.:o:. Burrkuwurrkumi. Raywa raywa raywuyuwa. Wirrkul madayin. .:o:.
Thomas Schröter ist Musiktherapeut an der Fachhochschule Frankfurt am Main, diplomierter Sozialpädagoge und Heilpraktiker in der Fachrichtung Psychotherapie. Er leitet eine Praxis für Musiktherapie und Gesundheitsberatung. Er ist 43 Jahre alt und Vater von vier Kindern. Auf seiner Site www.klangtraeume.de gibt’s Wissenswertes über „Musikerfahrungen“ und die heilende Kraft der Musik. Fasziniert vom Klang des Didgeridoos hat er sich mit den Hintergründen und der heilbringenden Kraft dieses einzigartigen uralten Instuments aus Australien auseinandergesetzt.
"Singing children of the earth. Praise the journey of the songlines. Find the sign and follow the sun."
(Yothu Yindi)

Noch bevor ich als Besucher eines Folklorefestivals zum ersten Mal ein Didgeridoo zu Gesicht bekam, hat mich sein magisch anmutender Klang fasziniert. Mit seinen sinusartigen Obertönen ähnelt er in gewisser Weise dem eines Synthesizers der älteren Generation, wie ihn damals mein Musiklehrer in der Schule vorstellte. Ich lauschte und versuchte mir vorzustellen, wie das Instrument wohl aussehen könnte. Ich war nicht wenig überrascht, als sich herausstellte, dass es sich um ein höchst primitives und urtümliches, ja möglicherweise um das älteste Instrument der Menschheit überhaupt handelte.

Um diesem Instrument näher auf die Spur zu kommen, habe ich an einem Didgeridoo-Workshop teilgenommen: In einer großen Turnhalle "brummten" wir mit 20 Teilnehmern stundenlang vor uns hin. Zunächst einmal galt es, den jeweiligen Grundton der klingenden Hölzer auszuloten und diesen so lange wie möglich zu halten. Am Abend fanden wir uns mit einigen Teilnehmern zum Essen in einer Pizzeria ein. Irgendetwas hatte dieser Workshop in mir ausgelöst. Mir war, als schwebte ich - wie im Traum - ziemlich vor mich hin. In der anschließenden Nacht habe ich sehr unruhig geschlafen und äußerst bizarr geträumt: Ich fühlte mich versetzt in ein früheres, urzeitliches Leben.

In der Zwischenzeit bin ich wieder auf dem Boden der Realität gelandet. Das Didgeridoo jedoch hat bis heute nichts von seiner von mir ursprünglich empfundenen Faszination verloren. Seit dem Workshop spiele ich fast täglich auf diesem Instrument - zu meinem eigenen Wohlbefinden. Nach ungefähr zwei Wochen habe ich die charakteristische "Zirkularatmung" gelernt, von der ich anfangs dachte, daß sie nur von den Ureinwohnern Australiens und wenigen begnadeten Europäern, doch zu allerletzt von mir, erlernt werden könne. Immer wieder aufs Neue gelingt es mir, diesem "Rohr" neue Klänge zu entlocken. Gerne experimentiere ich damit, wie sich der Klang in Abhängigkeit von dem jeweiligen Raum, in dem ich spiele, verändert.

Das Didgeridoo, das bedeutet „Klangholz“, ist ein von Termiten ausgehöhltes Astrohr aus Eukalyptusholz oder Bambusrohr. Es ist das einzige Blasinstrument der Aborigines, der Ureinwohner Australiens, und wird von ihnen schon seit Tausenden von Jahren gespielt. Vermutlich ist es das älteste Blasinstrument der Menschheit überhaupt. Das Didgeridoo hat eine Länge von 1,30 m bis 1,70 m. Gelegentlich finden sich aber auch kleinere Exemplare von nur 60 cm oder größere bis zu 2,50 m Länge. Der Innendurchmesser des Holzrohres liegt zwischen drei und acht Zentimetern.

Der mit diesem Instrument erzeugte Ton basiert auf Vibrationen der Lippen. Das Didgeridoo besitzt kein spezielles Mundstück. Stattdessen wird das obere Ende häufig mit Bienenwachs ausgeformt, um den Durchmesser des Rohres zu verkleinern und Verletzungen an der Lippe zu verhindern. Je nach Wachstum des Baumes hat jedes Instrument seine eigentümliche, mehr oder weniger regelmäßige Form. Die Besonderheit beim Spielen des Didgeridoo ist die sogenannte Zirkularatmung, mit der man einen Ton minutenlang halten kann. Die Höhe des Tons ist abhängig von der Länge des Holzkörpers. Für den Klang sind Dicke und Härte, aber auch der Innendurchmesser des Holzes verantwortlich. Das Instrument ist häufig mit Tiermotiven aus der "Traumzeit" der Aborigines bemalt.

Das Didgeridoo ist ein traditionelles Musikinstrument der australischen Ureinwohner, das sich bereits auf 20.000 Jahre alten Felszeichnungen finden läßt. Lange Zeit wurden die Kultur der Aborigines von Amerikanern und Europäern außer acht gelassen und das Didgeridoo zu einem nicht ernstzunehmenden Kuriosum erklärt. Mit der Eroberung des fünften Kontinents durch den Tourismus hielt dieses Instrument auch in Europa Einzug. Mittlerweile wird es gelegentlich in der Rock- und Popmusik eingesetzt, um Songs eine exotische Note zu verleihen. Was den Bekanntheitsgrad angeht, so hat das Didgeridoo durch das Uluru-Weltmusikfestival in der Schweiz im Jahre 1994 einen besonderen Auftrieb erfahren, dessen Schwerpunkt auf Australien und insbesondere auf dem Didgeridoo lag.

In Australien wird das Didgeridoo fast ausnahmslos von Männern gespielt. Mit seinem Aussehen und seinen Klängen verkörpert es das männliche und damit das gebende Prinzip, während der Raum, der den Klang aufnimmt und verstärkt, beispielsweise eine Höhle, als weiblich gilt. Bei den Aborigenes wachsen die Kinder von Geburt an mit dem Didgeridoo auf. Was ihre Entwicklung angeht, so lassen sich verschiedene Lernstufen unterscheiden, in denen sie sich tief in die Geräusche der Natur einfühlen, um sie dann so genau wie möglich auf dem Didgeridoo nachzuspielen. Auf diese Weise lernen sie, Gefühle und Eindrücke mit bestimmten Klängen und Rhythmen zu verbinden. Umgekehrt können später durch das Spiel bestimmte Emotionen und Erfahrungen wieder abgerufen werden.

Beim Spielen des Didgeridoos gibt es in Australien regionale Unterschiede. Gewöhnlich wird es von Klanghölzern, Händeklatschen und Gesang begleitet. Innerhalb ihres Stammeslebens widmen die Aborigines einen Großteil ihrer Zeit dem traditionellen Leben. Jede Geschichte, die vermittelt wird, ist mit einem bestimmten Tanz oder Rhythmus verbunden. Die Lieder, die die sogenannten "songlines" beschreiben, haben ihren Ursprung in der "Traumzeit", einer Art Schöpfungsgeschichte. Darin wird erzählt, wie die Traumzeit-Ahnen durch das kahle und eintönige Land zogen.

Vor ihren Wanderungen legten sie sich schlafen und träumten die Ereignisse des folgenden Tages. Auf diese Weise ertäumten sie auch die gegenständliche Welt, die topographische Landschaft, Sonne, Mond, Sterne, Tiere, Menschen und viele andere Dinge. Die Aborigines sagen auch, dass die Traumzeit-Ahnen alles, was wir heute vorfinden, ins Leben "gesungen" haben. Am Ende des Schöpfungsprozesses verwandelten sie sich in Tiere oder Bäume oder gestalteten sich zu geografischen Formationen, die die Nachfahren zu ihren Kraftplätzen machten.

Diese Traumzeit-Mythologie hat rund hundertfünfzigtausend Jahre lang "eine Kultur genährt, die in Harmonie mit der Natur lebte und voller Kraft, Vitalität und Lebensfreude war". Das Didgeridoo ist für die Aborigenes weit mehr als nur ein Musikinstrument. In ihren täglichen Liedern und Ritualen nehmen die Aborigenes heute noch Kontakt zu ihren jeweiligen Traumzeit-Ahnen auf, wobei der Klang des Didgeridoo manchmal die Stimmen der Ahnen verkörpert. Hinsichtlich solch heiliger Zeremonien unterscheidet man Initiations- und Trauerrituale. Der Klang des Didgeridoos in den Trauerritualen soll die Reise der Seele des Verstorbenen in das Land der Toten angenehmer machen und auf die Hinterbliebenen schmerzlindernd wirken. Das Didgeridoo wird von den Aborigines sowohl für profane als auch für spirituelle Zwecke eingesetzt. Gelegentlich werden auch kranke Menschen oder deren erkrankte Körperteile direkt "angeblasen". Das Heilen ist für die Aborigenes jedoch ein so natürlicher Vorgang, dass es nicht eigens hervorgehoben wird. Man spricht weniger darüber, sondern tut es einfach. Ganz selbstverständlich sind auch die tranceähnlichen Zustände, in die sich die Aborigines unter anderem mit dem Didgeridoo versetzen.

Das Didgeridoo zählt, wie das Alphorn, der Gong und das Monochord zu den Instrumenten, die nur auf einem Grundton basieren. In das Spiel des Didgeridoo sind die Lippen fast vollständig einbezogen. Im Gegensatz zum Trompetenspiel jedoch befinden sich die Lippen in einem völlig entspannten Zustand und vibrieren mit der ausgeatmeten Luft, ähnlich wie die Lippen eines Säuglings beim "Brabbeln". Über dem brummenden, dunkel klingenden Grundton lassen sich durch Veränderung des Resonanzraumes, der Mundhöhle, und der Zungenstellung unzählig viele Obertöne produzieren. Die Klangwelten, die ein geübter Spieler auf der Basis des vibrierenden Grundtons entstehen lassen kann, sind erstaunlich. Sie reichen von einfachen Windgeräuschen über Knurren und Grunzen bis hin zum Trällern und Hupen. Darüber hinaus lassen sich zu dem Grundton durch Zungen-, Gaumen-, und Kehlkopfbewegungen noch rhythmische Figuren erzeugen, die vom sanften Akzentuieren bis zu harten und aggressiv klingenden Rhythmen reichen.

Mit dem zusätzlichen Einsatz von Sprache können Ton und Klang harmonisch und disharmonisch moduliert werden. Ebenso lassen sich Tiergeräusche, wie beispielsweise das Bellen eines Hundes oder das Wiehern eines Pferdes, imitieren. Die Stimme selbst wird dabei so entfremdet, dass sie fast nicht mehr zu erkennen ist. Die Besonderheit des Didgeridoospielens besteht darin, dass - im Gegensatz zu traditionellen Blasinstrumenten - der Ton nicht abreisst. Mit Hilfe der Zirkularatmung entsteht ein quasi endloser Klang. Dabei hält man den Ton dadurch aufrecht, dass man mit der Restluft aus den Backen weiterbläst, während man gleichzeitig über die Nase einatmet. In Abhängkeit von der Beschaffenheit des Instrumentes (Holzart, Dicke des Holzes, Länge und Größe des Durchmessers) und der Konstitution des Spielers (Dicke der Lippen, Atemvolumen, ...) gestalten sich die Klänge höchst individuell.

So exotisch Aussehen und Klang des Didgeridoo auch sein mögen, so sicher steht fest, dass es ähnliche Instrumente in unserem Kulturkreis auch früher schon gegeben hat. Es ist naheliegend, dass Menschen im Laufe ihrer stammesgeschichtlichen Entwicklung schon früh mittels hohler Äste oder Stoßzähnen von Tieren Laute hervorgebracht haben. Während die Zirkularatmung ebenfalls in Afrika und Asien Anwendung fand, geriet sie in Europa nahezu in Vergessenheit. In füheren Zeiten war bei uns der "Bordunton", ein die Melodie permanent begleitender Grundton, sehr verbreitet: Ein Ton, wie wir ihn vom Dudelsack oder von der Drehleier kennen. Heute reisen Menschen nach Australien, um diese alte Spieltechnik, wie sie beispielsweise auch bei den keltischen Hörnern üblich war, wieder zu erlernen.

Den Jahrtausende alten Erfahrungen der Aborigenes mit dem Didgeridoo stehen nur wenige Jahre Erfahrung der Menschen unseres Kulturkreises gegenüber. Viele, die das Instrument zum ersten Mal hören, empfinden seinen Klang als "urig", "archaisch" oder "mystisch". Viele sprechen von einer Aura, die den Klang des Instrumentes umgibt. Sie erleben den Klang als stark energetisierend oder auch hypnotisierend, manche haben dabei das Gefühl, in den Himmel emporzusteigen oder - diametral dazu - in die Erde zu versinken. Andere verspüren die Vibrationen im ganzen Körper und nehmen ihre darin manifestierten Blockaden wahr. Die Vibrationen des Didgeridoo haben eine belebende und massierende Wirkung auf den Körper.

Was die energetische Wirkung betrifft, so könnte man sagen, dass der Grundton mehr auf den irdischen und die Obertöne mehr auf den spirituellen Bereich des Menschen wirken. Nach Ansicht des Musiktherapeuten Wolfgang Strobel entspricht der Klang des Didgeridoo einem "bestimmten energetischen Urmuster, welches in Resonanz steht mit einem ganz bestimmten psychologischen Bedeutungshof".

Die Psychologie nennt Themenfelder wie ein "Gefühl des Geerdetseins und eines der Naturverbundenheit, getragen auf einer soliden Basis". Die Gefühlstönung ist animalisch, lustvoll, vital, kraftvoll und archaisch. Wie bei keinem anderen Klang erscheinen häufig Bilder aus der Frühzeit der Menschheit." Wenn jemand in der Lage ist, das normale Wachbewusstsein loszulassen, tauchen gelegentlich Bilder aus dem tiefsten Unbewussten auf, ähnlich wie sie der weltbekannte Psychotherapeut Stanislav Grof bei Menschen mit LSD-Erfahrung herausgefunden hat.

So wie andere exotische Instrumente, so hebt sich auch das Didgeridoo von den Instrumenten unseres Kulturkreises dadurch ab, das es sich den üblichen Bewertungsschemata entzieht. Damit entfällt der Leistungsdruck, den viele Menschen mit dem Erlernen eines Musikinstrumentes verbinden. Das Spiel auf dem Didgeridoo erfordert weder Noten noch komplizierte Grifftechniken oder Rhythmen. Jedes Spiel ist einzigartig und unverwechselbar, jenseits jedweder musikalischer Normen. Damit lädt es den Spieler ein zu experimentieren und selbst, ganz dem eigenen Tempo entsprechend, neue Klänge zu entdecken. Die Spielfreude, die dabei entsteht, ist gar nicht hoch genug zu bewerten.

Die meisten Menschen - so durch eine körperliche Behinderung nicht eingeschränkt - sind in der Lage, nach ein paar Versuchen bereits einen Grundton und verschiedene, einfache Obertöne zu erzeugen. Für die Zirkularatmung braucht man einen gewissen Grad an Fertigkeit und eine geraume Zeit der Übung. Sie ist nicht unbedingt notwendig, um daraus einen therapeutischen Nutzen zu ziehen. Besonders geeignet für therapeutische Zwecke ist der Einsatz bei Kindern, die noch relativ unbedarft mit Atmung und Stimme umgehen. Statt der relativ teuren und schweren Didgeridoos aus Australien empfehlen sich hierfür Abwasserrohre aus dem Baumarkt, die man mit schönen bunten Farben bemalen oder besprühen kann. Diese Rohre sind außerdem im Gegensatz zu den relativ teuren Originalen gut und leicht zu halten und bieten auch klanglich eine gute Alternative.

An dem eingangs von mir erwähnten Didgeridoo-Workshop nahm auch ein durch das in den 60er Jahren ausgegebene Schlafmittel Contergan geschädigter Körperbehinderter teil. Sein Didgeridoo war an einem Stuhl befestigt, so dass es ihm in idealer Weise möglich war, sich auch ohne den Gebrauch von Extremitäten mittels verschiedenster Klänge und Rhythmen auszudrücken.

Das Didgeridoo-Spielen, insbesondere die Zirkuläratmung hat eine eine sehr entspannende Wirkung. Wenn man sich darauf nicht nur körperlich, sondern auch seelisch und geistig einlässt, dann kann man die Atmung als etwas Kreisförmiges erleben. Dies hat einen sehr milden, harmonisierenden Effekt, ähnlich dem einer Meditation. Das Didgeridoo ist ein sensibles Instrument, mit dem aber auch Enttäuschung oder Ärger "herausschreien" kann. In den Lippen laufen viele Nervenendungen zusammen. Die belebende Wirkung ist zum Teil auch auf die Reizung dieser Nervenenden rückführbar. Immer wieder wird von ehemaligen Teilnehmern von Didgeridoo-Workshops berichtet, dass bei ihnen durch das Didgeridoo-Spielen das Gehör sensibler geworden ist und sich das Wahrnehmungsspektrum des Gehörs vergrößert hat. So glauben sie beispielsweise auch, aus den vielen Umweltgeräuschen der technisierten Welt den entspannend wirkenden Grundton herauszuhören.

Das Didgeridoo ist eines der wenigen Blasinstrumente, bei dem die Klänge auch als Vibrationen über die Haut gespürt werden können. Dies macht man sich in der westlichen Welt therapeutisch zunutze, indem man, ähnlich wie die Aborigines, den Körper des Kranken oder Klienten "bespielt". Auf diese Weise wird das Didgeridoo, wie beispielsweise von dem Musiker und Therapeuten Gary Thomas in Heimen auf Tahiti und London, bei autistischen, blinden und taubstummen Kindern eingesetzt. Das Bespielen eines Körpers kann man auch dort einsetzen, wo eine physische Berührung - aus welchen Gründen auch immer - gar nicht oder aber noch nicht möglich ist. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch die von Didgeridoolehrer Frank Köstler entwickelte "Klanggrube". Dabei legt sich ein Mensch flach oder auch zusammengekauert in eine eigens dafür ausgehobene und mit einer Mamorplatte abgedeckte Erdgrube. Durch eine Öffnung wird er mit dem Didgeridoo "angeblasen". Mit dieser Therapieform ist es möglich, ein fehlendes Körpergefühl zu wecken und das Körperbewusstsein zu sensibilisieren. Oft werden dabei auch Energieblockaden spürbar.

Häufig werden mit dem Einsatz des Didgeridoo auch Rituale, Heilungszeremonien, Reisen durch die verschiedenen Energiezentren im Körper, Visualisierungen und vieles mehr klanglich unterstützt. In Selbsterfahrungsgruppen werden sogenannte Klangmassagen, das heisst, das Bespielen eines Einzelnen durch die Gruppe durchgeführt.

In einigen neueren Therapieformen wird das Didgeridoo in Verbindung mit Atemtechnik, Meditation oder Hypnose dazu verwendet, Menschen kurzfristig in Trance zu versetzen. Die musiktherapeutische Arbeit mit tranceähnlichen Zuständen ermöglicht einen relativ direkten Zugang zum Unbewussten und lässt sich über die Musik leicht steuern. Der Musiktherapeut Wolfgang Strobel verfügt über sehr gute Erfahrungen mit der Arbeit in anderen Bewusstseinszuständen. Er hat ein Verfahren entwickelt, das er als "klanggeleitete Trance" bezeichnet, und bei dem er den Klienten mit dem Didgeridoo, das er selbst bläst, in einen Trancezustand begleitet. Es ist relativ einfach, mit Musik solche Zustände hervorzurufen.

Die Arbeit mit veränderten Bewusstseinszuständen steckt bei vielen Therapeuten, besonders im Bereich der Musiktherapie, noch in den Kinderschuhen. Im Zuge meiner Recherche habe ich den Eindruck gewonnen, dass - von einigen wenigen Ausnahmen einmal abgesehen - das Didgeridoo häufiger von Musikern und sogenannten "Heilern" im esoterischen Bereich, als in der Musiktherapie zur Anwendung kommt. Allen "Heilern" gemeinsam ist, dass sie keine fachspezifische (musik)therapeutische Ausbildung haben, sondern ihr Handwerk durch andere "Heiler" erworben haben.

Dies entspricht ganz und gar dem traditionellen Umgang, wie ihn die australischen Ureinwohner beispielsweise mit dem Didgeridoo noch heute pflegen. Die Urvölker wissen schon lange, dass sich mit Musik, insbesondere mit langandauernden, monotonen Klängen andere Bewusstseinszustände erzeugen lassen und dass diese mystischen Zustände zutiefst heilend sein können.

Die fortschreitende Industrialisierung unserer westlichen Welt, die Überbetonung des rationalen Bewusstseins und die damit einhergehende, weitgehende Ausgrenzung veränderbarer Bewusstseinszustände aus dem gesellschaftlichen und auch religiösen Leben hat in unseren Breiten dazu geführt, dass uns dieses Wissen verlorengegangen ist. Für uns, die wir in den vermeintlich entwickelten Ländern leben, ist lediglich das Realität, was wir sehen und empirisch nachprüfen können. Alles andere ist wenn nicht verpönt, so doch unerwünscht, wird oft von uns in den Bereich der Scharlatanerie verbannt und manchmal gar als pathologisch stigmatisiert. Und das nur, weil wir das uns Unbekannte nicht (be)greifen, es auf rationalem Wege nicht erschließen können und es letztendlich aus Angst abwehren.

Daß wir auf Dauer nicht auf diese "anderen Dimensionen" verzichten können, zeigt die gleichzeitige Zunahme des Drogenkonsums. Mit Hilfe diverser Rauschmittel versuchen immer mehr Menschen, sich in andere Bewusstseinszustände zu versetzen. Oft wird dies einseitig als Flucht vor der Realität verurteilt, ignoriert wird die sich dahinter verbergende Sehnsucht nach Nähe, Hingabe und Verschmelzung nach der anderen, umfassenderen, sinngebenden spirituellen Dimension des Lebens. Viele "Heiler" verfügen über einen Erfahrungsschatz, den sich Therapeuten durchaus zunutze machen könnten, wäre ihr Blick nicht durch eine einseitig rationale Sicht verstellt. Wenn man einen Menschen heilen will, und das will Musiktherapie schließlich, dann muss man den Begriff der Heilung zunächst klar definieren. Heil werden heißt nicht, einen "paradisischen Idealzustand" erreichen. Heil werden heißt vielmehr, wie der Musiktherapeut Wolfgang Strobel treffend formuliert, wieder "in Fluß, wieder in Schwingung kommen, ein Ungleichgewicht kompensieren, vermeintliche Polaritäten wie weiblich und männlich, gut und böse, Freude und Trauer, Leib und Seele, Himmel und Erde, Alltagsrealität und Traumwirklichkeit zu integrieren."

Dabei geht es nicht darum, zu einer magischen Weltsicht zurückzukehren, wohl aber darum zu erkennen, dass wir auch von den Aborigines und deren Instrument etwas lernen können. Wenn Menschen mehr und mehr dazu bereit sind, sich für das Erfahrungsfeld mit veränderten Bewusstseinszuständen zu öffnen, dann wird sich dies auch in unserem bisherigen, vorwiegend einseitig rational strukturierten, mechanistisch-funktionalen Weltbild widerspiegeln. Angesichts der ökologischen Bedrohung unserer Erde sind wir früher oder später gezwungen, uns darüber klar zu werden, was die alten Kulturen nie vergessen haben, nämlich, dass wir nur ein kleiner Teil einer größeren Gesamtheit sind.

Dieser Bericht entstand als studentische Hausarbeit.
Das komplette Literaturverzeichnis ist unter http://www.klangtraeume.de zu finden.

Text: Thomas Schröter http://www.klangtraeume.de
Artwork: Sandra Roth http://www.8ung.at/red.sandy

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