.:o:. CD Story .:o:.
"Mutabor" ist ein Zauberwort aus dem Märchen Kalif Storch und bedeutet: "Ich werde verwandelt werden". "Mutabor" ist auch der Name einer deutschen Band, die es durch ihren Mix aus Punk, Rock und Folk immer wieder schafft, ihr Publikum in eine tanzende Masse zu verwanden. Julika Hüther hat fürs Klangmagazin die neue CD "Individuum" der Kultband "Mutabor" gecheckt, das am 29. März erscheint. ...

Mutabor – Helden der guten Laune

Deutschlands humorvollste Gesellschaftskritiker erweitern mit dem neuen Album „Individuum“ die Grenzen des Flöten-Punk-Rock-Folks

„Mittels der Musik von Mutabor bekommt das Gefühl eine Sprache, löst sich aus der Umklammerung individueller Befindlichkeit und feiert die Leichtigkeit des Seins. Das Individuum wird auf seine eigentliche positive Stimmung zurückgeführt.“ (www.mutabornet.de)

1990, als auch in Wismar an der Ostsee die Nachricht durchdrang, dass nun in Ostberlin der Mercedes gegen den Trabant eingetauscht würde, die Deutsche gegen die DDR-Mark und Kohl gegen Honi, da fanden sich in einer Kneipe in Wismar, fernab von all dem Trubel dieser Welt, zwei Laienmusiker zusammen. Bald darauf starteten sie ein Bandprojekt, das alte Studenten- und Sauflieder aus dem Liederbuch „der schräge Turm“ zum Leben wiedererweckte.

Für Sänger Axel war das Projekt anfangs eher Selbsterfahrungszweck, es entwickelte sich aber aufgrund des Erfolgs der Live-Shows zu einer „richtigen“ Band, die 1991 nach Berlin zog. Hier entstanden die ersten eigenen Songs und nach ein paar Umbesetzungen war das heutige Mutabor geboren: Neben Sänger Axel traten Geigerin Helen, Flötistin Juliane, Gitarrist Paul, Bassist Marcus und Schlagzeuger Frank zur Rettung der Musik an.

Ihr origineller Stil, der von Musikkritikern Flöten-Punk-Rock-Folk getauft wurde, war bald über Berlin hinaus berühmt-berüchtigt und zog eine Fangemeinde nach sich, die mindestens so weit gefächert ist wie die Facetten des Mutabor-Sounds: Junge Punks lieben die Band für ihre energiegeladenen Konzerte und die Ska-Anlehnungen in der Musik. Dark-Wave-Fans sehen sich von den Blockflöten- und Geigenparts angezogen, die eher ungewollt an mittelalterliche Melodien erinnern. Und Anhänger deutscher Liedermacher begeistern sich für die oft gesellschaftskritischen Songtexte, die vor Sarkasmus und dunklem Humor nur so triefen. Aber selbst Freunde ruhigerer Musik und Feinde deutscher Bands, including your humble narrator, werden von Mutabor in den Bann geschlagen. Was nicht zuletzt daran liegt, dass die Band ihren Namen, der vom Lateinischen „mutare“, also verändern, kommt, alle Ehre macht.

Wies das 1998 veröffentlichte Debüt „Mutabor“ noch die besagten Punk-, Rock- und Folkelemente auf, Überbleibsel der „schiefen Turm“-Periode, zeichneten sich bei seinem Nachfolger „Ja Ja“ (2002) außerdem Reggae-Einflüsse ab. Textlich gesehen entwickelten sich Mutabor grob gesehen von der Sauf- zur Kifferband. Aber Achtung: So einfach ist die Sache nicht. Denn obwohl sich die Band oftmals mit so genanntem Drogenkonsum beschäftigt, hat sie vielmehr an der bewusstseinserweiternden Wirkung derselben Interesse. Und deshalb ist das am 29. März erscheinende neue Album „Individuum“ keineswegs ein Koks-, sondern ein Makana-Album.

„Makana“ bezeichnen die Äthiopier einen Zustand, der durch das Kauen einer bestimmten Pflanze verursacht wird. Wie hierzulande Kaffee und Nikotin wird dort vor allem von Studenten eine pflanzliche Droge zur Sinnesschärfung konsumiert, die außerdem eine euphorisierende Wirkung hat – genau wie die Musik von Mutabor. Auf ihrer Homepage passend als „Tanzmittel“ und „Stimmungsmacher“ bezeichnet, ist diese Musik tatsächlich ein Patent im Falle von „Überdruss, Lebensmüdigkeit, Realitätsschmerzen, Liebeskummer, Durchblutungsstörungen, Omnipotenz, Generationenproblemen, Drogenproblemen, sexueller Enthaltsamkeit, Egomanie und weltpolitischer Frustration“.

Eine solche Frustration behandelt auch die neue Platte „Individuum“. Helen, Mutabors erste Geige, erklärt den Albumtitel anhand des Covers, das eine anonym wirkende Stadt zeigt mit einer Häuserschlucht, in die man hineinzufallen droht: „Durch all das Unnatürliche, was die Menschen auf der Welt anhäufen – Autos, Wolkenkratzer, Einkaufspassagen und so weiter – verliert sich das Individuum irgendwann darin. Im Booklet gibt es dann noch ein Bild von einer Blumenwiese. Es soll die Leute daran erinnern, dass alles, womit man tagtäglich konfrontiert wird, eine selbstgeschaffene Welt ist, und aus der kann man auch nur selbst wieder hinausfinden.“

Heißt das jetzt: Schluß mit lustig? „Eigentlich sind alle Stücke auf der CD positiv, nur eins nicht, „Der Fisch“, das ist total düster. Ab und zu muss man sich eben auch mal fallen lassen.“ Grundsätzlich aber können Mutabor gar nicht anders, als Stimmungslieder zu schreiben. Als sie für das zweite Album „Es gibt keine Liebe“, Kultlied und Live-Favourite der Fans, neu aufnehmen wollten, versuchten sie sich an einer Moll-Version, um der Sache ein wenig mehr Tragik zu verleihen. „Als wir uns die fertige Aufnahme anhörten dachten wir uns: Nee, das ist nix, lass uns doch lieber wieder die alte Version spielen“, so Helen.

Trotzdem hebt sich das neue Album von seinen Vorgängern ab. Erstmals wurden Songs mit englischen und spanischen Texten eingespielt. Mit den 17 Titeln wurde fast die ganze Kapazität einer CD, also gut 70 Minuten, genutzt. Im Zeitalter der THE-Bands, die grundsätzlich nicht über eine Länge von 40 Minuten hinauskommen, um ihre durch und durch minimalistische Musik zu präsentieren, ist das ein Angebot, das man nicht abschlagen sollte.

Wem das allerdings nicht genug ist, der sollte sich von der Mutaborkonzertatmosphäre aufputschen lassen – und am besten Kopf- und Beinschutz mitbringen. „Auf Grund der euphorisierenden Wirkung kann es zum Verlust der motorischen Selbstkontrolle kommen“. Und selbst die positivste Droge hat ihre Nebenwirkungen.

www.mutabornet.de

Das Album „Individuum“ erscheint am Montag, 29.März 2004

Tourdaten:

1.4. Leipzig
2.4. Fulda
3.4. Singwitz
7.4. Würzburg
8.4. Dresden
9.4. Neuruppin
10.4. Annaberg-Buchholz
16.4. Stemwede
17.4. Kiel
21.4. Deggendorf
22.4. München
23.4. Esslingen
28.4. Berlin
29.4. Berlin
1.5. Neustadt / Orla
5.5. Regensburg
6.5. Meißen
7.5. Sondershausen
14.5. Bad Muskau
19.5. Aachen
20.5. Nethpen
21.5. Magdeburg
22.5. Hannover
3.6. Hamburg
17.6. Aschaffenburg

Julika Hüther fürs Klangmagazin.

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