weiter über den fünften Kontinent auf. Die Antwort auf die Frage „Do you come from the land down under, where women glow annd men plunder?“ hieß schlicht “I come from the land down under where beer does flow and men chunder (wo das Bier fließt und die Männer kot...)“. Die Band von Colin Hay konnte sich mit ihrem musikalischen Landschaftsportrait mehrere Wochen in den Spitzen der europäischen und amerikanischen Charts halten und ließ dortige Produzenten hellhörig werden. In England war es vor allem die Konservenmusikmaschine der Herren Stock, Aitken und Waterman, die australische Jungsänger wie Jason Donovan oder Kylie Minogue zu Teeny-Stars hochpuschte.

Doch viele blieben mittlerweile im Land und sschafften ihren internationalen Durchbruch auch von daheim aus. So etwa INXS, die in den USA neue Verkaufsrekorde für australische Bands markierten, Crowded House, The Church, Black Sorrows oder auch John Farnham, der Dank Promotion und nationalem Engagement als erster Musiker zum „Australier des Jahres“ (1987) gewählt wurde. Zu den Newcomern der Rockszene, von denen einige schon wieder etwas alt aussehen, gehören Silverchair, Euroglide, Noiseworks, Hunters and Collectors, der von Kritikern einst mit Elvis verglichene (Johnny) Diesel und die mittlerweile zur Kultband avancierten Go Betweens. Mit seinen düsteren Klängen spielt Nick Cave eher für eine kleinere Fangemeinde, schaffte im Duo mit Kylie Minogue aber auch den Sprung in die Hitparade („Wild Rose“). Wer von den neueren Namen langfristig überzeugt, bleibt alleridngs abzuwarten. Die Bühnen für die Newcomer stehen in den zahllosen Clubs, Bars oder Hotels der Metropolen: In Sydney etwa das „Oz-Rock-Cafe“, in Melbourne „The Venue“ oder „Chasers“. Dabei gilt die Devise: Je neuer die Band, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie in den kleineren Bars der inneren Suburbs spielt. Die Bands, die ihr kommerzielles Potential schon unter Beweis gestellt haben, treten in den größeren Lokalen der äußeren Suburbs auf.

Music and Message Bands mit nationalem Selbstbewusstsein bringen dies auch durch ihre Namen zum Ausdruck: „Redgum“ (eine Eukalyptusart), „Goanna“ (eine große Echse), „Gondwanaland“ und vor allem Yothu Yindi sind Beispiele hierfür. In einer Mischung aus traditionellen Tanzrhythmen und zeitgenössischem Hardrock-Beat produziert die Gruppe einen kraftvollen Sound und reflektiert in ihren Texten die Leidenschaft und die Frustration der Aboriginés. Der Sänger Mandawuy Yunupingu wurde 1992 als „Australier des Jahres“ ausgezeichnet.

Beim Stichwort Pop und Politik fällt in Australien ein weiterer Name: Peter Garrett, Markenzeichen Glatze, Sänger der Gruppe Midnight Oil und 1984 Kandidat der Nuclear Disarmament Party für den Senat in New South Wales. Damals verlor er gegen den Demokraten Colin Mason. Um so mehr ist der anschließend zum Präsidenten der Australian Conservation Foundation gewählte Garrett in Sachen Musik mit politischen Anspruch unterwegs. „Die meisten Plattenfirmen arbeiten wie Heroindealer“, so Garrett in einem Fernsehinterview, „sie verkaufen etwas, hinter dem alle her sind. Sie bestimmen den Preis und benutzen ihre Macht, um die Leute zu manipulieren. Es gibt keine Moral im Musikgeschäft, auch nicht hier in Australien. Die Popszene könnte mehr Ehrlichkeit gebrauchen. Die Meisten im Popgeschäft sind Betrüger, die ihr Publikum täuschen und sich um ihr Äußeres und ihre Beziehungen kümmern. Wenn Deine Musik dagegen Substanz hat, merken das die Leute früher oder später.“

Zwei der politischen Themen, deren sich Musiker zur Zeit verstärkt annehmen, sind die Probleme der Aboriginés und Umweltschutzfragen. Die Stadt Sydney leitete jahrelang ihre Abwässer direkt ins Meer, was an einigen Stränden dazu führte, dass Surfen oder Schwimmen gesundheitsgefährdend war. Einige Badegäste erkrankten. Mit einer großen Freiluftveranstaltung am Bondi-Beach in Sydney machten verschiedene Rockgruppen auf diese Problematik aufmerksam. Das Musikprojekt „Building Bridges“, ein Doppelabum, auf dem sich weiße und Aboriginé-Bands präsentieren, war ein Versuch, über die Musik als Informationsträger rassische Vorurteile abzubauen und Gleichberechtigung zu praktizieren. Auf dieser Platte wirken unter anderem mit: Midnight Oil, Paul Kelly, Joe, Geia, Swamp, Jockeys, INXS, Coloured Stone, Spy vs. Spy und Ilkary Maru.

Das gewachsene Interesse am Schicksal der Aboriginés ist häufig Auslöser für übergreifende, kritische Fragen in den Songs des jungen suburban Australia. Als bekannteste Vertreter gelten Kevin Carmody, Tiddas und der Aboriginal Singer-Songwriter Archie Roach, dessen Debut-Album „Carcoal Lane“ große Beachtung fand. Freilich sind viele der kleinen, engagierten Bands von der kommerziellen Musik-Promotion-Szene abgeschnitten. Wer sich aber ein wenig umhört, wird in vielen australischen Clubs und Hotels Bands entdecken, die von ihrer musikalischen Qualität und der Eigenständigkeit ihrer Texte her eine größere Bekanntheit verdient hätten.

Solche Bands sind auf Anhänger angewiesen, die ihnen jahrelang die Treue halten. Als Beispiel für viele mag Man Friday dienen, die den nationalen Durchbruch mit Texten wie dem folgenden wohl auch nicht schaffen wird:
„Native population is causing consternation.
You don´t know what to say, you don´t know what do da.
Hopes and aspirations, land of milk and honey –
For some it´s just dispair.“

Wer blödelt, hat weitaus bessere Chancen. Davon kann Joe Dolce ein Lied singen. Sein im italienischen Einwanderer-Englisch vorgetragener Song „Shaddap your Face“ gilt mit weltweit viel Millionen abgesetzten Exemplaren als meistverkaufte australische Single.

1995 erreichten Silverchair mit „Frogstomp“ und dem Schlagwort-Hit "Tomorrow" den internationalen Durchbruch. Die Presse feierte sie als Nachfolgeband von Nirvana und stempelte in fetten Lettern „Grunge“ auf die 14jährigen Musiker. Mit den Nachfogealben „Neon Ballroom“ und „Freakshow“ bewiesen sie, dass sie mehr als Cobain und Vedder Imitatoren waren. 2001 arbeitete man bereits am vierten Album "Diorama". "The Dissociatives" gibts seit April 2004. Dieses Album wurde von Daniel Johns and Paul Mac ins Leben gerufen. Paul war bei Silverchair für den Remix von "Freak" verantwortlich, lieferte “keyboards and other noises” zu Silverchair’s “Neon Ballroom” und “Diorama” und stand einige Male mit der Band auf der Bühne. Durch diese kreativen Erfahrungen wurden die Musiker Freunde. Dies brachte sie auf die Idee, im Jahre 2000 eine experimentelle EP “I Can’t Believe It’s Not Rock” zu produzieren.

Quelle u. a. : Dirk Wegener - „Australien“
erschienen in der Reihe „Anders Reisen“ im Rowohlt Verlag

Text und Artwork: Sandra Roth http://www.8ung.at/red.sandy

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